Vorsicht Wortartwechsel!

Text: Markus Nickl

Wann ein Wort ein Substantiv oder Verb ist, sollte klar sein. Außer, es kommt die Konversion ins Spiel. Was hat es mit dieser Form der Wortbildung auf sich?

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 03:35 Minuten

Mit Zusammensetzung und Ableitung haben wir uns zwei wichtige Mittel der Wortbildung angesehen. [1, 2] Daneben gibt es eine Möglichkeit, die in der Alltagssprache nicht ganz so häufig genutzt wird. Das heißt allerdings nicht, dass sie in der Technischen Dokumentation nicht zum Problem werden könnte. Das Seltsame an diesem Wortbildungsmittel ist übrigens: Es besteht darin, gar nichts zu tun.

Lediglich konvertiert

Sowohl bei Zusammensetzung als auch bei der Ableitung kombinieren wir Teile, um ein neues Wort zu schaffen. Bei den Zusammensetzungen sind das komplette Wörter, bei den Ableitungen ein komplettes Wort und spezielle Silben. Diese zeigen an, welche Wortart daraus werden soll und wie sich ggf. die Bedeutung verändern soll.

Doch warum nicht einfach beschließen, dass ein Wort eine andere Wortart bekommt? Im ersten Moment klingt das überraschend. Und es stellt sich die Frage, ob das überhaupt möglich ist. Wie sollen dann meine Gegenüber erkennen, welche Wortart ich meine? Die Antwort darauf ist allerdings einfach: Welche Wortart gemeint ist, erkennen wir aus dem Zusammenhang, welche grammatischen Funktionen und Eigenschaften das (neue) Wort annimmt.

Neu flektiert

Sehen wir uns ein Beispiel an. „Laser“ ist zunächst ein Substantiv. In dem Satz, „Das Blech muss gelasert werden.“ ist aber klar, dass „Laser“ ein Verb ist. Sprachlich wird uns das durch mehrere Indizien deutlich. Zum einen ist „Laser“ mit „ge … -t“ kombiniert, eine Flexionsendung, die Verben vorbehalten ist. Das ist der entscheidende Hinweis. „Laser“ ist außerdem in einer Fügung mit „muss“ und „werden“ kombiniert. Und auch die Stellung am Ende der Verbalklammer deutet auf ein Verb hin. Das sind allerdings keine eindeutigen Hinweise, denn es wären ja auch parallele Sätze mit Substantiv möglich, etwa „Der Junge muss Zahnarzt werden.“

In anderen Fällen reicht aber bereits die Stellung, um zu zeigen, dass ein eigentliches Substantiv ein Verb ist: „Laser das bitte noch bis heute Abend.“ Hier muss „Laser“ ein Verb sein, da ein Aufforderungssatz immer mit einem Verb beginnt.

Neu kombiniert

Auch daran, welche Kombinationen ein Wort eingeht, lässt sich die Konversion erkennen, also diese Form von Wortartwechsel. Zum Beispiel ist „grau“ – Sie erinnern sich bestimmt – ein Adjektiv. Ganz anders sieht das aber aus in dem Ausdruck „im Grau des frühen Morgens“. Hier ist „grau“ mit einem Artikel („in dem“/„im“) kombiniert. Artikel lassen sich aber nur mit Substantiven kombinieren. Außerdem wird „Grau“ durch ein Genitiv-Attribut ergänzt; auch das ein Zeichen für Substantive.

Falls Sie jetzt meinen, dass es ohnehin klar war, dass „Grau“ hier ein Substantiv ist, weil „Grau“ ja großgeschrieben ist, dann haben Sie natürlich recht. Allerdings sind Groß- und Kleinschreibung kein sehr gutes Indiz. Die generelle Großschreibung von Substantiven ist eine Spezialität des Deutschen, Konversion kommt aber in den meisten Sprachen vor. Außerdem könnte ein Wort auch am Satzanfang stehen (etwa „Laser“ im Beispiel oben) und deshalb großgeschrieben sein. Und dann ist die Rechtschreibung für die Linguistik ohnehin kein sehr zentrales Element der Sprache, immerhin ist der Großteil aller Sprache und Sprachen gesprochen und nicht geschrieben.

Neu zusammenfügen

Bis zu diesem Punkt ist die Konversion recht einfach. Man verwendet ein Wort einfach als eine andere Wortart und hofft darauf, dass sich das schon irgendwie zeigen wird, beispielsweise an den genannten Kriterien. Es gibt bei der Konversion aber eine Schwierigkeit, die immer wieder irritiert. Wir haben nämlich nicht nur die Möglichkeit, die Wortart einzelner Wörter zu wechseln, sondern auch einer ganzen Wortgruppe eine Wortart zuzuweisen. Das klingt zunächst seltsam; tatsächlich ist dieses „Gruppenweise-eine-neue-Wortart-Zuweisen“ aber gar nicht so selten. Auch in einer Technischen Dokumentation können solche Formulierungen stehen: „Ein Entfernen, Umgehen oder Unwirksam-Machen dieser Sicherheitseinrichtungen ist verboten.“

Mehrgliedrige Substantivierungen werden im Allgemeinen mit Bindestrichen geschrieben. Das erste Wort der Wortgruppe und das letzte werden dann großgeschrieben, die anderen Wörter wie in der Ursprungswortgruppe. Kurze Wortgruppen lassen sich aber auch zusammenschreiben: „Das Werteberechnen findet nach dem Datenimport statt.“

Was nützt das?

Vermutlich ahnen Sie schon, wann eine Konversion für die Technische Redaktion relevant ist: beim leidigen Thema Groß- und Kleinschreibung. Unsicherheiten bei der Groß- und Kleinschreibung haben häufig Substantivierungen durch Konversion als Ursache.

Das bedeutet umgekehrt aber auch: Hat man erst einmal verstanden, woran man eine Konversion erkennt, dann fällt dieser Zweifelsfall fast von allein weg. Bei Substantivierungen hilft es deshalb, auf Artikel und Demonstrativpronomen zu achten, die das problematische Wort ergänzen. Denn Artikel und Demonstrativpronomen stehen immer bei einem Substantiv (oder sie stehen komplett für sich allein).

Nun muss man nur noch beachten, dass der Artikel (bzw. das Demonstrativpronomen) nicht immer offensichtlich ist. Denn manchmal verschmilzt er mit einer Präposition und manchmal modifiziert er mehrere Substantive:

  • „Im (in dem) Unwirksam-Machen der Sicherheitseinrichtung liegen beträchtliche Gefahren“
  • Dieses Entfernen, Umgehen oder Unwirksam-Machen der Sicherheits­einrichtungen ist verboten.“

Als Daumenregel gilt deshalb: Bei Unsicherheiten bei der Groß- und Kleinschreibung lohnt es sich, nach den typischen Anzeichen für Konversion zu suchen. Fast immer lassen sich diese Unsicherheiten auf diesem Weg klären.

Literatur zum Beitrag

[1] Nickl, Markus (2022): Neue Wörter bilden. In: technische kommunikation, H. 2, S. 24–25.

[2] Nickl, Markus (2022): Wörter mit Kombinationsgabe. In: technische kommunikation, H. 3, S. 22–23.

Maskierter Mann mit Umhang.