Die Bedeutung hat einen festen Kern und weitere typische Merkmale. Diese sind zwar nicht notwendig für das Verständnis des Begriffs, werden aber dennoch von vielen Sprecherinnen und Sprechern erwartet. [1] Doch wie sieht es mit den Bedeutungsbeziehungen zwischen Wörtern aus?
Sozusagen eine Dokumentation
Die Bedeutung eines Wortes steht nicht für sich allein, sondern organisiert sich in einem Netz von Beziehungen zu anderen Wörtern. Dabei schaffen diese Beziehungen Verknüpfungen zu den verbundenen Wörtern, sie grenzen aber die verschiedenen Wörter auch voneinander ab. „Gebrauchsanleitung“ und „Tutorial“ sind beides Texte aus dem Themenfeld „Dokumentation“ (und dadurch miteinander verbunden). „Tutorial“ unterscheidet sich von Gebrauchsanleitung aber dadurch, dass es sich stärker auf Software bezieht und einen kurzen, interaktiveren Charakter des Textes verspricht. Von diesen beiden Begriffen grenzt sich wiederum „Betriebsanleitung“ ab, zudem „Beipackzettel“ und sogar „Tierdoku“ (was für die meisten Technischen Redakteurinnen und Redakteure im ersten Moment wohl außerhalb des Felds „Dokumentation“ liegen dürfte).
Vielleicht ist Ihnen ein weiterer Punkt aufgefallen. Innerhalb eines Themas gibt es Begriffe, die als typisch für das Thema gesehen werden, und andere, die eher am Rand des Themenfelds stehen. Dass wir manche Begriffe als prototypisch für ihre Kategorie einschätzen, lässt sich auch durch psycholinguistische Experimente nachweisen. Sollen Leute etwa beurteilen, ob ein Begriff ein „Vogel“ ist, so reagieren sie zum Beispiel bei „Spatz“ sehr viel schneller als bei „Storch“ und darauf wieder schneller als bei „Pinguin“. Auf „penguin“ reagierten in dem Experiment die englischsprachigen Probanden ähnlich schnell wie auf „bat“. Irgendwo in unserem Kopf ist also eine Fledermaus ein bisschen auch ein Vogel – wobei ich vermute, dass das für das Deutsche anders aussehen dürfte, weil „Maus“ den Bezug zu Säugetieren deutlicher herstellt als das Englische.
Gleiches und Ungleiches
Ein weiteres Thema rund um Bedeutungen wird auch in Technischen Redaktionen gerne diskutiert: Welche Wörter bedeuten das Gleiche? Aus linguistischer Sicht ist die Antwort darauf schnell gefunden: Kein einziges Wort bedeutet das Gleiche wie ein anderes Wort. Es gibt immer Unterschiede. Zwar existieren Wörter, deren Bedeutungskern relativ ähnlich ist – oder sogar identisch. Aber oft hat eines der beiden Wörter eine breitere oder engere Bedeutung. Manchmal ist es aber auch nicht die Bedeutung selbst, sondern die Verwendungsweise. Das eine Wort klingt lockerer, das andere ein wenig veraltet oder aber fachlicher oder formeller. Oft ähneln sich Wörter nur in einem bestimmten Kontext und in anderen Zusammenhängen lassen sie sich nicht austauschen.
Denn Wörter können nicht einfach eins zu eins miteinander ersetzt werden. Es macht immer einen Unterschied, welches Wort man verwendet. Das gilt innerhalb einer Sprache genauso wie zwischen Sprachen. Das englische „screws“ heißt auf Deutsch eben nicht „Schrauben“. Oder genauer gesagt, es heißt auch „Schrauben“. Es bedeutet aber auch „Propeller“ und „Schnecken“ (bzw. „Förderschnecken“) und „Dekompressionskrankheit“. Andererseits heißt „screw“ nicht „Metallschraube“, weil das im Englischen ein „bolt“ ist. Sie sehen schon: Es gibt keine Eins-zu-eins-Entsprechungen.
Was nützt das?
Wir haben schon kurz darüber gesprochen, dass es in der Bedeutungslehre keine absoluten Wahrheiten gibt. [1] Dies gilt auch für die Zuordnung zu Kategorien, etwa in Terminologiebeständen oder in Produktkategorien. Es sind immer Exemplare vorhanden, die besonders typisch sind, und andere, die eher am Rand einer Kategorie stehen. Das muss man aushalten können. Zwar wäre eine Möglichkeit, damit umzugehen, einfach eine andere Kategorie zu schaffen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es in dieser neuen Kategorie aber wieder Exemplare geben, die dort am Rande stehen – nur werden es jetzt andere sein.
Bei solchen Zuordnungsproblemen sollten Sie sich deshalb fragen, ob die bestehende Kategorie wirklich sinnvoll ist für die Mehrzahl der Exemplare, die darunter gefasst werden, ob sie für Sie und für Ihre Kunden nachvollziehbar ist. Wenn das alles stimmt, dann können Sie mit dem einen oder anderen „Pinguin“ sicher leben und sollten nur hoffen, dass er keine „Fledermaus“ ist.
Literatur
[1] Nickl, Markus (2022): Vielschichtige Bedeutung. In: technische kommunikation. H. 5, S. 27.