Die elektrische Kochweise

Text: Steffen-Peter Ballstaedt

Die Technische Kommunikation ist historisch in eine breite kulturelle Tradition eingebettet mit Bezügen zu Philosophie, Handwerk, Kunst und Wissenschaft. Heute: Einführung des Elektroherds.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 02:39 Minuten

Die Entwicklung eines Produkts bedeutet nicht automatisch auch Verbreitung und Akzeptanz. Oft muss erheblich nachgeholfen werden, bis sich ein Produkt durchsetzt. Ein gut dokumentiertes Beispiel ist der Elektroherd.

Eine Innovation für die Küche

Der Elektroherd wurde in den 1850er Jahren erfunden. Das erste Modell stand 1893 auf der Weltausstellung in Chicago, aber er war noch ein teures Luxusgut und die meisten Haushalte waren noch gar nicht an die Stromversorgung angeschlossen. Zudem konnte man ihn anfangs nur ein- und ausschalten. Es gab keine Temperaturregelung wie beim Gasherd, der etwa zur gleichen Zeit entwickelt wurde. 1931 produziert in Deutschland die Firma NEFF die ersten Elektroherde, sie sollten die bisherigen Kohle- und Gasherde ablösen. Aber es herrschte damals ein gewisses Unbehagen vor der neuen Technik: Beim Kohleherd wurde noch ein Feuer geschürt, beim Gasherd sah man die Flämmchen größer und kleiner werden, beim Elektroherd ist Strom eine abstrakte Energiequelle. Das war vielen Frauen in der Küche nicht geheuer.

Emanzipation am Herd

Hildegard Margis kennt man vielleicht als Frauenrechtlerin und Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus, aber nicht als eine energische Verfechterin einer elektrifizierten Küche [1]. Sie gibt eine Zeitschrift für Verbraucherinformationen heraus, gründet den „Hauswirtschaftlichen Einkaufs-, Beratungs- und Auskunftsdienst“ (Heibaudi) und startet 1928 mit einem Verlag für Hauswirtschaft. Unermüdlich trommelt sie in Aufsätzen, Radiobeiträgen und Büchern für den Elektroherd. Margis sah im elektrischen Kochen einen Schritt zur Emanzipation der Frau.

Sie kritisiert scharf die niedrige Bewertung der Hausarbeit, von deren Sklaverei die moderne Technik die Frau durch Arbeitserleichterung, Zeitersparnis und gesündere Lebensweise ohne Ruß und Qualm wenigstens teilweise befreien kann. In einem Buch von 1931 „Zeitgemäßes Kochen. Eine Anleitung für die elektrische Kochweise“ schreibt sie im Vorwort: „Unser Zeitalter der Technik verlangt gebieterisch von jedem einzelnen, daß er sich seine Errungenschaften (...) zunutze macht, um nicht überrannt zu werden von den Ereignissen und nicht beherrscht zu werden da, wo er eigentlich herrschen sollte.“ Im selben Jahr veröffentlicht Hildegard Margis einen Aufsatz „Zur Psychologie der Technik im Haushalt“ in einem Sammelband mit dem blumigen Titel „Die Kultur der Frau. Eine Lebenssymphonie der Frau des XX. Jahrhunderts“. Dort propagiert sie die „geistige Durchdringung des Haushaltsbetriebs“, damit meint sie eine rationelle Hauswirtschaft, zu der auch die Beherrschung moderner Geräte gehört, und das trotz der „unpädagogischen Gebrauchsanweisungen“.

Illustration zeigt Elektroherd und Hausfrau.

Abb. 01 Hier stimmt die Akzeptanz: aus der NEFF-Bedienungsanleitung Arcus-Super, 1955/57. Quelle Mit freundlicher Genehmigung der Firma NEFF.

Akzeptanz und Durchbruch

In den 1950er Jahren setzt sich der elektrische Herd in Deutschland durch, er gehört zum wirtschaftlichen Aufschwung und zu einem modernen Lebensstil (Abb. 01). Catherine Badras hat in einer Studie herausgefunden, dass man in den damaligen Bedienungsanleitungen den Frauen noch immer Scheu und Angst vor der Elektrizität nehmen musste, mögliche Gefahren werden nicht angesprochen. Bis 1968 gab es keine Produzentenhaftung, Unfälle mit Geräten gehörten zum allgemeinen Lebensrisiko [2]. Die technischen Vorteile elektrischen Kochens werden in sehr persönlich formulierten Texten mit direkter Ansprache hervorgehoben. In den Abbildungen der Bedienungsanleitungen lesen elegant gekleidete Frauen ihren Kindern vor oder flanieren in der Stadt, während die Herde in der Küche ihre Arbeit verrichten [3]. In den nächsten Jahren werden Millionen von Elektroherden gekauft. 

Literatur zum Beitrag

[1] von Braun, Christina (2007): Stille Post. Eine andere Familiengeschichte. Berlin: Ullstein.

[2] Badras, Catherine (1997): Frauen und die Technik des elektrischen Kochens. In: Joachim Kallinich/Clemens Schwender (Hrsg.): Erst lesen – dann einschalten. Zur Geschichte der Gebrauchsanleitung. Berlin: Museum für Post und Kommunikation, S. 26–30.

[3] Badras, Catherine (2005): Bedienungsanleitungen im Wandel. Eine explorative Studie über vier Jahrzehnte am Beispiel von Bedienungsanleitungen elektrischer Herde der Firma NEFF. Münster: LIT Verlag.

Illustration für die Einführung des Elektroherds.