Erfinder und Künstler

Text: Steffen-Peter Ballstaedt

Die Technische Kommunikation ist historisch in eine breite kulturelle Tradition eingebettet mit Bezügen zu Philosophie, Handwerk, Kunst und Wissenschaft. Heute: Leonardo da Vinci.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 02:35 Minuten

Seine technischen Erfindungen

Leonardo konnte auf einen breiten Bestand an technischem Wissen zurückgreifen, das sich in zahlreichen Skizzenbüchern von Ingenieuren und Künstlern der Renaissance findet. Aber in zweierlei Hinsicht war er seinen Zeitgenossen weit voraus: als genauer Beobachter und genialer Kombinierer mit großer Vorstellungskraft.

Er konnte die vorliegenden technischen Elemente zu unglaublich komplexen Maschinen und Geräten zusammenfügen. Seine Geräte zeichnen sich durch das Zusammenwirken von zahlreichen Bauteilen aus, er war ein genialer Kombinierer mit großer Vorstellungskraft und zeichnerischer Begabung. Er entwarf Flugmaschinen, Kriegsgeräte, Arbeitsmaschinen, hydraulische Vorrichtungen, Musikinstrumente und Bühnentechnik. Viele Einfälle wie eine Art Hubschrauber oder ein Tauchboot hat er sich als Erster ausgedacht, in seinen Aufzeichnungen skizziert und in Spiegelschrift kommentiert.

Dabei hat er viel der Natur abgeschaut. So gehen seine Flugmaschinen auf Beobachtungen an Fledermäusen und Vögeln zurück. Damit ist er Begründer der Bionik, die technische Probleme nach Vorbildern aus der Natur zu lösen versucht. Viele seiner Projekte wurden zu seinen Lebzeiten nicht realisiert, er selbst betonte, dass er die Idee mehr liebe als die Ausführung. Manche Erfindungen scheiterten auch. So notiert er, dass sich sein Assistent bei einem Flugversuch ein Bein und einige Rippen brach. Schauen wir uns ein konkretes Beispiel seiner Erfindungslust an, den carro semovente [3].

Ein Fahrzeug mit Federantrieb

Als Folio 812r in der Handschriftensammlung des Codex-Atlanticus findet sich eine Zeichnung ohne jede Beschriftung oder Anmerkung (Abb. 01). Man erkennt Trommeln, Springfedern, Zahnräder, Nocken, also ein Getriebe, das offenbar einen dreirädrigen Wagen in Bewegung setzen sollte. Später brüsteten sich die Italiener damit, dass Leonardo das erste Automobil konstruiert habe. Mussolini ließ es rekonstruieren, aber keine der Nachbauten war fahrtüchtig.

Quelle Wikimedia Commons

Abb. 01 Da Vincis Skizze eines selbstbewegenden Karrens, Jahr 1478.  Quelle Wikimedia Commons.

Inzwischen wissen wir, dass die rein visuellen Darstellungen falsch interpretiert wurden. Erst eine Zusammenarbeit von Kunsthistorikern, Computergrafikern und Roboterexperten lüftete das Geheimnis: Es wurde noch einmal rekonstruiert und diesmal fuhr der Wagen.

Das „Auto“ wird durch zwei Spannfedern angetrieben, vergleichbar den Spielzeugautos, die man zuerst auf dem Boden zurückzieht, damit die Feder spannt, und dann loslässt, um sie ein paar Meter davonflitzen zu lassen. Der Federantrieb war neuartig und Leonardo hat ihn mit zwei zusätzlichen Mechanismen ausgestattet. Die durch die Federn gespeicherte Energie wird über Zahnräder auf die beiden Räder übertragen. Eine Vorrichtung sorgt dafür, dass bei gespannten Federn der Wagen nicht einfach losfährt, sondern über ein Seil ferngesteuert gestartet werden kann. Das Getriebe ist so konstruiert, dass ein ruckartiger Start und danach eine starke Verlangsamung vermieden werden. Ein Mechanismus sorgt für eine gleichförmige Freisetzung der Energie und ein gleichmäßiges Fahrtempo.

Technik zum Vergnügen

Vermutlich war das Gerät als Gag für eine Bühnenaufführung oder eine öffentliche Festivität gedacht. Die Menschen der Renaissance liebten automatische Vorrichtungen und überraschende Effekte. So entwarf der 63-jährige Leonardo im Auftrag der Medici für den Einzug des französischen Königs Franz I. in Lyon 1515 einen mechanischen Löwen. Der Löwe lief auf den König zu, öffnete die Brust und warf einen Strauß Lilien aus, das florale Symbol der französischen Könige. 

Zum Weiterlesen

[1] Grothe, Hermann (2003): Leonardo da Vinci als Ingenieur und Philosoph. Ein Beitrag zur Geschichte der induktiven Wissenschaften. Berlin: Nicolaische Verlags-Buchhandlung, 1874. Reprint.

[2] Roeck, Bernd (2019): Leonardo: Der Mann, der alles wissen wollte. C.H. Beck.

[3] Taddei, Mario; Zanon, Edoardo (2018): Leonardos Maschinen. In der Werkstatt des genialen Erfinders. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

Zum Schluss