Die Kleinen im Wortarten-Zoo

Text: Markus Nickl

Manche Wörter sind unveränderlich, meist sind es kleinere. Im Gegensatz zu Wörtern, die sich flektieren lassen und die Thema in der letzten Ausgabe unserer Zeitschrift waren. Werfen wir nun einen Blick auf die unflektierten Wörter.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 06:43 Minuten

Bei unserer Klassifikation haben wir bisher Wörter ausgeblendet, die ihre Form nicht verändern und zum Beispiel keine Endungen haben. Um das Problem dieser Wörter zu verstehen, ist es sinnvoll, sich die Funktion der Flexion zu verdeutlichen. Flexion verändert die Bedeutung von Wörtern, reichert sie mit zusätzlichen semantischen Aspekten an. Meist sind das grundlegende Bedeutungsaspekte wie Anzahl (Numerus), zeitliche Situierung (Tempus) oder Vergleiche (Komparation). Wir werden uns in einer späteren Ausgabe die Flexion der verschiedenen Wortarten noch genauer ansehen. Im Moment reicht uns die Feststellung, dass die flektierenden Wörter mit Bedeutung angereichert sind und sich deshalb die Aufmerksamkeit der Leser bzw. Hörer darauf richtet.

Was ist die Funktion der restlichen Wörter? Im Wesentlichen geht es bei den unflektierenden bzw. nicht-flektierenden Wortarten darum, Bedeutungsmodifikationen herzustellen und grammatische Funktionen für den Satz zu erfüllen. Solche grammatische Funktionen können etwa die Verknüpfung von Wörtern und Wortgruppen sein (zum Beispiel „und“, „aber“) oder die Realisierung von Beziehungen zwischen Wörtern und Satzteilen (zum Beispiel „für“, „in“, „unter“).

Die Bedeutungen, die durch die nicht-flektierenden Wörter in einen Satz oder eine Wortgruppe eingebracht werden, sind meist ebenfalls grundlegende Kategorien von Raum und Zeit oder logische Relationen. In dieser Beziehung ähneln sich also die Funktion (mancher) nicht-flektierender Wörter und der Flexion.

Was folgt nun aus diesen Funktionen der nicht-flektierenden Wörter für die Wortartenbestimmung? Nun, zum einen erklärt sich daraus, warum wir diese Wortarten weniger bewusst wahrnehmen. Sie stellen in gewissem Sinn ein Gerüst des Satzes bereit, steuern und organisieren im Hintergrund dessen Struktur. Sie sind sozusagen das Normale im Satzgeschehen, das man – gerade weil es allgegenwärtig ist – oft gar nicht weiter beachtet oder gar problematisiert.

Zum anderen deuten die Funktionen darauf hin, dass reine Formkriterien für die Wortartenklassifikation unseres Restbestands an Wörtern nicht ausreichen werden. Zwar sind Bedeutungen als Grundlage vergleichsweise schwer handhabbar. Für eine umfassende Wortartenklassifikation der nicht-flektierenden Wörter wird sich das aber nicht ganz umgehen lassen, auch wenn syntaktische und strukturelle Kriterien für die Klassifikation Vorrang haben sollten. Wenden wir uns deshalb zunächst den Wörtern zu, die Funktionen realisieren und verwenden sie als erste Abfragen für unseren Entscheidungsbaum [1].

Beziehungsstiftende Wörter

Erinnern wir uns daran, wie Sätze im Deutschen gebildet werden. Wir haben verschiedene Teile identifiziert, die sich frei verschieben lassen, etwa an die erste Position im Aussagesatz. Solche Teile bezeichnen wir als Satzglieder. Die Frage, ob ein Wort als Satzglied funktionieren kann, ist durch strukturelle Tests lösbar. Sie bietet ein gutes erstes Kriterium für die Klassifikation der nicht-flektierenden Wörter. Aber gibt es überhaupt Wörter, die keine Satzglieder sein können? Durchaus: Eine solche Wortart haben wir auch schon bei den flektierenden Wörtern kennen gelernt, nämlich den Artikel. Er dient als Begleiter des Nomens, kann nicht alleine stehen und hat somit auch keinen Status als Satzglied.

Bei den nicht-flektierenden Wörtern fallen zwei Klassen auf, die keinen Satzgliedstatus haben können. Beide dienen dazu, grammatische Beziehungen herzustellen. Da sind zum einen die Konjunktionen, die Wörter, Wortgruppen und Sätze miteinander verbinden (Tab. 01). Sie sorgen somit für den Zusammenhang im Satz. Konjunktionen verknüpfen dabei nicht nur Gleichwertiges. Eine Untergruppe der Konjunktionen, die Subjunktionen, verbindet Hauptsätze mit untergeordneten Nebensätzen.

Die Konjunktionen im Wortarten-Zoo.

Tab. 01 Quelle Markus Nickl

Die zweite Gruppe der Wortarten aus diesem Zweig unseres Entscheidungsbaums bilden die Präpositionen. Hier steckt der fehlende Satzgliedstatus schon im Namen: Sie sind prä-positioniert, also einem folgenden Substantiv vorangestellt. Präpositionen erkennt man daran, dass sie nur zusammen mit Substantiven in einem bestimmten Kasus vorkommen. In der Grammatik spricht man davon, dass sie einen Kasus fordern (Tab. 02). Normalerweise fordert eine Präposition nur einen bestimmten Kasus (Genitiv, Dativ, Akkusativ). Eine kleine, aber sehr häufig vorkommende Gruppe von Präpositionen kommt allerdings sowohl mit Dativ als auch mit Akkusativ vor.

Präpositionen sind einem Substantiv vorangestellt und fordern einen Kasus.

Tab. 02 Quelle Markus Nickl

Beweglich und unveränderlich

Soweit die beiden Wortarten, die keinen Satzgliedstatus haben. Welche Wortarten sind aber ohne Flexion und können als Satzglied (zur Erinnerung: Ergänzung, Angabe oder Attribut) verwendet werden? Je nach der Grammatik, die man hier konsultiert, fällt die Antwort unterschiedlich aus. Als wichtigste Wortart wird hier meist das Adverb genannt.

Adverbien sind im Allgemeinen unveränderlich, haben keine Flexion. Dadurch lassen sie sich gut von Adjektiven unterscheiden. Zwar gibt es einige wenige Adverbien, die eine Steigerungsform besitzen, zum Beispiel „gern“, „lieber“, „am liebsten“; „oft“, „öfter“, „am öftesten“. Im Gegensatz zu Adjektiven haben aber auch diese Adverbien keine Flexionsform, um zum Beispiel das Genus zu markieren. Vergleichen Sie diese beiden Fälle

  • Adjektiv: Wechseln Sie häufig die Mährichtung.
  • Adverb: Wechseln Sie oft die Mährichtung.
  • Adjektiv: Wechseln Sie häufiger die Mährichtung.
  • Adverb: Wechseln Sie öfter die Mährichtung.
  • Adjektiv: Die häufigen Richtungswechsel …
  • Adverb: Die *often Richtungswechsel …

Obwohl „oft“ eine Steigerungsform („öfter“) bilden kann, ist es eindeutig ein Adverb. Denn anders als ein Adjektiv kann es nicht dazu verwendet werden, das Substantiv zu ergänzen, also als (flektierendes) Attribut zu dienen.

Manche Grammatiken sehen neben den Adverbien eine weitere Wortart vor, die nicht flektierend und satzgliedfähig ist. Dies sind Wörter wie zum Beispiel vermutlich oder wahrscheinlich. Sie ähneln den Adverbien, modifizieren aber die gesamte Satzaussage. Andere Grammatiken fassen diese Wörter ebenfalls unter den Adverbien zusammen und bezeichnen sie als Modaladverbien. Für die Zwecke der Technischen Redaktion scheint mir eine Unterscheidung zwischen Adverb und Modalwort nicht notwendig zu sein. Ich würde deshalb sämtliche satzgliedfähigen, nichtflektierenden Wörter als Adverb bezeichnen.

Die versteckten Wortarten

Somit hätten wir sämtliche Wörter klassifiziert, die uns im Deutschen zur Verfügung stehen. Tatsächlich gibt es aber noch zwei kleine Gruppen von Wörtern, die durch das Raster fallen. Sie können nicht als Satzglied verwendet werden, realisieren aber auch keine grammatischen Beziehungen.

Zum einen sind das Wörter, die zur Abtönung und Graduierung von Aussagen genutzt werden. Sie werden meist als Partikel bezeichnet. Beispiele sind hier Wörter wie „ausgerechnet“, „doch“ oder „etwa“. Sie ähneln den Adverbien, können aber nicht als eigenes Satzglied stehen:

  • Adverb:
  • Das Gerät ist vermutlich undicht.
  • Vermutlich ist das Gerät undicht.
  • Partikel:
  • Das Gerät ist doch undicht.
  • *Doch ist das Gerät undicht.

Partikel sind tendenziell eher in der Umgangssprache verbreitet. In der Technischen Dokumentation sind sie dagegen selten zu finden. Manche Redaktionsrichtlinien verbieten auch explizit den Gebrauch von Abtönungspartikeln.

Auch die letzte Wortart ist in der Technischen Dokumentation nicht verbreitet. Sie soll hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden. Es handelt sich dabei um Interjektionen. Sie stehen meist als Äquivalent zu einem ganzen Satz und dementsprechend für sich alleine. Oft weichen sie auch in der Art der Aussprache vom Rest des deutschen Wortschatzes ab. Beispiele sind „iih“, „wow“ oder „psst“.

Wortarten in der deutschen Sprache

Damit können wir prinzipiell jedes Wort einer Wortart zuweisen und kommen auf einen überschaubaren Bestand von insgesamt zehn Wortarten – dargestellt in Tabelle 03. Diese lassen sich durch Entscheidungsfragen eindeutig identifizieren.

Abbildung 01 stellt den Entscheidungsbaum noch einmal grafisch dar. Ich denke, ein solcher Entscheidungsbaum vereinfacht die Bestimmung von Wortarten ganz deutlich. Oft fällt es ja schwer, die Wortart eines Wortes zu bestimmen. Klare Kriterien erleichtern diese Aufgabe. Für das vorgestellte Modell habe ich mich übrigens an meine alte Grammatik aus Studienzeiten angelehnt, die mir für diese Aufgabe immer wertvolle Dienste geleistet hat [2].

Flektieren und nicht flektierend als Hauptkriterien des Entscheidungsbaums.

Abb. 01 Mit diesen Kriterien lässt sich erkennen, welche Wortart vorliegt. Quelle Markus Nickl.

Natürlich lassen sich die einzelnen Wortarten noch unterklassifizieren. Bei den Konjunktionen haben wir mit der Subjunktion bereits eine solche Unterklassifikation kennengelernt. Und vielen dürfte aus der Schule auch noch die Unterteilung der Pronomen vertraut sein etwa in Personal-, Possessiv- oder auch Demonstrativpronomen.

Komplizierter wird die Situation bei der Wortartbestimmung auch dadurch, dass es durchaus Wörter gibt, die mehreren Wortarten angehören oder spontan im Satzzusammenhang einer anderen Wortart zugewiesen werden können. Diese Fälle sehen wir uns in der nächsten Ausgabe an. Wichtig ist aber vorab, dass wir mit dem hier vorgestellten Entscheidungsbaum ein System haben, mit dem wir konkrete Wörter in konkreten Zusammenhängen klassifizieren können.

Was hilft das?

Häufig stellen sich im redaktionellen Alltag kaum Probleme mit Wortarten. Und gerade die nicht-flektierenden Wortarten haben wir als Muttersprachler meist intuitiv ganz gut im Griff. In der Fremdsprache sieht das dagegen ganz anders aus: Präpositionen und ihre Verwendung wurden zum Beispiel von deutschen Muttersprachlern in der Umfrage zu einem tekom-Leitfaden als eines der häufigsten Probleme im Englischen genannt [3]. Und da hilft es dann doch sowohl beim Sprachlernen als auch beim Anwenden und im Lektorat, wenn man eine klare Vorstellung davon hat, was eine Präposition ist und wozu sie verwendet wird.

Literatur zum Beitrag

[1] Nickl, Markus (2020): Ein kleiner Zoo von Wortarten. In: technische kommunikation, H. 1, S. 40–42.

[2] Van der Elst, Gaston [1990]: Syntaktische Analyse. Palm und Enke, Erlangen.

[3] Johnson Coenen, Kristina (2017): Englisch praktisch geregelt. In: technische kommunikation, H. 6, S. 29–34.

Link zum Beitrag

Leitlinie „Englisch für deutschsprachige Autoren“ (2017): https://www.tekom.de/die-tekom/publikationen/fachbuecher/

Ein Zoo ist Symbol für Wörter und Wortarten.