Kluge Anweisungen für kluge Texte

Text: Markus Reiter

Sprach-Bots wie ChatGPT sind nur so gut wie die Befehle, die sie bekommen. Dieser Artikel verrät die wichtigsten Tricks für richtiges Prompting.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 08:30 Minuten

In den Jahren nach der Jahrhundertwende erregte der Schulmeister und Mathematiklehrer Wilhelm von Osten mit einem Pferd, das als „der Kluge Hans“ bekannt war, Verwunderung und Bewunderung beim Publikum seiner Vorstellungen. Der Kluge Hans konnte angeblich Rechenaufgaben lösen und sogar Spielkarten erkennen – ein intelligentes Wundertier also.

Die Wissenschaft konnte sich lange Zeit dieses Phänomen des rechnenden Pferdes nicht erklären. Erst der Psychologiestudent Oskar Pfungst, Mitarbeiter einer wissenschaftlichen Expertenkommission, kam der Sache auf die Schliche. Das Pferd reagierte nämlich auf subtile Signale seines Meisters. Mal war es eine hochgezogene Augenbraue, mal ein leicht gesenkter Kopf – daraus erkannte das Tier, wie es nun reagieren sollte. Eine an sich beeindruckende Leistung, aber am Ende eher antrainiert als mathematischer Verstand.

Von klugen Pferden zu kluger KI

Als ChatGPT im November 2021 der Öffentlichkeit zur Nutzung zur Verfügung gestellt wurde, war das Publikum ob der sprachlichen Leistungsfähigkeit dieser künstlichen Intelligenz zutiefst beeindruckt, ganz so wie damals die Menschen beim Klugen Hans. Auch hier stellte sich erst im Laufe der folgenden Monate heraus: Es sind die subtilen Signale der menschlichen Benutzer, die die künstliche Intelligenz lenken.

Konkret geht es darum, der KI die richtigen Befehle, die so genannten Prompts, zu geben, um am Ende zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen. Und genau darum dreht sich dieser Artikel: um das beste Vorgehen für effektives Prompting. Immerhin hat sich innerhalb von wenigen Monaten bereits das Berufsbild des Prompt Engineering entwickelt. Hierbei handelt es sich um Expertinnen und Experten, die die KI mit passenden Anweisungen füttern, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. In Zeiten künstlicher Sprachintelligenz müssen Autorinnen und Autoren sich noch viel expliziter als bisher überlegen, was genau sie mit ihren Texten erreichen wollen, wen sie ansprechen möchten, in welchem Stil sie formuliert sein sollen und welche Struktur und Form sie einnehmen mögen. Die eigentliche Aufgabe des Schreibens kann hingegen mit einiger Zuverlässigkeit von einer KI erledigt werden. Vorausgesetzt, sie erhält die richtigen Befehle, also Prompts.

Formel für erfolgreiche Prompts

Bei der Feinjustierung von KI-Texten kann die PADS-Formel helfen. Sie beschreibt die vier großen Elemente, die ein erfolgreicher Prompt aufweisen sollte:

P: Das „P“ steht für Position oder Positionierung. Weisen Sie der KI eine klare Rolle zu, beispielsweise die einer Technischen Redakteurin in einem Unternehmen, das Automobilzubehör herstellt. Beschreiben Sie diese Rolle so präzise wie möglich. Je spezifischer Sie sind und je mehr Angaben Sie machen, desto besser kann die KI in diese Rolle schlüpfen. Erläutern Sie auch das Medium, in dem der Text erscheinen wird. Beschreiben Sie Ihre Zielgruppe, am besten anhand von Eigenschaften, die sie auszeichnen. „Menschen im Alter zwischen 30 und 55 Jahren“ ist weniger nützlich für die KI als „handwerklich orientierte Menschen mit solidem Bildungshintergrund, aber ohne akademische Ausbildung“.

A: Das „A“ steht für Aufgabe. Hier formulieren Sie klare, präzise und kurze Sätze, um die Aufgabenstellung für die KI festzulegen. Falls notwendig, können Sie Fachvokabular verwenden – die KI wird versuchen, es in ihrem Ergebnis aufzugreifen. Dennoch sollte beachtet werden, dass allzu spezifische Fachbegriffe möglicherweise nicht verstanden werden.

D: Der Buchstabe „D“ bezeichnet Details. Geben Sie spezifische Anweisungen und Vorgaben an die KI weiter. Welche Themen, Aussagen oder Fakten sollen im Mittelpunkt des Textes stehen? Was soll vermieden werden? Negativ-Anweisungen können durchaus nützlich sein, jedoch ist es nicht immer sicher, dass sich die KI exakt daran hält.

S: Schließlich steht das „S“ für Stil. Geben Sie der KI klare Anweisungen zur gewünschten Tonalität des Textes und zum Schreibstil. Hierbei geht es auch um das angemessene Sprachniveau. Wenn Ihnen an hoher Verständlichkeit gelegen ist, kann die Formulierung „Schreibe so, dass ein 13-jähriges Kind den Text verstehen kann“ hilfreicher sein als allgemeine Anweisungen wie „Schreibe verständlich“. Auch die gewünschte Länge des Textes kann hier angegeben werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Zeichen- und Absatzzählung von ChatGPT nicht immer zuverlässig ist. Falls der Text zu lang erscheint, genügt oft der Befehl „Kürzen“, um ein kompakteres Ergebnis zu erhalten. Da die KI tendenziell zu ausführlichen Formulierungen neigt, ist es weniger wahrscheinlich, dass der Text am Ende zu kurz ausfällt. Falls dennoch eine längere Version erforderlich ist, kann der Befehl „Ergänze deine Aussagen um Beispiele“ hilfreich sein.

Beispiel Prompts

Für Zusammenfassungen
Fasse die Argumente und Gedanken in diesem Text zusammen. Liste sie auf. Nutze dazu Ordnungszahlen.
Finde ein Beispiel mit einem Menschen, das diese Probleme/diese Situation illustriert.
Verfasse zu diesem Beispiel eine Caption für Instagram. Nutze das Storytelling. Sprich nicht in der ersten Person.

Für Sprachanalyse
Analysiere den folgenden Text sprachlich. Was sind die sprachlichen Eigenheiten? Achte dabei besonders auf Satzbau, Wortwahl, eigentümliche grammatische Konstruk­tionen, Art der Ansprache. Liste die Eigenheiten auf.
Lasse die Beispiele weg und liste nur die Eigenheiten auf.

Der Anteil der KI
Die Entstehung dieses Textes ist ein Beispiel dafür, wie sich KI beim Verfassen von Artikeln einsetzen lässt. Den größten Teil hat der Autor mit speechnotes.com diktiert. Diese Diktier-Fassung wurde von ChatGPT korrigiert. Dabei ging es um korrekte Grammatik, Zeichensetzung und grobe stilistische Fehler, die beim Diktieren entstanden sind. Der Prompt dazu lautete: „Korrigiere im folgenden Text Rechtschreibung und Grammatik. Beseitige grobe stilistische Fehler. Behalte die Tonalität des Textes bei.“ Letzterer Befehl ist wichtig, weil ChatGPT sonst alles in einen langweiligen Einheitsstil umschreibt. Der von der KI redigierte Text wurde dann vom Autor gründlich überarbeitet. Dabei mussten auch mehrere Missinterpretationen durch die KI korrigiert werden. Zum Schluss hat die KI noch zehn Überschriften vorgeschlagen, von denen eine mit Abänderungen übernommen wurde.

Und was sagt ChatGPT selbst?

Fragt man ChatGPT nach den Kriterien für ein effektives Prompting, bekommt man durchaus eine vernünftige Antwort. In diesem Beispiel lautete der Prompt: „Liste 5 wichtige Eigenschaften auf, die ein sehr guter und effektiver Prompt haben sollte. Füge Beispiele an.“ Wichtig an diesem Prompt ist, dass die Antwort auf fünf Eigenschaften begrenzt wird. In der Regel erzielt man bessere Ergebnisse, wenn man ChatGPT zu dieser Listenform instruiert. Auch der Hinweis, Beispiele anzufügen, erweist sich in vielen Fällen als sinnvoll. Folglich kann sich das Ergebnis sehen lassen:

„Ein sehr guter und effektiver Prompt sollte fünf wichtige Eigenschaften aufweisen:

1. Klarheit und Präzision: Der Prompt sollte ohne Unklarheiten formuliert sein, damit das Modell genau versteht, was gefragt ist. Zum Beispiel:

  • Nicht optimal: „Erkläre die Theorie.“
  • Besser: „Bitte erkläre die Grundprinzipien der Schrödingers Quantentheorie.“

2. Relevanz: Der Prompt sollte alle notwendigen Informationen enthalten, um die gewünschte Antwort zu generieren. Beispiel:

  • Nicht optimal: „Schreibe über Tiere.“
  • Besser: „Beschreibe die Anpassungen der Wüstentiere an ihre Umgebung.“

3. Kontextualisierung: Kontext hilft dem Modell, angemessene Antworten zu liefern. Beispiel:

  • Ohne Kontext: „Was ist der schnellste Vogel?“
  • Mit Kontext: „In Bezug auf Flug­geschwindigkeit, welcher Vogel hält den Rekord als der schnellste?“

4. Anweisungen und Formatierung: Spezifische Anweisungen und Formatierungshinweise sind wichtig. Beispiel:

  • Ohne Anweisung: „Beschreibe ein Gemälde.“
  • Mit Anweisung: „Analysiere das Gemälde ‚Die Sternennacht‘ von Vincent van Gogh hinsichtlich seiner Farbpalette und Stimmung.“

5. Kreativität und Flexibilität: Ein guter Prompt ermöglicht kreative Antworten. Beispiel:

Einschränkend: „Schreibe einen Dialog zwischen zwei Charakteren, die sich streiten.“

Flexibel: „Erstelle einen Dialog, der eine hitzige Diskussion zwischen zwei Personen über einen kontroversen Standpunkt zeigt.“

Zusammengefasst sollte ein wirksamer Prompt klar, umfassend, kontextbezogen, instruktiv und gleichzeitig flexibel sein, um das Potenzial von Sprachmodellen wie GPT-3.5 optimal auszuschöpfen.“

ChatGPt neigt zum Labern und zur Redundanz – vermutlich weil auch in den Trainingsdaten so viel gelabert wird. In der Regel kann man den letzten Absatz streichen, weil er in sehr vielen Fällen eine Zusammenfassung des Vorherigen ist.

Die Antwort scheint abgesehen davon ganz vernünftig. Jedoch, wenn man genauer hinschaut, stößt man auf die Grenzen der KI. Kein vernünftiger Mensch würde auf die blöde Idee kommen, ChatGPT die simplen Anweisungen zu geben: „Erkläre die Theorie“, „Schreibe über Tiere“ oder „Beschreibe irgendein Gemälde.“ Einen so unspezifischen Prompt würde wohl niemand verfassen. Der Prompt „Beschreibe das Gemälde ,Die Sternennacht‘ von van Gogh“ kann hingegen durchaus vorkommen. Daher ist der Hinweis, das Gemälde unter einem bestimmten Aspekt zu analysieren, hilfreich.

Sieben Zusatztipps

1.    Fragen Sie ChatGPT, was es noch wissen muss, um einen besseren Inhalt zu verfassen.
2.    Lassen Sie das ChatGPT-Ergebnis in einem neuen Chat von ChatGPT selbst kritisieren und fragen Sie, wie man es verbessern kann.
3.    Rollenwechsel: Versetzen Sie ChatGPT in die Rolle des Adressaten und fragen Sie, was in dieser Rolle interessant wäre.
4.    Fragen Sie ChatGPT nach Vergleichen und Metaphern. Diese können Sie dann für Ihre selbstverfassten Texte nutzen.
5.    Lassen Sie ChatGPT dabei in ungewohnte Rollen schlüpfen, zum Beispiel: „Nimm die Rolle eines katholischen Priesters ein“. So eröffnen sich oft neue Perspektiven.
6.    Fragen Sie nach Ver­gleichen in englischer, französischer oder spanischer Sprache und lassen Sie dann übersetzen.
7.    Der simple Prompt „Denke um die Ecke“ funktioniert erstaunlich gut, um originellere Ergebnisse zu erzielen.

Hürde beim Prompting

Entscheidend aber ist es zu bedenken, dass künstliche Intelligenz nicht über menschliches Weltwissen verfügt. So bemängelte in einer Schulung eine Teilnehmerin, dass ein ChatGPT-Blogartikel mit einer Grußformel „Liebe Leserinnen und Leser“ und einer Schlussformel „Liebe Grüße aus dem Büro, eure Firma“ versehen war. Diesen Missstand wollte die Teilnehmerin mittels des Prompts „Verzichte auf die Briefform“ beheben – erfolglos. Während menschliche Redakteure sofort verstehen würden, was mit „Briefform“ gemeint ist, muss die Anweisung für ChatGPT präziser lauten: „Streiche die Anrede und die Schlussformel.“

Oft wird vorgeschlagen, bei der Interaktion mit der KI ein Beispiel für die gewünschte Tonalität eines Textes anzugeben. Das könnte etwa so aussehen: „Verfasse deine Antwort im Stil und der Tonalität des folgenden Beispiels: (hier folgt das Beispiel)“. Jedoch treten dabei gelegentlich Probleme und unerwünschte Nebenwirkungen auf. Es kommt nicht selten vor, dass die KI Inhalte aus dem Beispieltext in den eigentlichen Text integriert, statt sich darauf zu beschränken, nur den Stil und die Tonalität zu kopieren.

Mit einem kleinen Trick kann man dieses Problem umgehen: Öffnen Sie einen neuen Chat, fügen Sie den Beispieltext ein und fordern Sie ChatGPT auf, diesen hinsichtlich Stil und Form zu analysieren. Die KI wird dann eine Liste stilistischer Merkmale generieren. Diese abstrakten Merkmale können Sie kopieren und in Ihren eigentlichen Prompt einfügen. Die Ergebnisse sind selten perfekt, aber in der Regel besser, als wenn man den Beispieltext im ursprünglichen Prompt genutzt hätte.

Feinabstimmung im Dialog

Die Ergebnisse lassen sich auch dadurch verbessern, dass man in einen iterativen Dialog mit der KI tritt. Mit anderen Worten: Man fragt die KI im ersten Prompt, welche Ergänzungen für ein besseres Ergebnis noch notwendig wären. Oder man lässt sich von ChatGPT seinen ursprünglichen Prompt kritisieren, zum Beispiel mit der Eingabe: „Das Folgende ist ein Prompt für [Thema]. Nenne mir fünf Schwächen dieses Prompts und schlage mir vor, wie man diese Schwächen beheben könnte.“

Gutes Prompt Engineering besteht größtenteils aus Ausprobieren. Es geht darum, eine Eingabe immer wieder, auch mit kleinen Veränderungen, neu zu formulieren und zu testen, um aus den Ergebnissen neue Erkenntnisse und am Ende ein besseres Resultat zu gewinnen.

Bedenken Sie: ChatGPT ist keine Plagiatsmaschine, sondern eine Wahrscheinlichkeitsmaschine. Die KI liefert zwar aufgrund von Wahrscheinlichkeiten in der Regel sehr ähnliche Ergebnisse, aber niemals wortwörtlich dieselben. Hat man also das Gefühl, den nahezu perfekten Prompt gefunden zu haben, und ergibt dieser dennoch nicht das erhoffte Ergebnis, dann heißt es: Den gleichen Prompt einfach noch einmal ausprobieren.

Der Anteil der KI

Die Entstehung dieses Textes ist ein Beispiel dafür, wie sich KI beim Verfassen von Artikeln einsetzen lässt. Den größten Teil hat der Autor mit speechnotes.com diktiert. Diese Diktier-Fassung wurde von ChatGPT korrigiert. Dabei ging es um korrekte Grammatik, Zeichensetzung und grobe stilistische Fehler, die beim Diktieren entstanden sind. Der Prompt dazu lautete: „Korrigiere im folgenden Text Rechtschreibung und Grammatik. Beseitige grobe stilistische Fehler. Behalte die Tonalität des Textes bei.“ Letzterer Befehl ist wichtig, weil ChatGPT sonst alles in einen langweiligen Einheitsstil umschreibt. Der von der KI redigierte Text wurde dann vom Autor gründlich überarbeitet. Dabei mussten auch mehrere Missinterpretationen durch die KI korrigiert werden. Zum Schluss hat die KI noch zehn Überschriften vorgeschlagen, von denen eine mit Abänderungen übernommen wurde.

 

Frau mit Brille hält einen Laptop in den Händen.