Eine vielschichtige Beziehung

Text: Markus Nickl

Vom „Kasus Knaxus“ ist gerne die Rede, will man eine Sache auf den Punkt bringen. Ähnlich macht es die Grammatik, die mit dem Kasus in einem Satz die Beziehung von Personen oder Objekten verdeutlicht. Doch nicht immer lässt sich gleich erkennen, welcher Kasus der passende ist.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 03:35 Minuten

Haben Sie auch schon „dem“ und „den“ verwechselt? Die Fälle (Kasus) sind nicht immer ganz leicht in den Griff zu bekommen. Andererseits lassen sie sich nicht einfach ignorieren, denn zu einem großen Teil halten sie den Satz zusammen. Lassen Sie uns also noch einmal genauer auf die Fälle sehen, damit uns beim Schreiben nicht alle „Fälle“ davonschwimmen.

Was macht der Kasus?

Wie so vieles in der Flexion ist auch der Kasus eine Kategorie, die wir verwenden, ohne weiter nachzudenken. Um so schwieriger wird es, wenn wir sagen sollen, was die Kasus eigentlich bedeuten (Inf. 01).

Worum geht es beim Kasus? Wie so oft bei den Flexionsformen drückt auch der Kasus bestimmte grundlegende Bedeutungsbeziehungen aus. Oft sind diese Beziehungen räumlicher Natur. Vergleichen Sie einmal die folgenden beiden Sätze:

  • „Wir installieren das Modul in der Maschine.“ (Dativ; Ort)
  • „Wir bauen das Modul in die Maschine ein.“ (Akkusativ; Richtung)

Das funktioniert auch im übertragenen Sinn:

  • „Sie finden das in der Anleitung.“ (Dativ; Ort)
  • „Ich schreibe das in die Anleitung.“ (Akkusativ; Richtung)

Leider bleibt es aber nicht so einfach: „Die Anleitung entspricht nicht der Norm.“ („der Norm“: Dativ). Hier verwenden wir Dativ, weil „entsprechen“ uns eben dazu zwingt. Sie erinnern sich: Verben haben bestimmte „Valenzen“, die Ergänzungen mit einem bestimmten Fall notwendig machen. Eine klare, eindeutige Bedeutung hat deshalb kein Kasus mehr – zumindest im Deutschen. In manchen Sprachen wie etwa dem Finnischen oder dem Türkischen sind die Bedeutungen der einzelnen Kasus noch sehr gut zu unterscheiden. Solche Sprachen haben dann aber typischerweise auch gleich ein gutes Dutzend Kasus.

Gut zu wissen

Falls Sie kurz gestockt haben: Ja, das ist richtig, der Plural von „Kasus“ ist „Kasus“, allerdings mit langem „U“ gesprochen. Ursprünglich stammt „casus“ aus der lateinischen U-Deklination, deren Mehrzahl mit einem U gebildet wird. Ein anderes Beispiel ist „manus“, die Hand.

Inf. 01 Quelle Markus Nickl

Was macht den Kasus schwierig?

Wenn wir den Kasus weitgehend ohne nachzudenken verwenden, ist er dann immer völlig problemlos? Leider nein, und das hat mehrere Ursachen. Zum einen verwenden wir regional beziehungsweise im Dialekt den Kasus nicht immer so wie in der Standardsprache. In Süddeutschland ist es zum Beispiel verbreitet, „wegen“ mit dem Dativ anzuschließen statt mit dem Genitiv: „Wegen dem langen Stau bin ich zu spät gekommen.“ Das hört sich für viele Menschen im Süden des deutschen Sprachraums völlig normal an; allerdings ist es nicht Standard­deutsch.

Wer jetzt allerdings wie Bastian Sick der Meinung ist, dass „wegen“ + Dativ ein Zeichen sprachlichen Verfalls ist [1], der wird hier eine Überraschung erleben. Zum einen lässt sich die Grammatik einer Sprache (zum Beispiel des Bairischen oder Alemannischen) nicht anhand der Grammatik einer anderen (zum Beispiel des Standarddeutschen) betrachten. Wir sagen ja auch nicht, dass das Deutsche „wegen“ + Genitiv verkehrt ist, weil es nicht wie im Lateinischen gebildet wird („propter“ + Akkusativ). Zum anderen, und noch viel wichtiger, gibt es auch im Standarddeutschen Situationen, in denen wir „wegen“ mit Dativ verwenden: „Wegen Constanze ist die Anleitung rechtzeitig fertig geworden.“ Wer sich den Satz genau ansieht merkt: „Constanze“ ist hier Dativ; Genitiv – aber falsch – wäre „Constanzes“. Und auch „wegen dir“ (wieder mit Dativ) dürfte heute die Normalform sein und nicht „deinetwegen“. Die Situation ist also gar nicht so einfach, wie manche Sprachapostel das gerne darstellen. Wer noch mehr dazu wissen möchte, findet wissenschaftlich fundierte Informationen [2].

Was machen mit dem Kasus?

In manchen Redaktionen wird erbittert diskutiert, ob „in Kapitel 2“ oder „im Kapitel 2“ die korrekte Form ist. Oft wird das mit der Frage auf den Punkt gebracht, ob hier Dativ oder Akkusativ richtig ist. Die Antwort darauf hält allerdings einige Überraschungen bereit. Erstens: Beide Formen sind gleich richtig. Als Redaktion einigt man sich am besten auf eine Form und akzeptiert, dass die andere im Prinzip genauso korrekt wäre. Ich würde allerdings „im Kapitel“ empfehlen, doch dazu mehr weiter unten. Zunächst aber einmal die zweite Antwort auf die Frage: Korrekt ist hier ausschließlich Dativ. Falls Sie sich jetzt wundern: Das liegt daran, weil „Kapitel“ hier in Wirklichkeit jedes Mal im Dativ steht.

Was macht aber dann den Unterschied aus? Eigentlich geht es um die Frage, ob man den bestimmten Artikel weglassen kann. Das kann man, weil „Kapitel“ schon durch die Nummerierung „2“ bestimmt ist. Ohne Nummerierung funktioniert das nicht: „…finden Sie in Kapitel ‚Sicherheitshinweise‘“ ist genauso verkehrt wie „finden Sie in Kapitel, das auf der nächsten Seite beginnt.“ Das ist auch der Grund, warum ich „im Kapitel“ empfehlen würde. Damit sind Sie einfach auf der sicheren Seite. Denn wenn Sie zum Beispiel ein medienneutrales CMS verwenden, ist es durchaus möglich, dass Sie abhängig vom Medium den Text als „im Kapitel 2“ oder „im Kapitel Sicherheitshinweise“ ausgeben.

Aber was wäre bei diesem Beispiel eigentlich Akkusativ? Nun, ein Blick ins Kapitel „Kasus“ in der Grammatik Ihrer Wahl liefert die Antwort.

Links zum Beitrag

[1] https://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zwiebelfisch- der-dativ-ist-dem-genitiv-sein-tod-a-267725.html

[2] https://grammis.ids-mannheim.de/fragen/67

Mehr über die deutsche Grammatik und besondere Fälle aus der Technischen Dokumentation finden Sie im Internet:
https://technischekommunikation.info, Rubrik „Sprache“.
Der Kasus und dessen Vielschichtigkeit ist Thema dieses Beitrags.