Sind Sie heute schon „genudged“ worden? Haben Sie vielleicht einen Impulse erhalten, irgendwas zu tun, ohne dass Sie es direkt bemerkt haben? Wörtlich ist ein Nudge erstmal nichts anderes als so ein sanfter Anstoß¹. Dieser Artikel selbst ist hoffentlich auch ein Anstoß, um sich mit Nudging zu beschäftigen. Schließlich steht dahinter ein ganzes Konzept. Kurz gesagt, geht es darum, wie wir Menschen zu Entscheidungen kommen, und um die Möglichkeiten, gute Entscheidungen zu beeinflussen. Vorweg ein paar Beispiele, die Nudging besser verdeutlichen als viele Worte (Abb. 01)
¹ Definition (www.merriam-webster.com) nudge; nudged; nudging, transitive verb: to touch or push gentlyto seek the attention of by a push of the elbow to prod lightly urge into action
Vielleicht sind Sie heute mit dem Auto zur Arbeit gefahren und ein kleines Icon mit mehr oder weniger Blättern hat Sie motiviert, umweltschonender zu fahren (Abb. 01-1). Hat das nicht geholfen, haben Sie vielleicht vor den aufgemalten Speed bumps die Geschwindigkeit reduziert (Abb. 01-2). Endlich angekommen, haben Sie noch eine Zigarette geraucht und wurden von der Form der Raucherzone an die gesundheitlichen Konsequenzen erinnert (Abb. 01-3). Oder Sie haben eine Toilette aufgesucht. Konsequent zielen die Männer auf eine kleine Fliege, die im Urinal aufgemalt ist (Abb. 01-4).
Abb. 01 Alltagsbeispiele für Nudging. [1, 2]
Was haben diese Ereignisse gemeinsam? Sie können mit Ihrem Auto umweltschonend fahren, müssen es aber nicht. Auch können Sie über aufgemalte Speed bumps hinwegbrettern. Es sind nur kleine Schubser (Nudges), die unser Verhalten beeinflussen sollen.
Die Mechanismen von Nudging sind nicht neu. Im antiken Rom sollten Brot und Spiele das Volk ruhig stimmen und fügsam machen. Wenig subtil lief 1938 die Volksabstimmung zur Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich ab. Der Stimmzettel hatte einen großen Kreis mit einem großen hervorgehobenen Ja, die Nein-Stimme war demgegenüber deutlich kleiner und damit unbedeutender (Abb. 02).
Abb. 02 Abstimmungszettel zur Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich. [3]
2008 haben der Wirtschaftswissenschaftler Richard Thaler und der Rechtswissenschaftler Cass Sunstein im Buch „Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt“ Nudging unterhaltsam und informativ aufbereitet. [4] Demnach ist ein Nudge ein sanftes Lenken individueller Entscheidungen. Dazu haben die Autoren Eigenschaften eines Nudges zusammengestellt, die Tabelle 01 zeigt.
Tab. 01 Quelle Marco Jänicke; Richard Thaler und Cass Sunstein [4]
Alle anderen Handlungsanstöße gelten als Manipulation und werden in der Fachliteratur Sludges, Evil nudges oder auch Dark patterns genannt. Die Werbeindustrie kennt solche Manipulationen sehr gut. Basis für jegliche Art von Handlungsanstößen ist die Verhaltensökonomie, die auf Biases und Heuristiken beruht. Biases sind Urteilsverzerrungen und Heuristiken sind Annahmen. Thaler und Sunstein knacken für uns einige dieser Mechanismen der Verhaltensökonomie in ihrem Buch.
Die Autoren Christoph Harff und Christopher McLachlan bringen es in ihrem Buch „Corporate Nudging: Verhaltensmuster in Organisationen durch intelligente Anstupser verändern“ auf 74 Biases und Heuristiken, die fein säuberlich in Tabellenform aufgelistet, erläutert und Nudging-Strategien zugeordnet sind. [5] Und es wird die Leserinnen und Leser kaum wundern, dass im Web viele weitere Quellen vorhanden sind, die uns zeigen, wie wir Menschen zu Entscheidungen kommen. [6, 7] Schon vier Beispiele reichen, um solche Biases und Heuristiken zu illustrieren:
Ankereffekt: Wenn Sie mit Ihrem Kunden ein gutes Lokal besuchen und die Weinkarte mit einem Spitzenpreis von 280 Euro in der Hand nehmen, dann erscheint die Flasche für 60 Euro eine ganz vernünftige Wahl zu sein.
Selbstüberschätzung: Einen Warnhinweis nicht zu beachten, weil man sich für einen Profi hält; Umfragen zeigen solche Einschätzungen. 90 Prozent der Autorfahrer geben an, sie seien überdurchschnittlich gute Autofahrer. Überdurchschnittlich können aber maximal 50 Prozent sein.
Auffälligkeitsverzerrung: Hervorgehobene Optionen werden bevorzugt, etwa das Banner, mit dem Nutzerin und Nutzer alle Cookies eines Internetbetreibers akzeptieren.
Bestätigungsfehler: Es werden Optionen gewählt, die eine Person selbst bestätigen und ihren (verzerrten) Erfahrungen entsprechen. Das kann zum Beispiel bei Messeständen passieren.
Nicht immer rational gesteuert
Die Verhaltensökonomie versucht, reales menschliches Verhalten auf Grundlage von Biases und Heuristiken in Entscheidungssituationen zu erklären und für eine Entscheidungsarchitektur zu nutzen. Thaler und Sunstein unterscheiden dazu den Homo oeconomicus und den Homo sapiens. Der Homo oeconomicus ist absolut rational. Er entscheidet auf Basis aller zur Verfügung stehenden Informationen. Reichen diese nicht aus, arbeitet er mit Wahrscheinlichkeiten. Sicherlich kennen Sie die Sätze von Mr. Spock aus der Serie Raumschiff Enterprise: „ … mit einer Wahrscheinlichkeit von 76 Prozent werden wir bei der Rettung des Außenteams alle sterben.“ Auf der anderen Seite der Homo sapiens, der Urteilsverzerrungen und Annahmen unterliegt, den besagten Biases und Heuristiken. Wir Menschen handeln nicht rational, vielleicht auf einzelnen Gebieten. Aber in allen? Wir sind bei weitem nicht so rational, wie wir es von uns selbst glauben. Wir denken, wir sind Herr im Haus – sind es aber nicht. Bereits schon dieser Gedanke ist eine Verzerrung unseres Urteilsvermögens.
Diese beiden Typen stehen für zwei unterschiedliche Systeme der kognitiven Verarbeitung: das automatische System und das reflektierende System (Abb. 03). Das automatische System arbeitet schnell und instinktiv … wir ducken uns, wenn unerwartet ein Ball auf uns zufliegt. Das reflektierende System setzen wir ein, um uns zum Beispiel für eine Strukturierungsmethode in unserem neuen Redaktionssystem zu entscheiden. Den weitaus größeren Teil aller Entscheidungen treffen wir Menschen mit unserem automatischen System. Hier kommt Nudging ins Spiel. Mit einem Nudge stupsen wir den Entscheider in eine für ihn vorteilhafte Richtung, ohne ihn seiner Entscheidungsfreiheit zu berauben.
Abb. 03 Systeme der kognitiven Verarbeitung.[4]
Strategien für Nudging
Um ungünstige Entscheidungen durch Urteilsverzerrungen und Annahmen zu vermeiden, gibt es typische Nudging-Strategien und Kombinationen daraus. Mit einem Nudge soll der einzelne die Alternative wählen, die er mit allen Informationen auch rational wählen würde, so wie es ein Homo oeconomicus machen würde:
- Defaults – Standards setzen; ein Klassiker ist die bereits angehakte Checkbox für doppelseitigen Druck.
- Vereinfachung – zum Beispiel Formulare nutzerfreundlich und simpel gestalten.
- Soziale Normen – nach dieser Strategie wurden in den USA Gasverbraucher über Nachbarn informiert, die weniger Gas als sie selbst verbrauchen, um so zur Sparsamkeit zu motivieren. Daraufhin sank der Gasverbrauch in demokratischen Gegenden, in republikanischen Gegenden stieg er bemerkenswerterweise. Hier wurde die soziale Norm zum sozialen Status. Nudges sind also kein Schalter, den man einfach umlegt.
- Einfachheit – das heißt, zum Beispiel die beste Option tatsächlich einfach zugänglich zu machen.
- Offenlegung – ein Stromlieferant informiert seinen Kunden über aktuellen Verbrauch und Kosten, um ein ökonomisches Verhalten zu unterstützen.
- Warnungen – beinahe überall zu finden, von den berühmten Hinweisen auf Zigarettenschachteln bis hin zum klassischen Sicherheitshinweis; wir nudgen leider viel zu viel, so dass diese Strategie ein zahnloser Tiger geworden ist.
- Selbstbindung – Menschen haben es schwer, selbst gesteckte Ziele einzuhalten. Die Offenlegung der Ziele unterstützt die Selbstbindung.
- Erinnerungen – in England wurden Steuerzahler darüber informiert, dass schon 80 Prozent ihrer Nachbarn die Steuererklärung abgegeben hatten. Die Kombination mit sozialer Norm war viel erfolgreicher als eine übliche Mahnung.
- Durchführungswillen – Menschen handeln öfter, wenn man gezielt nach ihren Absichten fragt, etwa in öffentlichen Toiletten mit einem kleinen Sticker „Hände gewaschen?“. Kombiniert man diese Strategie mit sozialer Norm, „Hat Ihr Nachbar die Hände gewaschen?“, erhält man einen wirkungsvollen Nudge.
- Konsequenz – diese ist Teil eines jeden Sicherheitshinweises oder steckt auch in der Darstellung einer Raucherzone in Form eines Sarges.
Abhängigkeit von Situation und Person
Jeder Mensch strebt grundsätzlich für sich positive Zustände und Ergebnisse an. Mit einem Nudge werden Informationen gegeben oder Informationen gestaltet, um diese Ziele zu erreichen. In Abbildung 04 geschieht das mit Konsequenz und Offenlegung in Form verlorener Kalorien mit jeder Stufe.
Aber funktioniert das immer? Bei weitem nicht, wie wir von unserer „brancheneigenen“ Nudging-Strategie, der Warnung, wissen. Nudges sind abhängig von der Situation (Ort, Tageszeit, Zeitdruck, …) und Person (Alter, Charakter, Vorlieben, …). Tatsächlich ging die Kombination aus Rolltreppe oder Treppe (Abb. 04) zu einem Fitnessstudio, und die Leute waren im Modus „Kalorien einsparen“. Eine ähnliche Konstellation an einem Bahnhof würde sehr wahrscheinlich nicht so gut funktionieren. Die Leute haben Gepäck, sind in Eile oder die Treppe ist voller als die Rolltreppe.
Abb. 04 Abhängigkeit von Nudges. [8]
Wir können uns auch selbst nudgen, etwa wie König Peter in Georg Büchners „Leonce und Lena“. König Peter machte sich einen Knoten ins Taschentuch, um wenigstens einmal am Tag an sein Volk zu denken. Und schon sind wir bei Regierungen, die das Verhalten der Bürger beeinflussen wollen und auch dafür einen Werkzeugkasten haben (Tab. 02).
Tab. 02 Quelle Marco Jänicke; Richard Thaler und Cass Sunstein [4]
Freiheit gewähren und beeinflussen
Barack Obama hatte sie, auch David Cameron und viele weitere Politikerinnen und Politiker: eine Nuding-Unit. Als Angela Merkle in einer Stellenanzeige allerdings Verhaltensforscher suchte, gab es hierzulande einen Aufschrei [10]. Staatliches Handeln soll zwar effektiv sein, aber Lockungen, Verführungen und unbemerktes Einwirken auf die Psyche ist etwas für Werbeagenturen und nichts für den Rechtsstaat, so die oft gehörte Meinung.
Wenn man mit so einem Werkzeug in die Politik geht oder von ihr gerufen wird, dann kann man das nicht nur Nudging nennen. Die Autoren Thaler und Sunstein sagen wissenschaftlich „libertärer Paternalismus“ dazu. Das klingt paradox oder korrekter nach einem Oxymoron – komplett gegensätzlich. So wie ein „stummer Schrei“ oder „Eile mit Weile“, denn libertär steht für maximale Wahlfreiheit und Paternalismus für einen vormundschaftliche Politikstil. Das muss kein Widerspruch sein. Ein Entscheidungsarchitekt kann Entscheidungsfreiheit gewähren und dennoch Menschen in eine bestimmte Richtung schubsen, so dass diese zu besseren Entscheidungen kommen. Verführung zum Guten, meinen Thaler und Sunstein.
Harff und McLachlan beschäftigen sich in ihrem Buch „Corporate Nudging“ mit dem Unternehmensaspekt. Vorrangig geht es darum, in der Unternehmensführung Biases und Heuristiken geschickt zu umschiffen. Dazu zählt der Status-quo-Bias „das haben wir schon immer so gemacht“. Oder auch der so genannte Dunning-Kruger-Effekt, nach dem die eigene Kompetenz überschätzt und die Kompetenz der anderen unterschätzt wird. Kurz gesagt: Je blöder man ist, umso weniger begreift man, wie blöd man ist.
Ein Punkt in der Publikation von Harff und McLachlan ist das Nudgen für mehr Arbeitssicherheit. Zweifellos besteht hier Bedarf. Denn in einer Studie von 2019 stellt die Berufsgenossenschaft in Deutschland 780.581 Arbeitsunfälle fest, 615 davon tödlich. [11]
In einem Report der HVBG wurden 940 Personen aus unterschiedlichen Unternehmen zur Verwendung von Schutzeinrichtungen an Maschinen befragt. [12] Das Ergebnis war ernüchternd: 37 Prozent der Schutzeinrichtungen wurden dauerhaft oder vorübergehend manipuliert, 80 Prozent der Befragten fühlten sich trotz Manipulation nicht unsicher, 50 Prozent sahen die Manipulation als unkritisch, 29 Prozent fühlten sich bei der Arbeit an manipulierten Maschinen mutig, 33 Prozent empfanden Schutzeinrichtungen als Schikane und 5 Prozent wussten erst gar nicht, dass sie an manipulierten Maschinen arbeiteten.
Hier wirken sich offensichtlich Urteilsverzerrungen und falsche Annahmen aus. Das sind aus der langen Liste von Biases und Heuristiken Selbstüberschätzung, Gruppenzwang, Bequemlichkeit, Lust am Risiko und Konsequenz, die nicht wahrscheinlich genug ist.
Die Hersteller und deren Technische Redaktion reagieren mit rationalen Informationen, mit Sicherheits- und Warnhinweisen, Sicherheitszeichen und allen weiteren Bestandteilen einer Technischen Dokumentation. Doch der Report zeigt, dass Nutzerinnen und Nutzer irrational und damit menschlich handeln. Wie wäre es also mit ein paar kleinen Nudges. Dafür habe ich zwei Beispiele entwickelt (Abb. 06 und Abb. 07). Das Problem ist, wir können typischerweise nur in instruktiven Texten und Abbildungen, vielleicht noch mit Beschilderungen und Sicherheitszeichen nudgen. Der viel größere Hebel durch Produktdesign und UI ist für die Technische Redaktion allerdings kaum erreichbar.
Abb. 06 Nudge an einer Schutzeinrichtung. Quelle www.maschinensucher.de; Marco Jänicke
Beim ersten Beispiel (Abb. 06) handelt es sich um den Futterschutz einer Werkzeugmaschine. Nach dem DGUV-Report bin ich davon ausgegangen, dass auch diese Schutzeinrichtung möglicherweise manipuliert wird. Ist der Futterschutz geschlossen, sieht der Maschinenbediener einen lachenden Smiley und bei geöffnetem Schutz einen sorgenvollen Smiley. Die Nudging-Strategien sind eine subtile und eine emotionale Warnung, die auch bei geöffneter Schutzeinrichtung sichtbar ist. Durch die Personifizierung der Information spielt auch die soziale Norm etwas hinein, außerdem die menschliche Erinnerung.
Die Eigenschaften für einen guten Nudge (Tab. 01) sind erfüllt, wenn wir davon ausgehen, dass der Benutzer die Möglichkeit hatte, den Futterschutz geöffnet zu lassen. Aber denken wir an die Abhängigkeiten von Nudges. Wird dieser Impuls wirken, wenn sich eine Person bei der Arbeit an einer manipulierten Maschine mutig oder Schutzeinrichtungen als Schikane empfindet, so wie im DGUV-Report dargestellt? Nicht zuletzt blickt das Smiley, das im Futterschutz der Maschine aufgeklebt ist, mit Sorge, da herumfliegende Späne es sehr bald wegradiert haben dürften.
Das zweite Beispiel ist ein instruktives und warnt vor Sachschäden (Abb. 07): Verschiedene Schmierstoffe zu mischen, kann sich sehr negativ auswirken. Möglicherweise flockt die Mischung nur ein bisschen, wenn es ganz schlecht läuft, stockt sie komplett und zerstört Komponenten einer Maschine. Früher als Instandhaltungsmechaniker hatte ich die Gelegenheit, viel über Schmierstoffe zu lernen. Die Nudging-Strategien im zweiten Beispiel sind Konsequenz und Offenlegung, und die Eigenschaften für gute Nudges sind erfüllt.
Abb. 07 Sachschadenhinweis mit gelb hinterlegtem Zusatztext als Nudge. Quelle Marco Jänicke
Ab heute Entscheidungsarchitekt
Sind wir uns in der Technischen Kommunikation der Mechanismen der Verhaltensökonomie mit Biases und Heuristiken bewusst und verstehen wir, wie unsere Nutzerinnen und Nutzer entscheiden, dann entwickeln wir Informationen für den Homo sapiens und nicht nur für den Homo oeconomicus. Letztlich können wir uns voller Stolz „Entscheidungsarchitekten“ nennen. Denn so, wie wir unserer Informationsgebäude errichten, treffen Personen letztlich ihre Entscheidungen.
Kurz gesagt: In Instruktionen ist Nudging sehr unscharf, bei der Produktgestaltung wirkt es sich hingegen viel stärker aus. Rechtswirksamkeit kann Nuding nicht entfalten. Auch für komplexe Entscheidungen ist Nudging nicht sehr geeignet, in klaren Entscheidungssituationen kann Nuding jedoch gut wirken.
Ob Sie nun über Nudging nachdenken oder nicht – der Verhaltensökonomie kann niemand entkommen. Wenn in einer Betriebsanleitung steht „… wir beglückwünschen sie zum Kauf dieser sicheren Maschine …“, dann betreiben wir Framing, das ebenfalls zu Biases und Heuristiken zählt. Zum Glück werden solche Formulierungen immer seltener und kaum eine Person dürfte das Vorwort einer Betriebsanleitung lesen.
Das Spannungsfeld zwischen Manipulation und der Verführung zum Guten muss man natürlich auch kritisch betrachten. Psychologen geben zu bedenken, der Mensch verhalte sich nicht „irrational“ und Biases und Heuristiken sind kein Mangel, sondern „intelligent“ und haben bis heute sein Überleben gesichert. Juristen fehlt es bei Nudges an formaler Legitimität. Für Verbraucherschützer ist Nuding lediglich eine Spielwiese der Werbebranche und Verbrauchermanipulation. Ein letztes Beispiel: Sie buchen ein Hotelzimmer und im Buchungsportal steht bei Ihrer Wahl „37 weitere Benutzer interessieren sich für dieses Angebot“ oder „nur noch 1 Zimmer verfügbar“. Das kann sachliche Verbraucherinformation sein, aber genauso gut eine Manipulation. Eine Information vielleicht zu Ihrem Besten, auf jeden Fall zum Besten für den Anbieter, wenn Sie das Zimmer sofort buchen.
Informations- und Produktgestaltung, die unseren menschlichen Weg der Entscheidungsfindung nutzt, ist allgegenwärtig. Also sollten auch wir uns der Mechanismen der Verhaltensökonomie bewusst sein und uns von dem Gedanken trennen, dass mit ausschließlich rationalen Informationen kluge Entscheidungen angestoßen werden können.
Links und Literatur
[3] https://commons.wikimedia.org
[4] Thaler, Richard/Sunstein Cass (2022): Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt, Econ.
[5] Harff, Christoph/McLachlan, Christopher (2021): Corporate Nudging: Verhaltensmuster in Organisationen durch intelligente Anstupser verändern, Haufe
[6] www.anti-bias.eu/wissen/biases-von-a-z (Deutsch)
[7] www.thedecisionlab.com/biases (Englisch)
[8] https://commons.wikimedia.org
[9] Büchner, Georg (2022): Leonce und Lena, Reclam
[11] Studie der DGVU von 2020 an der Hochschule Hamm-Lippstadt.
[12] DGUV (2006): Manipulation von Schutzeinrichtungen an Maschinen. https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/1886