Frag doch mal die Kollegen

Text: Roland Schmeling

Apps, Instruktionsvideos, E-Learning oder integrierte Inhalte in Softwareoberflächen – mit den technischen Möglichkeiten der Medien steigen auch die Kundenerwartungen. Die Technische Redaktion benötigt daher eine Medienstrategie. Und die richtigen Partner dafür.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 11:53 Minuten

Vor drei Jahren musste ich ein Scharnier an unserer neuen Küche justieren. Die Tür eines Hängeschranks senkte sich zu weit ab. Die Verkleidung des Scharniers konnte ich leicht abziehen. Dahinter befanden sich mehrere Schrauben, mindestens zwei kamen in Frage. Was tun? Auf der Innenseite der Verkleidung fand ich einen QR-Code. Wenige Sekunden später hatte ich die deutschsprachige und illustrierte Montageanleitung auf meinem Smartphone, inklusive Angaben zum Justieren des Scharniers. Seitdem halte ich regelmäßig bei allen möglichen Produkten nach QR-Codes Ausschau, die mich ebenso geschickt zur Anleitung führen. Meistens suche ich aber vergeblich.

Das positive Erlebnis mit dem Scharnier hat meine persönlichen Erwartungen gegenüber dem Zugang zu Produktinformationen nochmals deutlich erhöht. Es liegt nahe, dass es nicht nur mir so geht: Je mehr die Technik kann, umso mehr wachsen die Kundenerwartungen, diese Möglichkeiten zu nutzen. Der Zusammenhang zwischen einer guten Medienstrategie und der Kundenzufriedenheit liegt gewissermaßen auf der Hand.

Medienstrategie und Medienkonzept

Beginnen wir mit einer Begriffserklärung. Die Medienstrategie befindet sich übergeordnet auf der Managementebene. Sie gibt die Richtung vor und beantwortet Fragen wie:

  • Welche Bedeutung hat das Erscheinungsbild der Medien unserer Technischen Kommunikation für unsere Kunden und unseren Geschäftserfolg?
  • Welchen Nutzen schaffen neue Medien, etwa Instruktionsvideos, und welche Einsparungen sind mit ihnen verbunden?
  • Welche Risiken entstehen durch eine veränderte Informationslandschaft, und wie können diese Risiken beherrscht werden?
  • Wie kann eine Transformation grundsätzlich aussehen, und wie können wir dafür vorhandene Ressourcen und Stärken nutzen?
  • Wie lassen sich ein Geschäftsmodell und ein Return-on-Invest darstellen?

In die Medienstrategie fließen zudem Aspekte ein, die sich finanziell schwer bewerten lassen. Dazu zählen Kundennutzen, Kundenzufriedenheit und Kundenbindung sowie Risiko und Image. Umso wichtiger ist eine gute Recherche der Grundlagen, auf die sich Entscheidungen stützen können. Weil die Medienstrategie die Weichen stellt, sollte sie keinesfalls nur auf Vermutungen basieren.

Unter „Medienkonzept“ verstehen wir hingegen alle Regeln, Prozesse und technischen Lösungen, an denen sich die künftige operative Medienproduktion orientiert. Die Erarbeitung eines Medienkonzepts ist ein Projekt, das die Medienstrategie umsetzt.

Medienstrategie und Medienkonzept folgen nicht einfach aufeinander, sondern beeinflussen sich gegenseitig. Darum ist die Aufteilung des Medienkonzepts in Grobkonzept und Feinkonzept hilfreich:

  • Das Grobkonzept setzt mit überschaubarem Aufwand exemplarisch Medien um, lässt eine Medienstrategie greifbar werden und unterstützt auf diese Weise die übergeordneten Entscheidungen.
  • Das Feinkonzept arbeitet die konkreten Umsetzungsregeln schriftlich aus, sollte mit Anwendertests validiert werden und bereitet den Roll-out vor.

Am Scharnier-Beispiel: Die Anleitung zum Justieren erschien als PDF im DIN A4-Format. Dadurch musste ich zoomen und das PDF hin und her bewegen, um die Anleitung lesen zu können. Außerdem hätte mich ein Instruktionsvideo zusätzlich begeistert. Dahinter steht möglicherweise die Medienstrategie, eine neue Funktion zunächst mit geringem Einsatz von Mitteln bereitzustellen, um Rückmeldungen am Markt zu erhalten. Denn dass in einem Medienkonzept nicht auffällt, dass sich ein PDF für diese Darstellung kaum eignet, dürfte eher unwahrscheinlich sein.

Die Redaktion kann mehr

Welche Chancen bieten sich der Technischen Redaktion durch die medialen Möglichkeiten? Ein paar Beispiele: Die Anleitungs-App eines Automobilherstellers hat mit Abstand die größten Download-Zahlen gegenüber den teils aufwändigen Marketing- und Verkaufs-Apps. Ein Medizintechnikhersteller produziert seine Service-Anleitungen ausschließlich als Instruktionsvideo. Ein Hersteller von motorbetriebenen, handgeführten Werkzeugen setzt schon länger auf Videoanleitungen – für Endkunden in einer Redundanzstrategie (Video zusätzlich zur klassischen Anleitung), für den Service mehr und mehr in einer Substitutionsstrategie. Ein Softwarehersteller hat hunderte von Screencasts online.

Die Beispiele zeigen, dass Technische Redaktionen auch multimediale Informationsprodukte mit Mehrwert entwickeln. Dahinter stehen Entscheidungen der Unternehmen. Die Zeiten sind vorbei, in denen sich die Medienstrategie auf die möglichst kosteneffiziente Bereitstellung des rechtlich geforderten Minimums beschränkt. Damit wird die Technische Redaktion zu einer Produktentwicklung, die nach den Regeln des Marktes arbeitet und deren Investitionen sich für das Unternehmen wirtschaftlich lohnen müssen. Hinter den meisten Erfolgsbeispielen, die ich kenne, stecken Technische Redaktionen mit bewussten und systematisch geplanten Strategien, wie sie sich aus dem angestammten Aufgabenfeld herausbewegen und sich den neuen medialen Herausforderungen stellen.

Das Aufgabenfeld der Technischen Redaktion ist bislang oft durch Recht und Normen geprägt. In vielen Unternehmen herrscht die Meinung vor, dass Informationsentwicklung keinen Mehrwert erzeugt. Das bestimmt vielerorts das Bild der Technischen Redaktion. Allerdings braucht die Redaktion das Unternehmensumfeld für eine erfolgreiche Medienstrategie: Der QR-Code auf der Scharnierverkleidung wäre ohne die Produktion, die das Label ändert, das Marketing, das langlebige Download-Links auf der Website des Unternehmens ermöglicht, und die Unternehmensleitung, die Budgets bereitstellt und Risiken trägt, nicht denkbar.

Um eine Medienstrategie erfolgreich umzusetzen, ist es also unumgänglich, die Anspruchsteller – die „Stakeholder“ – zu kennen: Welche Meinungen und Haltungen gibt es? Welche gemeinsamen Interessen? Welche Bereitschaft zur Mitarbeit? Mit welchen Widerständen ist zu rechnen? Damit kommen wir zu einem wichtigen Baustein einer erfolgreichen Weiterentwicklung der Technischen Kommunikation eines Unternehmens: die Stakeholderanalyse.

Die Stakeholderanalyse hilft bei den folgenden Aufgaben:

  • mögliche Unterstützer und Promoter erkennen
  • individuelle Ziele der einzelnen Stakeholder vollständig erfassen
  • Hindernisse und Widerstände, die von bestimmten Personen ausgehen könnten, frühzeitig begegnen und passende Argumente vorbereiten
  • mögliche Betroffene ins Boot holen und sie nicht übersehen

In der Regel sind die Interessen von Stakeholdern nicht identisch. Ein gemeinsames Verständnis ist aber wichtig für Veränderungen, denn: Veränderungen beginnen nicht in Computern oder Organigrammen, sondern in den Köpfen. Dem Management ein klares Bild der Interessen anderer Stakeholder zu geben, kann daher bei Projektanträgen besonders wichtig sein.

Stakeholder erkennen

Stakeholder sind Personen oder Gruppen, die

  • ein berechtigtes Interesse an der Medienstrategie haben,
  • in irgendeiner Weise davon betroffen sind oder
  • den Anspruch haben, Einfluss zu nehmen.

Stakeholder lassen sich anhand folgender Fragen finden: Wer kommt als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter für ein Projekt in Frage? Wer finanziert das Medienkonzept? Wer muss mit den Auswirkungen eines Medienkonzepts leben? Wer hat Bedenken gegen bestimmte Veränderungen der Informationslandschaft? Wer bestimmt Rahmenbedingungen für eine Medienstrategie?

Typische Stakeholder einer Medienstrategie sind zum Beispiel:

  • Geschäftsführung
  • Produktnutzer/Kunde
  • allgemeine Öffentlichkeit
  • Produktion und Logistik
  • Landesgesellschaften
  • Rechtsabteilung
  • Produktmanagement
  • Marketing
  • Produktentwicklung
  • IT

Sicher fallen Ihnen weitere Stakeholder ein, wenn Sie über Ihre Medienstrategie nachdenken. Oder Ihre Stakeholder müssen Sie weiter differenzieren, weil sich vielleicht hinter dem „Produktmanagement“ Personen mit sehr unterschiedlichen Meinungen und Interessen verbergen.

Ein Wort zum Stakeholder „Produktnutzer/Kunde“: Im Scharnier-Beispiel war der QR-Code hinter der Verkleidung angebracht, zugänglich für alle Personen, die die erste Hürde – das Abziehen der Verkleidung – ohne Anleitung überwinden und damit zumindest ein grundlegendes handwerkliches Geschick oder Selbstbewusstsein beweisen. Ob die Positionierung des QR-Codes tatsächlich wegen der Zielgruppe oder wegen des Designs festgelegt wurde, ist allerdings nicht bekannt.

Stakeholder einteilen und bewerten

Nicht jeder Stakeholder ist gleich wichtig für den Erfolg der Medienstrategie. Darum gilt es, die Stakeholder zu klassifizieren. Schließlich können Stakeholder eine Medienstrategie zum Scheitern bringen. Nicht selten spielen dabei Bereichsegoismen und Anspruchsdenken eine Rolle. Aber Stakeholder können die Vorhaben auch entscheidend voranbringen. Mit zwei Fragen lassen sich Stakeholder einteilen:

  1. Ist der Stakeholder positiv oder negativ zu einer veränderten Medienstrategie eingestellt?
  2. Wie groß ist der Einfluss des Stakeholders auf die Medienstrategie?

Eine Rechtsabteilung sieht in einer Medienstrategie ein Risiko und befürchtet die Auflösung hart erkämpfter und sicherer Standards. Ein Produktmanagement will die Druckkosten senken. Ein anderes Produktmanagement sieht hingegen die Kundenzufriedenheit bedroht, wenn auf hochwertige Druckmaterialien verzichtet wird. Eine Landesniederlassung will auf die Eigenständigkeit nicht verzichten. Die Geschäftsleitung zweifelt am Nutzen für die Investition. Das Marketing hingegen unterstützt einen moderneren Auftritt in der Produktkommunikation. Die IT ist gedanklich schon bei der Umsetzung. Die Technische Redaktion ist gespalten, einige sehen sich den künftigen Anforderungen nicht gewachsen.

Wie die Einteilung der internen Stakeholder aussehen könnte, zeigt Tabelle 01. Darin haben Geschäftsführung/Bereichsleitung und Rechtsabteilung den größten Einfluss auf die Medienstrategie – was durchaus den Erfahrungen entspricht.

Stakeholder, Einfluss und Einstellung

Tab. 01 Quelle Roland Schmeling

Gegenseitiger Einfluss

Angesichts der unterschiedlichen Interessen wird schnell klar, dass das Stakeholdermanagement für Erfolg und Misserfolg entscheidend ist. Und damit kann es viel Arbeit machen. Aber müssen Sie diese Arbeit allein erledigen? Ihre wohlwollenden internen Stakeholder könnten doch ebenso für Ihre Ziele arbeiten. Dafür müssen Sie jedoch das Beziehungsgeflecht der Stakeholder kennen – eine oft unterschätzte Komponente dieser Analyse.

Wenn Sie das Zusammenspiel zwischen Ihren Stakeholdern besser verstehen, können Sie beispielsweise gezielt Befürworter und Unterstützer mit einzelnen Kritikern zusammenbringen. Andere Stakeholder bringen dann die Argumente für Ihre Medienstrategie voran. Dies entfaltet oft eine ungeahnte Wirkung.

Das Beziehungsgeflecht können Sie als Diagramm darstellen. Dabei sollten Sie nicht nur die organisatorischen, sondern auch die informellen Beziehungen beachten. Einfluss und Einstellung können mit Größe beziehungsweise Farbe dargestellt werden. Abbildung 01 zeigt ein Beispiel.

Größe bedeutet Einfluss, Farbe Einstellung

Abb. 01 Beziehungsgeflecht; die Größe zeigt den Einfluss, die Farbe die Einstellung. Hilfreich kann es sein, das Beziehungsgeflecht teilweise auf Personen herunterzubrechen. Quelle Roland Schmeling

Auch eine Matrix kann helfen, die möglichen Beeinflussungen konkret aufzudecken und damit nutzbar zu machen. Tabelle 02 zeigt den Aufbau einer Beeinflussungsmatrix. Bei sehr vielen Stakeholdern besteht das Risiko, dass die Matrix schnell unübersichtlich wird.

Beispiel einer Matrix

Tab. 02 Quelle Roland Schmeling

Übrigens können auch die Meinungen externer Stakeholder aufgenommen werden; diese benötigen lediglich ein internes Sprachrohr. So weiß vielleicht die Hotline von Kundenfeedbacks, die für die Entwicklung der Medienstrategie hilfreich sein können, oder eine Marktaufsicht hat sich gegenüber der Homologationsabteilung tolerant zu elektronischen Medien geäußert.

Umgang mit Stakeholdern

Macht es Sinn, einen negativ eingestellten Stakeholder zu beachten, wenn er kaum Einfluss hat? Wie viel Zeit möchten Sie in eine Beziehung stecken, die einer veränderten Medienstrategie zwar positiv gegenübersteht, aber keine Macht hat, sie wirksam zu unterstützen? Ist es sinnvoll, eine ablehnende Person unbeachtet zu lassen, die viel Einfluss hat? Tabelle 03 zeigt eine Klassifikation der Stakeholder mit Ansätzen, wie der Umgang mit den verschiedenen Gruppen aussehen kann.

Empfehlungen für den Umgang mit Stakeholder

Tab. 03 Quelle Roland Schmeling

Schauen wir uns im Folgenden drei wichtige Stakeholder an: Rechtsabteilung, Geschäftsführung und die Redaktion.

Die Rolle der Rechtsabteilung

Technische Dokumentation muss auch dazu beitragen, Compliance herzustellen und Risiken zu senken. Für eine Medienstrategie mit dem Ziel, die Informationslandschaft zu verändern, lohnt sich daher die eingehende Beschäftigung mit dem Stakeholder Rechtsabteilung. Sie hat die Aufgabe, die Geschäftsführung auf mögliche Risiken aufmerksam zu machen. Die Rechtsabteilung liefert jedoch in der Regel nicht die Lösung mit. Insofern wird sie häufig als konservativ wahrgenommen.

Lösungen zu erarbeiten, würde zumeist die Möglichkeiten einer Rechtsabteilung übersteigen. So wenig, wie es die Aufgabe einer Rechtsabteilung ist, ein Sicherheitskapitel für eine Anleitung zu schreiben, so wenig ist es auch ihre Aufgabe, konkrete Vorgaben für ein Medienkonzept zu erstellen. Genau aus diesem Grund kann man jedoch von einer Rechtsabteilung Ergebnisoffenheit erwarten, genauso wie eine Technische Redaktion offen für Ergebnisse sein sollte. Am Ende wird es darum gehen, den bestmöglichen Weg zu finden, der Innovation und Risiko ausgleicht oder sogar miteinander verbindet.

Die Rechtsabteilung hat einen großen Einfluss auf die Geschäftsführung. Denn diese hat ein Interesse, ihre nicht zuletzt auch persönlichen Risiken gering zu halten. Die Einbindung der Rechtsabteilung ist ein wichtiges Korrektiv für ein Medienkonzept und daher wichtiger Bestandteil der Medienstrategie.

Orientierung an hoher Qualität und Nutzerfreundlichkeit, die systematische Auseinandersetzung mit Rechtsquellen und Risiken und die transparente Darstellung von dokumentierten Prozessen gehören zu den Bausteinen, von denen sich die Rechtsabteilung überzeugen lässt. Es lohnt sich, die Zeit zu investieren, um ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Sprachregelung mit einer Rechtsabteilung herzustellen. Eine sorgfältige Einarbeitung in die Rechtsgrundlagen ist wichtig, um für die Rechtsabteilung ein kompetenter Gesprächspartner zu sein. Hierzu kann auch die tekom-Richtlinie „eDok“ als Einstieg nützlich sein [1]. Die Richtlinie ersetzt aber nicht die Auseinandersetzung mit den Rechtsquellen.

Die Rolle der Geschäftsführung

Die Geschäftsführung als letzte Instanz für Entscheidungen und Verantwortung benötigt ein Gesamtbild: Wie unterstützt die künftige Medienstrategie den Geschäftserfolg? Was ist die Sicht der übrigen Stakeholder im Unternehmen – einschließlich der Rechtsabteilung? Wie sieht die Kosten-Nutzen-Bilanz aus?

Selbstverständlich nimmt eine Geschäftsführung wahr, wie sich die Welt technologisch verändert. Konkrete Aspekte für die Medienstrategie sind deshalb:

  • Mit welchen Medien steigern wir die Attraktivität unserer Produkte?
  • Welche Rahmenbedingungen müssen wir in den verschiedenen Märkten erfüllen?
  • Was machen andere Unternehmen der Branche?
  • Welcher konkrete Kundennutzen entsteht?
  • Welche Kosten fallen an, für die Transformation als auch für den künftigen laufenden Betrieb?
  • Wo gibt es mögliche Einsparungen?
  • Wie kann die Transformation trotz laufendem Betrieb aussehen?
  • Wie können bei laufendem Betrieb schnelle Erfolge erzielt werden?

Gut recherchierte Zielgruppenkenntnisse, konkrete Kundenaussagen, klare Begründungen mit nachvollziehbaren Anwendungsfällen und User Stories sowie hinterlegte Beispiele sind für eine Geschäftsführung und ihre Entscheidung wichtig.

Die Rolle des Redaktionsteams

Wichtige interne Stakeholder sind nicht nur außerhalb der Redaktion zu finden: Auch die Technische Redaktion selbst gehört dazu. Das Selbstverständnis einer Technischen Redaktion basiert auf der Notwendigkeit, dass ein Produkt nur mit einer Anleitung marktfähig ist. Der Gesetzgeber sorgte gewissermaßen für die Sicherheit der Arbeitsplätze. Wollte die Technische Redaktion bislang investieren, musste sie umgekehrt begründen, wie sie Kosten reduzieren kann.

Mit den neuen Medien ändert sich die Ausgangssituation: Kein Gesetzgeber fordert Instruktionsvideos, Anleitungs-Apps oder Augmented Reality. Im Gegenteil, vielmehr besteht hier Skepsis. Deshalb muss die Technische Redaktion lernen, mit dem Nutzen für den Unternehmenserfolg zu argumentieren, will sie etwas ändern.

Dieser Lernprozess lässt sich an den tekom-Tagungen gut ablesen: Vier Jahre nach dem ersten iPhone gibt es auf der tekom-Jahrestagung 2011 in Wiesbaden erstmals einen Programmteil über „Mobile Dokumentation“. In parallelen Vortragsslots werden die Synergien zu Schulung und Marketing aufgeworfen und der Begriff „Content Strategy“ hält Einzug. Seitdem sind weitere Slots zu Medienthemen hinzugekommen, etwa „Augmented Reality“ und „Technische Videos“. Die Notwendigkeit von Veränderungen sollte also in einer Redaktion präsent sein – wenn auch mehr auf konzeptioneller als auf strategischer Ebene.

Um das Erfahrungswissen und vorhandene – und möglicherweise verborgene – Kompetenzen der Redaktion zu nutzen, sollte ein Redaktionsteam von vornherein als Ganzes in die Überlegungen einbezogen werden. Spätestens wenn es um Fragen der Umsetzung geht, benötigt ein Redaktionsteam eine gemeinsame Sicht auf die Ziele und Machbarkeiten. Die vorhandenen Kompetenzen in einem Redaktionsteam sollten genutzt werden, um mögliche Zukunftsszenarien zu entwickeln und die Maßnahmen und Aufwände zu identifizieren, die für eine Umsetzung erforderlich sind.

Wertvolle Methoden für die Entwicklung einer Medienstrategie in der Technischen Redaktion sind die Stärken-Schwächen-Analyse [2] und die Portfolioanalyse [3]. Beispielsweise bei der Frage, wo die Entwicklung von Instruktionsvideos optimal geleistet werden kann, sollte sich eine Redaktion auf Stärken wie Recherchekompetenz (sachliche Richtigkeit), Umsetzung von Rechtskonformität und die ökonomische und termingerechte Produktion besinnen.

Management, Plan und Marketing

Es ist hilfreich, wenn Sie im Unternehmen gut vernetzt sind. Das bedeutet nichts anderes als die breite Kommunikation mit Stakeholdern für Ihren Erfolg. Um sich zu vernetzen, eignen sich zufällige Gespräche, zum Beispiel im Flur, in Pausen, auf Feiern, schriftlich, fernmündlich, über Social Media oder bei Begegnungen auf dem Arbeitsweg.

In einem laufenden Projekt bieten ein Stakeholdermanagement zusammen mit einem Kommunikationsplan und Projektmarketing weitere Möglichkeiten. Dazu gehören Präsentationen, offizielle Meetings oder auch die Kommunikation im Intranet. Die Gestaltung dieser internen Kommunikation kann die Weise, in der die Technische Kommunikation im Unternehmen wahrgenommen wird, entscheidend beeinflussen und sollte daher genauso systematisch geplant werden wie die gesamte Medienstrategie. Die Stakeholderanalyse ist dabei Grundlage und wesentliche Voraussetzung für das nachfolgende Management.

Hinsichtlich des taktischen Stakeholdermanagements sei auf den Beitrag von Prof. Dr.-Ing. Michael Schaffner verwiesen [4]. Darin stellt er dar, wie Widerständen auf kognitiver, emotionaler und intentionaler Ebene mit den Erfolgsfaktoren der Akzeptanz – Kennen, Können, Wollen, Sollen – verbunden werden können.

Vertraulicher Umgang

Bei der Stakeholderanalyse geht es auch um einzelne Personen. Darum muss man sorgfältig entscheiden, was dokumentiert wird und was nicht. Was Personen im Unternehmen äußern und auch schriftlich bestätigen, kann ebenfalls dokumentiert werden. Persönliche Einschätzungen hingegen sollten – wenn überhaupt – in den persönlichen Notizen bleiben. Andere Personen sollten dazu keinen Zugang haben.

Literatur zum Beitrag

[1] tekom (2016): Bereitstellung von Nutzungsinforma­tionen in elektronischer Form – eDok. Stuttgart.

[2] Ried, Tilo (2019): Einer Strategie auf den Grund gehen. In: technische kommunikation, H. 1, S. 56–59.

[3] Ried, Tilo (2019): Auf die Vollständigkeit kommt es an. In: technische kommunikation, H. 2, S. 48–51.

[4] Schaffner, Michael (2019): Widerstand wird zur Dynamik. In: technische kommunikation, H. 2, S. 52–58.