Klassische Nachrichten neu aufgelegt

Text: Birgit Fuhrmann Coline Rey

Auf dem CareerHub während der tekom-Jahrestagung 2023 präsentierten Schweizer Studierende ihr Konzept für eine Nachrichten-App. Zielgruppe sind Digital Natives. Wie das Projekt gelaufen ist und wie die Ergebnisse aussehen, zeigt dieser Artikel.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 08:55 Minuten

Digital Natives haben ein ganz eigenes Verhalten, was den Umgang mit Nachrichten betrifft. Die jungen Generationen scheinen Nachrichten nicht auf denselben Kanälen zu konsumieren wie beispielsweise die Generation der Babyboomer. Dies genauer zu untersuchen, war Aufgabe des Forschungsprojekts „Schweizer Digital Natives mit Nachrichten erreichen“. Aus der Untersuchung leiten sich Erkenntnisse ab, wie eine App die Bedürfnisse von Jugendlichen erfüllen kann und wie sie weiterhin Nachrichten lesen

Forschung und Informationsdesign

Im Rahmen des Bachelorstudiums „Mehrsprachige Kommunikation“ (früher Angewandte Sprachen) an der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften setzen alle Studierende der Vertiefung Fachkommunikation und Informationsdesign im sechsten Semester ein gemeinsames anwendungsorientiertes Projekt um. Dafür wird ein Projekt aus der Forschung oder der Praxis ausgewählt, sei es von ZHAW-internen oder von externen Auftraggebern. Im Frühjahr 2023 ging es darum, zwei Mockups von einer Nachrichten-App für Digital Natives zu gestalten und diese in einem A-B-Usability-Test zu vergleichen. Der Auftrag wurde vom Media­Lab am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft gestellt. Das Ziel lautete, eine konkrete Anwendung für eine News-App zu entwickeln, basierend auf den Erkenntnissen aus dem Forschungsprojekt „Schweizer Digital Natives mit Nachrichten erreichen“.

Der Auftraggeber MediaLab hatte in diesem Forschungsprojekt bereits mit Hilfe von Umfragen herausgefunden, was sich Digital Natives von einer News-App wünschen. Anschließend wurde in einem Studierendenprojekt am IAM mit den Resultaten der Umfrage von ZHAW-Studierenden zehn Portfolios für eine App erstellt. Die Portfolios beschrieben je ein App-Design, die Funktionen der App und die dazugehörigen Interaktionsmöglichkeiten. In einem weiteren Schritt sollten nun die Studierenden am IUED Institut für Übersetzen und Dolmetschen aus der Vertiefung Fachkommunikation und Informationsdesign die Portfolios in konkrete Mockups weiterentwickeln. Dafür wurden die zwei besten Portfolios von den Auftraggebern ausgewählt: „Updated“ und „Imagotchi“. Die Aufgabe war dann, anhand der beiden ausgewählten Portfolios je ein Mockup der App zu erstellen. Dabei wurden gleichzeitig Features aus den anderen Portfolios übernommen.

Ein Mockup (oder auch „Mock-up“) ist eine visuelle Darstellung eines Designs. Ein statisches Modell oder ein Prototyp wird verwendet, um das Erscheinungsbild und die Funktionalität eines Produkts oder einer Website zu veranschaulichen, bevor die tatsächliche Entwicklung beginnt. Das Modell dient dazu, Designideen zu präsentieren, Feedback zu sammeln und Designentscheidungen zu erleichtern. Die beiden Mockups wurden dann in einem A-B-Usability-Test getestet. Das Mockup, das die besten Bewertungen erhalten hat, sollte dann in einem Folgeprojekt als App entwickelt werden. Teil der Aufgabenstellung waren zudem die Organisation im Projektteam, die Wahl eines Projektleiters bzw. einer Projektleiterin, die Dokumentation des Usability Tests, ein Projektjournal, ein Blog-Beitrag für die Webseite der ZHAW, ein Erfahrungsbericht und eine Schlusspräsentation.

„Ich freue mich sehr über die erfolgreiche Umsetzung unserer Studierenden und dass sie es geschafft haben, zwei sehr konkrete Mockups zu entwickeln. Besonders spannend finde ich, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglicht wurde und dass Forschungs­ergebnisse in die Lehre einbezogen und dort umgesetzt werden konnten. Ein besonderer Dank gilt hierbei den Kolleginnen und Kollegen vom IAM.“

Birgit Fuhrmann

Alles in Teamarbeit

Unser Projektteam bestand aus neun ZHAW-Studierenden, was bereits die erste Herausforderung mit sich brachte. Denn bisher hatten wir eher in Kleingruppen gearbeitet. Zuerst wählten wir zwei Personen als Projektleitung. Deren Aufgabe war es, die Kommunikation mit dem Auftraggeber aufrechtzuerhalten, das Projekt zu planen, den Überblick zu bewahren und, wo nötig, Hilfestellung zu leisten.

Danach wurden die Studierenden in verschiedene Subteams eingeteilt, um die Arbeitspakete besser zu bewältigen: ein Mockup-Team, ein Usability-Team, ein Blog-Team sowie Springer. Das Mockup-Team bestand aus Mockup-Experten. Deren Aufgabe war es, passende Software für die Erstellung der Mockups auszusuchen, die Mockups zu erstellen, einen Bericht zu den Mockups zu schreiben und die fertigen Mockups dem Usability-Team zu übergeben.

Die Aufgaben des Usability-Teams lauteten, die Testpersonen einzuladen, die Tests zu planen, die Personen anschließend zu interviewen, die Testergebnisse und die Interviews auszuwerten, ein „Gewinner“-Mockup zu evaluieren und eine Usability-Dokumentation zu erstellen. Zu guter Letzt sollte das Blog-Team die anderen Teams während der Projektumsetzung begleiten und anhand der gesammelten Eindrücke einen Blogpost schreiben. Das Teammitglied mit der Funktion „Springer“ übernahm in den Subteams agil und flexibel Aufgaben zur Unterstützung, wie beispielsweise die Usability-Dokumentation oder einzelne Panels erstellen für Mockups.

Nach Gründen der Subteams wurde eine Projektplanung erstellt und festgelegt, dass sich das gesamte Projektteam wöchentlich in einem Stand-up-Meeting trifft, um das Projektcontrolling sicherzustellen.

„Einzelne Erfahrungen waren für mich sehr schwierig und unangenehm. Diese möchte ich nicht wiederholen müssen. Andere Erfahrungen fand ich super cool, zum Beispiel innerhalb einer Woche eine neue Software bedienen zu lernen, verschiedene Strukturmöglichkeiten von Projekten anzuwenden. Das Brainstorming für die Mockups und die Zusammenarbeit mit meinen motivierten und zielgerichteten Mitstudierenden hat besonders viel Spaß gemacht. Ich bin sehr dankbar, dass wir mit diesem Projekt einen Kurzvortrag am CareerHUB bei der tekom Jahrestagung 2023 halten konnte und wir nun die Gelegenheit haben, diese Erfahrungen und Erkenntnisse in dieser Fachzeitschrift zu teilen.“

Coline Rey

Feinschliff für die Mockups

Für die Mockups „Updated“ und „Imagotchi“ wurde im Mockup-Team von je einem Experten bzw. einer Expertin ein Entwicklungskonzept erarbeitet. Das Konzept wurde dann mit Hilfe einer Software umgesetzt.

Updated (Abb. 01): Das Mockup erstellt jeden Tag einen Leseplan. Jeder Artikel, den man liest, erhöht den Prozentsatz der „Updatedness“. Das Ziel ist, jeden Tag zu 100 Prozent auf dem Laufenden zu sein. Die Nachrichten haben einen unterschiedlichen Wert: so genannte „Hot News“ sowie „Random News“ bringen 15 Prozent ein, während die Nachrichten aus dem Leseplan nur mit 10 Prozent in die „Updatedness“ einzahlen (Abb. 02).

Zwei Screenshots von der App Updated.
Abb. 01 (l.) Die Startseite von "Updated"; Abb. 02 (r.) Der tägliche Leseplan mit der Funktion "Info-Bubble", um den Nachrichtenkonsum zu steuern.
Quelle Birgit Fuhrmann und Coline Rey

Das Ziel der „Random News“ ist es, aus der gewohnten Informations-Bubble auszutreten. Das war eine Eigenschaft, die sich die Jugendlichen aus der Umfrage gewünscht hatten.

Imagotchi (Abb. 03): Das Mockup der App „Imagotchi“ funktioniert ähnlich wie ein Tamagotchi – daher der Name. In der App geht es darum, Artikel zu lesen, um Geld zu verdienen und so Aktivitäten, Kleidung oder Essen für das Imagotchi zu kaufen.

Startseite der App Imagotchi.
Abb. 02 Die Startseite von "Imagotchi". Quelle Birgit Fuhrmann und Coline Rey

Wenn das Imagotchi eine Woche lang zufrieden ist, spendet die App zwei Schweizer Franken an die Naturschutzorganisation ProNatura. So soll die Motivation erhöht werden, um die App zu nutzen.

Das Mockup von Imagotchi ist so aufgebaut, dass es die Testpersonen im Idealfall während des Usability-Testings leitet, ähnlich wie ein Tutorial in einem Videospiel. Die Testpersonen hatten also keine typischen Aufgaben zu lösen, sondern sollten ein Gefühl für die verfügbaren Funktionen bekommen und diese bewerten. Ein Test galt als erfolgreich, wenn sich die Testperson eigenständig und ohne Hilfe von der Testleitung durch das Tutorial bewegte. Für das Usability-Testing mussten einige Features von Updated nachträglich angepasst werden, damit sie mit denen von Imagotchi übereinstimmten. Mit Hilfe des A-/B-Usability-Testings konnte systematisch erhoben werden, dass Jugendliche die „Imgotchi-App“ besser finden und eher nutzen würden. Dies zum einen, weil sie das Design ansprechender fänden und die App besser zu handhaben sei. Zusätzlich helfe das Imagotchi-Kätzchen bei der Orientierung in der App und dabei neue Themen zu entdecken. Schließlich wurde auch der soziale, solidarische Aspekt der Spendenfunktion als sehr positiv wahrgenommen. Somit stand die Imagotchi-App als Gewinner fest.

Unsere Ergebnisse

Eine technische Herausforderung war die Auswahl der Software, um die Mockups gestalten zu können. Die Auswahl fiel auf eine Gratisversion, allerdings mit Einschränkungen. In der Software sind in der Gratisversion lediglich zehn verschiedene Screens, so genannte Boards, verfügbar. Dieses Limit bereitete dem Mockup-Team die meisten Schwierigkeiten bei der Umsetzung. Denn für die Erstellung der vielen verschiedenen Features genügten zehn Boards nicht. Vielmehr musste innerhalb der Boards mit so genannten Masken gearbeitet werden. Diese wurden über das Board gelegt, um jeweils ein neues Feature zu gestalten, zum Beispiel für ein Pop-up. Je mehr Masken, desto komplizierter wurde ein Board. Ein weiteres Beispiel hierzu ist, dass die Nutzerinnen und Nutzer idealerweise ein individuelles Imagotchi hätten aussuchen können. Diese Umsetzung war mit den Einschränkungen der Gratissoftware fast unmöglich aufgrund des Workarounds mit den Boards und Masken. Daher musste darauf verzichtet werden.

Weiterhin fiel beim Vergleich der beiden Mockups auf, dass die separate Entwicklung von Updated und Imagotchi nicht optimal war. Denn bei der Vorbereitung des Usability-Testings wurde klar, dass zwei ganz unterschiedliche Apps von den Experten gestaltet wurden, die auch in der Software ganz unterschiedlich aufgebaut waren. Eine Erkenntnis daraus ist, dass vor Beginn der Entwicklung eine einheitliche Funktionslogik als Basis für beide Apps festgelegt werden sollte. Außerdem hätte ein entwicklungsbegleitender Austausch diese Lücke verhindern können.

Beim Usability-Testing wurde erkannt, dass das A-B-Usability-Testing und die Entwicklung der App möglichst simultan laufen sollten und mehr Absprachen notwendig sind. Eine weitere Erkenntnis war, dass es für den Verlauf des Entwicklungsprojektes sowie das Testing entscheidend ist, dass für den Usability-Test frühzeitig ein Plan gemacht werden sollte. Etwa darüber, wie der Test ablaufen soll, damit die Mockups der App so entwickelt werden können, dass sie vergleichbar und testbar sind. So lassen sich späte Anpassungen, zusätzliche Zeit sowie Kosten im Entwicklungsprozess vermeiden.

Wenn über das Projektmanagement reflektiert wird, fällt auf, dass es den meisten schwerfiel, die Deadlines einzuhalten, und das Projektteam war froh um die eingeplanten Pufferzeiten, die dann eingesetzt werden konnten. Hinzu kommt, dass das Projekt gleichzeitig zu unseren Bachelorarbeiten entstand. Zum Glück konnten wir als Team auf die Projektleitung zählen. Insbesondere beim Schlussbericht setzte sie sich stark dafür ein, dass die Deadlines eingehalten werden konnten. Das kann man sehr gut auch auf den Arbeitsalltag übertragen, in dem man meist in mehrere parallele Projekte involviert ist und mit den daraus entstehenden Herausforderungen umgehen muss. Weiterhin führten die Priorisierungen innerhalb des Projektteams immer wieder zu Schwierigkeiten. Schließlich war jedes Projektmitglied davon überzeugt, die wichtigste Aufgabe zu haben. Hier und da musste die Projektleitung sowie auch einzelne Teammitglieder eingreifen, um allen den roten Faden des Projektablaufs wieder bewusst zu machen: Mockup, Usability-Testing, Bericht – und der Rest ist nur „nice to have“.

Das Projektjournal, das wir kontinuierlich geführt haben, hat sich aus unserer Sicht für die Praxis sehr empfohlen. Für das Journal wurde eine Tabelle erstellt, die für die Teamsitzung vorbereitet und in den Sitzungen besprochen wurde. Wir haben jedes Mal, wenn etwas gemacht wurde, das Journal ausgefüllt. So waren alle Teammitglieder zumindest theoretisch darüber im Bild, was ansteht und worum es geht.

Der Inhalt eines Eintrags war „wer“, das Datum, was man sich vorgenommen hat, was man gemacht hat bzw. ob man eine Aufgabe erfüllt hat. Außerdem, was man das nächste Mal machen wird oder was der nächste Schritt ist. Es war sehr wichtig, das Journal zusammen im Team zu pflegen und zu besprechen, um die Umsetzung der einzelnen Arbeitspakete zu verfolgen und zu dokumentieren.

Die Schlusspräsentation mit den Projektergebnissen wurde den Auftragebern vorgestellt und mit ihnen diskutiert. Diese waren begeistert und planen nun in einem nächsten Schritt die Umsetzung des Gewinner-Mockups, um Jugendlichen eine News-App anbieten zu können. Alles in allem war es ein gelungenes Projekt mit vielen Lernerfolgen für das Team und die einzelnen Studierenden.

Quellen

Imagotchi Icons: https://www.flaticon.com/packs/unicorns-2?word=unicorn; https://www.flaticon.com/packs/yokai-7; https://www.flaticon.com/packs/chatbot-4?word=chatbot

https://www.flaticon.com/packs/kitty-avatars-2; https://www.flaticon.com/packs/dinosaur-avatars-situations-2

In den Apps verwendete Artikel siehe:

Für Leseplan-Artikel, auch im Imagotchi: https://www.scinexx.de/news/technik/weltrekord-fuer-drahtlose-datenuebertragung

Für den Random Artikel auch im Imagotchi: https://www.faz.net/aktuell/sport/wintersport/eiskunstlauf-wird-der-sport-nach-dieser-wm-weniger-risikoreich-18777104.html

Für den Hotnews Artikel: https://goodimpact.eu/gute-ideen/sprache-gestresster-pflanzen-haltbarkeit-von-obst-und-gemuese

Für den Artikel Interesse-Feld: https://naturschutz.ch/news/forschung/sperlingsvogel-nutzt-menschliche-siedlungen-zu-seinem-vorteil/174313

Als Vorschau in den Interesse-Feldern: https://www.sueddeutsche.de/panorama/polarlichter-deutschland-1.5758995

Als Vorschau in den Interesse-Feldern: https://www.pressetext.com/news/neue-technik-macht-windkraftanlagen-billiger.html

Imagotchi: https://www.srf.ch/news/gesellschaft/jugend-und-informatik-kuenstliche-intelligenz-diese-ideen-haben-jugendliche

Vorschau: https://www.srf.ch/news/gesellschaft/klimaseniorinnen-in-strassburg-menschenrechte-universelle-rechte-oder-politischer-kampfbegriff

Vorschau: https://www.srf.ch/news/schweiz/ungewoehnliche-patrouillen-e-bikes-mit-blaulicht-so-jagt-die-polizei-in-zuerich-verbrecher

Vorschau: https://www.watson.ch/good-news/articles/518406119-good-news-aus-neuseeland-zwei-kiwi-unterarten-sind-nicht-mehr-vom-aussterben-bedroht

Vorschau: https://www.watson.ch/wissen/retro/350433531-delorean-kommt-zurueck-die-kult-sportwagen-werden-wieder-gebaut

Im Imagotchi genutzt: https://www.watson.ch/wissen/umwelt/251187969-enzym-cocktail-kann-plastikmuell-sechsmal-schneller-abbauen

Im Imagotchi genutzt – zum Lesen: https://good-search.org/about/blog/neues-leben-fuer-zerstoerte-korallenriffe/?utm_source=good-news-de

Testen und bewerten

Wer die Mockups testen will, kann dies gerne tun:

Imagotchi: https://rp.mockplus.com/rps/hhA8GgjeRW/aF-_oiW1S?

Updated: https://rp.mockplus.com/rps/tPhgfcjn03/Nnqr59taG-?

Bitte schicken Sie uns anschließend Ihr Feedback: fuhm(at)zhaw.ch, coline.rey(at)outlook.com

 

Eine junge Frau blickt auf das Display ihres Smartphones.