Minimal und prägnant informieren

Text: Roland Schmeling

Überflüssige und langatmige Informationen erschweren das Verständnis und verursachen Kosten. Wie lässt sich die Balance zum Vollständigkeitsprinzip halten? Welche Aussagen macht Edition 2 der IEC/IEEE 82079-1 dazu? Und was heißt das konkret für die Technische Redaktion?

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 11:02 Minuten

hier abrufbarhttps://technischekommunikation.infohttps://technischekommunikation.infohttps://technischekommunikation.infoDas Minimalismusprinzip verlangt, auf Überflüssiges zu verzichten, und ist damit die inhaltliche Seite der Kürze. Das Prägnanzprinzip ist die formale Seite der Kürze und bedeutet, die Informationen – Text, Bild oder Video – in möglichst kurzer Form zu geben. Beide Prinzipien greifen ineinander; und beide Prinzipien sind mit der internationalen Norm IEC/IEEE 82079-1:2019-05 (Inf. 01) international Konsens und normativ für alle Arten von Gebrauchsinformationen gefordert.

Edition 2, IEC/IEEE 82079-1

Die internationale Norm IEC/IEEE 82079-1:2019-05 heißt im Originaltitel „Preparation of information for use (instructions for use) of products – Part 1: Principles and general requirements“ und ist die weltweit wichtigste Norm für Informationen zum Gebrauch von Produkten. Der Anwendungsbereich umfasst dabei alle Arten von Produkten – von Verbraucherprodukten, Fahrzeugen und Software über Medizinprodukte bis zu Maschinen und Anlagen.
Die Norm liegt seit Mai 2019 in ihrer grundlegend überarbeiteten zweiten Edition vor. Eine wesentliche Neuerung gegenüber der Fassung von 2012 ist ein normatives Kapitel zum Informationsmanagementprozess. Darüber hinaus sind viele einzelne Änderungen eingeflossen. Zum Beispiel wurden die Qualitätsprinzipien für Gebrauchsinformationen überarbeitet. Die Übernahme als europäische Norm und die deutsche Übersetzung sind in Arbeit.
Die Fassung von 2012 oder die Vorgängernorm IEC 62079 ist in zahlreiche nationale Normenwerke eingegangen: als europäische Norm genauso wie als Norm in Japan, China und Russland. Es ist zu erwarten, dass auch die zweite Edition weltweit Beachtung findet.
Die Norm beschreibt, wann Anleitungen anforderungsgerecht sind und wie solche Anleitungen zustande kommen. Wenn eine Anleitung nicht anforderungsgerecht ist, kann die Missachtung der Anleitung als vorhersehbare Verwendung angesehen werden. Damit hat die Norm auch eine produktsicherheitsrechtliche und eine produkthaftungsrechtliche Bedeutung [3].

Inf. 01 Quelle Roland Schmeling

Prägnante Texte und Bilder

Zu den Möglichkeiten, prägnante Formulierungen zu erzielen, gehören beispielsweise das Weglassen von Füllwörtern und optimierte Formulierungsmuster. Nicht selten lassen sich mehr als 20 Prozent eines Textes durch prägnante Formulierung kürzen. Dies erfordert Übung und – vor allem – klare Regeln. Mehr darüber haben wir im Artikel „Anleitungen richtig kürzen“ dargestellt. Er ist in Ausgabe 04/16 der ‚technischen kommunikation‘ erschienen [1]. Prägnanz macht aber auch nicht vor Bildern und Videos halt: Bilder mit überflüssigen Details sind genauso wenig prägnant wie Instruktionsvideos mit unnötig langen werblichen Intros.

Minimalismus contra Vollständigkeit

Bevor jedoch – typischerweise im Rahmen einer Standardisierung – über prägnante Darstellungsformen entschieden wird, muss eine Technische Redaktion über die Relevanz der Informationen entscheiden: Welche Inhalte müssen gegeben werden, damit die Nutzungsinformationen vollständig sind? Und welche Informationen sind überflüssig? Aus den Fragen lässt sich leicht erkennen, dass Minimalismus eng mit dem Prinzip der Vollständigkeit zusammenhängt.

Minimalismus bedeutet nach Edition 2 der IEC/IEEE 82079-1, dass neben sicherheitsbezogenen Informationen nur noch die für die Vollständigkeit erforderlichen Informationen gegeben werden. Das hört sich doch simpel und logisch an. Ein Blick in Anleitungen zeigt aber, dass diese Forderung längst nicht immer erfüllt ist. Wie lässt sich also klar feststellen, welche Informationen genügen, damit die anleitenden Informationen komplett sind?

Die Vollständigkeit von Nutzungsinformationen hängt von folgenden Faktoren ab (Abschnitt 5.3.2 der Norm):

  • Zielgruppenorientierung – erfordert eine Zielgruppen- und Tätigkeitsanalyse, um den Informationsbedarf zu ermitteln.
  • Rechtliche und vertragliche Anforderungen – erfordert Normenrecherche und Anforderungsmanagement.
  • Risiken – baut auf der Risikobeurteilung auf.

Orientierung an der Zielgruppe

Indirekt liefert die Norm das wichtigste Kriterium für Vollständigkeit und Minimalismus, das zugleich ein weiteres führendes Prinzip ist: die Zielgruppenorientierung. Im Abschnitt 5.2.3 steht: „Information for use shall be usable and relevant for the target audiences with respect to their expected tasks and goals.“ (hervorhebung durch den autor) Weder Minimalismus noch Vollständigkeit lassen sich klar regeln ohne möglichst präzise Kenntnisse über die Zielgruppen.

Für die geforderte Zielgruppenorientierung ist eine Zielgruppenanalyse erforderlich. Genau genommen verlangt die Norm eine Marktanalyse oder alternativ eine Zielgruppenanalyse. Dahinter steckt der – unausgesprochene – Unterschied zwischen Verbraucherprodukten einerseits, bei denen die Verbrauchergruppen in einem Markt wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung von Informationen haben, und Investitionsgütern andererseits, bei denen vorrangig verschiedene Rollen und Kompetenzen zu unterscheiden sind, beispielsweise unterwiesener Bediener und ausgebildetes Wartungspersonal.

Für die Zielgruppenanalyse gibt Edition 2 der Norm erstmals konkrete Hilfestellung: Mindestens müssen die Eigenschaften („characteristics“), Aufgaben („tasks“) und Bedarfe („needs“) der Zielgruppen ermittelt und berücksichtigt werden. Zu den Eigenschaften, die für jede Zielgruppe erhoben werden sollten, gehören:

  • Kenntnisse und Erfahrungen zu den relevanten Fachgebieten (zum Beispiel Mechanik, Software)
  • Sprache, die verstanden wird
  • vorhersehbare Tätigkeiten
  • Arbeitsumgebung (physikalisch, technisch, Arbeit im Team oder allein)
  • verfügbare Werkzeuge
  • verfügbare Informationsquellen wie Zugriffsmöglichkeiten auf elektronische Inhalte oder Verfügbarkeit gedruckter Information

Dabei erwähnt die Norm ausdrücklich, dass Zielgruppen heterogen sein können und daher eine gewisse Bandbreite von Eigenschaften aufweisen. Die Zielgruppenanalyse muss diesem Umstand gerecht werden. Die Struktur in Tabelle 01 kann helfen, Informationen zu einer Zielgruppe systematisch darzustellen.

Quelle Roland Schmeling

Eine seltene Spezies

Vorab eine Begriffsklärung: Eine Zielgruppenanalyse darf nicht mit der Definition von Mindestanforderungen an Zielgruppen in einer Anleitung verwechselt werden. Die Zielgruppenanalyse ist eine interne Aufgabe und kein Inhalt in Anleitungen. Die Zusammenhänge stellt Abbildung 01 dar.

Quelle Roland Schmeling

Abb. 01 Zusammenhang zwischen der Zielgruppenanalyse und den "Mindestanforderungen an Produktnutzende" oder die "Personalqualifikation" in einer Anleitung. Quelle Roland Schmeling

Als Referent in Schulungen und auf Vorträgen frage ich gerne, in welchen Technischen Redaktionen eine Zielgruppenanalyse vorliegt mit einer Mindest-Aussagekraft, so dass sich die Ergebnisse der Analyse auf konkrete redaktionelle und konzeptionelle Entscheidungen auswirken. Die Bilanz ist regelmäßig ernüchternd: Nur wenige Unternehmen verfügen über eine derartige Zielgruppenanalyse. Auf die Frage nach den Gründen werden häufig Zeitaufwand, fehlende methodische Kenntnisse und Zweifel am Nutzen genannt. Darum soll hier auf diese Einwände kurz eingegangen werden.

Zeitaufwand: Es liegt in der Natur von Analysen und Recherchen, dass man sie beliebig aufwändig betreiben kann. Im ersten Schritt sollten jedoch zunächst die leicht verfügbaren Informationen zu den Zielgruppen erhoben und systematisiert werden. Diese Zielgruppenerhebung kann zum Beispiel in einem Workshop geschehen, gemeinsam mit Wissensträgern aus Service, Training, Hotline, Vertrieb – auch aus Landesniederlassungen. Dazu gehört auch eine sachgerechte Vor- und Nachbereitung des Workshops. Der erste Schritt ist also häufig schon mit überschaubarem Aufwand getan und ist daher kein stichhaltiges Argument, eine Zielgruppenanalyse nicht in Angriff zu nehmen.

Methode: Ein Set an Methoden rund um die Zielgruppenanalyse hat sich entwickelt, die im Einzelfall abgewogen werden müssen.

  • Beispiel 1 – wenn mehrere Zielgruppen arbeitsteilig mit dem Produkt arbeiten, ist eine Task-User-Matrix (auch „Was-macht-wer-Matrix“ genannt) ein wichtiger Baustein für die Konzeption der Gebrauchsinformationen. Bei Verbraucherprodukten hilft diese Matrix jedoch bestenfalls zur Abgrenzung der Tätigkeiten zwischen Verbraucher und Herstellerservice.
  • Beispiel 2 – ausgearbeitete Nutzerprofile nach der Persona-Methode können als zusätzliche Aufbereitung einer Zielgruppenanalyse nützlich sein. Sie ersetzen aber nicht die Basisarbeit einer Zielgruppenanalyse, sondern setzen diese voraus.
  • Beispiel 3 – eine empirische Fundierung mit entsprechenden Marktrecherchen, zum Beispiel über den Stand der Ausbildung von Elektrikern in Texas oder zu Unfällen mit Verbrühungen an Kaffeevollautomaten, ist sicher nicht von der Hand zu weisen. Sie ergänzt das Methoden-Set, sollte aber im Einzelfall sorgfältig vor dem Kosten-Nutzen- Hintergrund abgewogen werden. Insoweit gibt es hier nur wenig „Richtig“ und „Falsch“.

Einschlägig ausgebildete Technische Redakteurinnen und Redakteure sollten mit den Methoden vertraut sein. Unterstützung bieten auch Seminare und Fachbücher und mit Fokus auf der Entscheidung des Informationsmediums die tekom-Richtlinie „eDok“. Anforderungen finden sich in Edition 2 der IEEE/IEC 82079-1 und ausführlicher in der ISO IEC IEEE 26514. Die Methoden zum Einstieg sind allerdings nicht allzu kompliziert. Um es mit Erich Kästner zu sagen: „Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es.“

Nutzen: Selbstverständlich können Analyseergebnisse, die nicht aktiv eingesetzt werden, kaum Nutzen bringen. Zielgruppenanalysen müssen darum Teil der redaktionellen Praxis sein. Doch bereits die klare, diskutierte und dokumentierte Zielgruppenerhebung, die aus einem Workshop als erster Schritt entstehen kann, hat oft spürbare Wirkung auf die leitenden Vorstellungen und Zielgruppenbilder einer Redaktion. Sie führt zu weniger überflüssigen Inhalten und mehr Konsistenz, Sicherheit und Wiederverwendung. Sowohl eigene Erfahrungen als auch Berichte aus Technischen Redaktionen belegen den hohen Nutzen.

Zweifellos arbeitet eine Redaktion ohne Zielgruppenanalyse nicht konform mit den anerkannten Anforderungen der IEC/IEEE 82079-1; aber die Normkonformität ist ein vergleichsweise schwaches Motiv. Die Motivation für eine sorgfältige Zielgruppenanalyse sollte aus der Überzeugung erwachsen, dass ein hoher Nutzen für das Unternehmen entsteht.

Forderungen aus Recht und Vertrag

Kommen wir zum zweiten Punkt, der nach IEC/IEEE 82079-1 die Vollständigkeit beeinflusst: die rechtlichen und vertraglichen Anforderungen. Diese sind nicht selten abstrakt formuliert, so dass die erforderliche Interpretation der Anforderungen oft nur mit Rückgriff auf Zielgruppen und deren Informationsbedarfe möglich ist. So fordert beispielsweise die Maschinenrichtlinie eine „Beschreibung der Maschine“; Inhalte und Detaillierungsgrade lässt die Maschinenrichtlinie offen. Der Grad an benötigten Informationen wird erst klar, wenn der Nutzen der Beschreibung für das grundlegende Verständnis (mentales Modell) und Diagnose definiert ist.

Die meisten gesetzlichen Anforderungen an Nutzungsinformationen sind nach entsprechender Interpretation und vernünftigem Ermessen auch aus Nutzersicht sinnvoll und erforderlich. Einzelne Rechtsvorschriften und vertragliche Anforderungen können jedoch auch Informationen fordern, die aus Nutzersicht überflüssig sind. Dazu ein Beispiel: Ein Hersteller möchte einen Akkuschrauber in Deutschland mit einem GS-Zeichen auf den Markt bringen. Das beauftragte Prüfhaus (Vertrag!) prüft daraufhin den Akkuschrauber inklusive Anleitung gemäß den zutreffenden Normen. Eine Norm verlangt, dass ein Hinweis in der Anleitung enthalten ist, dass das Elektrowerkzeug nicht am Kabel getragen werden darf. Dabei macht die Norm für mit Akku betriebene Elektrowerkzeuge keine Ausnahme. Der Hersteller darf das GS-Zeichen nur auf dem Elektrowerkzeug anbringen, wenn er den offensichtlich unnötigen und sogar verwirrenden Hinweis in die Anleitung des Akkuschraubers einfügt. (Dass das Akkuladegerät ein Kabel hat, ist nur ein schwacher Trost.)

Es kann sich langfristig lohnen, dazu eine Diskussion zu beginnen – mit dem Prüfhaus und nicht zuletzt mit dem Normungsgremium. In unserem Beispiel mit der DIN EN 62841-1 handelt es sich um das Komitee DKE/K 514 (www.dke.de) und basierend auf der IEC 62841-1 um das Komitee TC 116 der IEC (www.iec.ch). Denn Normung lebt von der Kommunikation.

Nutzen der Risikobeurteilung

Als dritter Punkt gehören zu einer vollständigen Anleitung alle von einer Risikobeurteilung geforderten Informationen und Hinweise. Risikobeurteilungen sind deutlich konkreter formuliert als gesetzliche Anforderungen, denn schließlich betrachten sie ein individuelles Produkt. Damit lassen sie der Technischen Redaktion in der Regel wenig Interpretationsspielraum. Was ist jedoch, wenn die Risikobeurteilung Warnhinweise fordert, die nach vernünftigem Ermessen überzogen und für eine Zielgruppe unnötig und überflüssig sind? Hier hilft nur die erneute Diskussion, und sollte es möglich sein, die Risikobeurteilung anzupassen, anstatt Anleitungen mit überflüssigen Warnungen zu füllen. Denn überflüssige Warnhinweise diskreditieren die wichtigen und erhöhen damit das Risiko, anstatt es zu senken. Am Ende müssen Risikobeurteilung und Produkt im Einklang stehen.

Was übrigens häufig übersehen wird: Eine Zielgruppenanalyse ist bereits ein Teil der Risikobeurteilung. So verlangt beispielsweise die ISO 12100 über Maschinensicherheit die Zielgruppenkenntnisse bei der Festlegung der Verwendungsgrenzen der Maschine.

Unnötige Warnungen

Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig warnen – so scheinen viele Unternehmen vorzugehen, wenn man sich Anleitungen anschaut. Doch dieser Schuss kann auch nach hinten losgehen.

  • Sicherheitsbezogene Informationen sind häufig übertrieben hervorgehoben. Usability-Tests beweisen, dass man sie gerade dadurch übersehen kann.
  • Sicherheitsbezogene Informationen werden zu häufig wiederholt. Der Eindruck ständiger Wiederholungen führt zu Missachtung von Gefahren­informationen. Hier helfen klare Gliederungen und didaktisch gut gestaltete Zusammenfassungen („Sicherheitskapitel“).
  • Die voraussetzbaren Kenntnisse von Zielgruppen werden bei der Entscheidung über Sicherheitsinformationen zu wenig berücksichtigt. Abhilfe schaffen hinreichend präzise Zielgruppen­analysen durch Risikobeurteilungen oder Gefahrenanalysen.

Das Thema haben wir ausführlich im Artikel „Warnen mit Augenmaß“ behandelt, erschienen in Ausgabe 01/18 der ‚technischen kommunikation‘, Seite 37 [2].

Überflüssige Inhalte

Nachdem wir nun wissen, was laut Edition 2 der IEC/IEEE 82079-1 Vollständigkeit bedeutet, wenden wir uns Inhalten zu, die durch jede kritische Prüfung fallen und überflüssig sind:

  • Kaufbestätigungen („Herzlichen Glückwunsch …“)
  • Werbliche Informationen; ein Verweis auf die Bestellmöglichkeiten für Ersatzteile und Zubehör ist jedoch in den meisten Fällen nützlich.
  • Beschreibungen von Teilen und Funktionen, die weder für ein grundlegendes Verständnis noch für nutzerseitige Diagnose erforderlich sind
  • Ausführliche Dokumentation aller Funktionen; dies kann Nutzer davon ablenken, die grundlegenden und kritischen Aufgaben und Funktionen zu verstehen. Informationen über zusätzliche Funktionen können auch „entdeckt“ werden. Beispiele: Verschiedene Möglichkeiten, eine Funktion in einer Software aufzurufen; Möglichkeit, einen geöffneten Deckel zu fixieren.
  • Hinweise auf Normen, die bei der Konstruktion berücksichtigt wurden. Diese Angabe ist außerhalb der Konformitätserklärung zumeist unnötig.
  • Überflüssige technische Daten; hier kann sich eine detaillierte Sichtung lohnen, wenn die Festlegung technischer Daten im Redaktions­prozess Aufwände und Verzögerungen mit sich bringt.
  • Bei Produkten für den gewerblichen Gebrauch: Hinweise auf rechtliche Vorschriften, an die sich Betreiber ohnehin halten müssen, zum Beispiel Arbeitsschutzgesetze. Diese Informationen fallen nicht unter die Instruktionspflicht.
  • Haftungsausschlüsse („Wir haften nicht für …“). Diese widersprechen oft den gesetzlichen Regelungen in Deutschland: ProdHaftG § 14.
  • Listen mit Handlungen „vorhersehbarer Fehlanwendung“; die vorhersehbare Verwendung muss in der Risikobeurteilung berücksichtigt werden. Die Anleitung muss normgerecht vor den Restrisiken warnen, einschließlich möglicher Folgen bei Nichtbeachtung. Dazu dienen unter anderem Sicherheits- und Warnhinweise. Aufzählungen von Fehlanwendungen sind keine anforderungsgerechte Instruktion.
  • Beschreibungen zum Aufbau von Produkten, die in einem Bild ohnehin zu sehen sind. Diese Beschreibungen sind oft an Verben wie „angebracht“, „befestigt“ oder „befindet sich“ zu erkennen.
  • Funktionsbeschreibungen mit verkappten Handlungen („Die Vorrichtung wird mit dem Start-Knopf gestartet.“). Diese Handlungen – zu erkennen am Verb – gehören ausschließlich in die anleitenden Teile der Anleitung.
  • Grundlegende Sicherheitsinformationen, die zu weit über die produktspezifischen Aspekte hinausgehen. Beispiel: Eine große Maschine erfordert eine Absturz­sicherung für Arbeiten in größerer Höhe; die korrekte Verwendung und Risiken bei der Verwendung der Absturzsicherung zählen zur Absturz­sicherung und nicht zur Anleitung der Maschine.

Die Liste ist sicherlich nicht vollständig. Aber sie zeigt, wie facettenreich Kürzungspotenziale häufig sind. Die Projekterfahrungen des Autors zeigen, dass die Kürzungspotenziale nahezu immer im zweistelligen Prozentbereich liegen, nicht selten weit über 30 Prozent.

Kürze durch Sammelanleitungen

Manche Hersteller möchten mit Sammel­anleitungen Kosten sparen, die für eine Mehrzahl verschiedener Produkte und Produktvarianten gültig sind. Die Konsequenz für Nutzerinnen und Nutzer sind jedoch überflüssige, weil nicht zutreffende Informationen. Die Akzeptanz von Sammelanleitungen sinkt mit den Möglichkeiten, zutreffende Informationen modularisiert zu verwalten und bedarfsorientiert zu publizieren, zum Beispiel mit Content-Delivery-Systemen oder mit Print-on-Demand.

Aber ist nicht die Sammelanleitung der Standard für Automobilhersteller? Autokäufer erhalten in der Regel eine Sammelanleitung für verschiedene Ausstattungen und Karosserieformen. Dabei wird gerne übersehen, dass der Rechtsrahmen für Automobilhersteller durch das Zulassungsrecht ein besonderer ist und dass sich auch hier die Welt weiter dreht. Daher bleibt festzustellen: Hersteller wären oft besser beraten, wenn sie sich mehr mit dem Kundennutzen beschäftigten, anstatt nur auf die Kosten zu schauen, die mit Informationen verbunden sind.

Verringern von Papier

Ein Anlass für Minimalismus und Prägnanz ist die Aussicht, gedruckte Anleitungsumfänge zu reduzieren. Dieser Wunsch ist stark abhängig von der Branche und steigt mit der Loszahl der Produkte. Diesem Aspekt auf den Grund zu gehen, sprengt den Rahmen dieses Artikels. Aufklärung und Ansatzpunkte zur Printreduktion liefert ebenfalls die tekom-Richtlinie eDok [4].

Links zum Beitrag

[1, 2] Die Beiträge sind zusätzlich hier abrufbar.

[3] IEC/IEEE 82079-1:2019-05; ISO/IEC/IEEE 82079-1: 2019-05 Erstellen von Gebrauchsanleitungen – Gliederung, Inhalt und Darstellung – Teil 1: Allgemeine Grundsätze und ausführliche Anforderungen, verfügbar auf Englisch und Französisch. Deutsche/ europäische Fassung in Arbeit.

[4] tekom Richtlinie: Bereitstellung von Nutzungsinforma­tionen in elektronischer Form – eDok. Stuttgart, 2016.

Überblick über alle Prinzipien als Tabelle (PDF)

Die IEC/IEEE 82079-1 gibt die Richtung vor.