Publizieren mit Wordpress - Teil 1

Text: Haeme Ulrich

Meist wird die Anwendung WordPress mit dem Schreiben und Veröffentlichen von Blogs gleichgesetzt. Aber das System kann ganz klar mehr, auch für die Technische Kommunikation. Doch starten wir zunächst mit einem Überblick, der die Idee und die Umsetzung von WordPress veranschaulicht.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 06:30 Minuten

WordPress ist das mit Abstand beliebteste System zur Erstellung und Pflege von Webseiten. Ein Drittel des Internets basiert darauf. Misst man ausschließlich Websites, die mit einem Web-CMS umgesetzt wurden, sind es sogar 60 Prozent. Ausgenommen davon sind reine HTML/CSS-Seiten. Zum Vergleich: Hinter WordPress folgt auf Platz 2 die Anwendung Joomla mit einer Verbreitung von etwa 5 Prozent.

Quelle w3techs.com

Tab. 01 Quelle w3techs.com

Diese Reihenfolge soll nicht heißen, dass enorme Marktanteile automatisch mit einer hohen Qualität gleichzusetzen sind. Doch irgendwas muss schon dran sein. Für uns stellt sich die Frage, ob auch was dran ist für die Veröffentlichung von strukturiertem Inhalt für Technische Dokumentationen. Genau darum geht es in diesem Beitrag und zwei weiteren, die in den nächsten Ausgaben folgen.

Starten wir zunächst mit einem Überblick, zum Beispiel wie ist WordPress aufgebaut und wer steht dahinter. Der nächste Beitrag dreht sich um die klassischen Ausgabekanäle. Darin zeigen wir, wie WordPress als System für Web und Print benutzt werden kann – ganz nach dem Motto „Content first“. Und daran anschließend widmen wir uns der Sprachausgabe und wie sich mit WordPress so genannte Progressiv Web Apps erzeugen lassen (Abb. 01).

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Abb. 01 Mit diesen kostenlosen Erweiterungen können mit WordPress offline laufende Apps erstellt werden. Quelle Haeme Ulrich

Aus Cafeblog wird WordPress

WordPress gehört zu den älteren Web-CMS. Im Jahr 2003 haben Matt Mullenweg und Mike Little WordPress als Open-Source-Zweig der freien Bloggersoftware „b2/cafelog“ veröffentlicht. WordPress ist weiterhin im Open-Source-Bereich verankert und Matt Mullenweg steht mit seiner Firma Automattic (https://automattic.com/) immer noch maßgeblich hinter WordPress. Hinzugekommen ist eine weltweite Community von unabhängigen Entwicklern – einzelne Personen oder ganze Agenturen. Auch Google hilft mit bei der Entwicklung. Aktuell arbeiten Google und Automattic an einem Redaktionssystem auf WordPress-Basis. Es hört auf den Namen „Newspack“ (https://newspack.blog/).

Zwei ganz unterschiedliche Plattformen

Wer nach WordPress sucht, findet an vorderer Stelle meist Einträge zu WordPress.com. Hinter dieser Internetseite steht Auttomatic mit kommerziellen Dienstleistungen rund um WordPress. Im Gegensatz dazu geht es bei WordPress.org um die Open-Source-Geschichte, um Entwicklung, Testing und Community.

WordPress.com bietet auch Managed Hosting an. Das heißt, man kann dort seine eigenen Seiten betreiben und die WordPress-Expertise von Automattic nutzen. Die meisten WordPress-Seiten laufen jedoch bei anderen Anbietern. Diese holen die Open-Source-Software bei WordPress.org und stellen sie über eine einfache Installation ihren Kunden zur Verfügung (Abb. 02). Wir selbst nutzen ausschließlich WordPress.org, damit wir die vollständige Kontrolle über Installationen, Erweiterungen und Datenbanken haben.

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Abb. 02 Über einfache Installer lässt sich bei den meisten Hostern WordPress mit einem Mausklick installieren; hier am Beispiel SiteGround. Quelle Haeme Ulrich

Mehr als Blogging

Es gibt immer noch Stimmen, die WordPress ausschließlich als Blog-Software bewerten. Das Bild ist aber nicht vollständig. Mit den so genannten Custom Post Types ist mit WordPress fast alles möglich, was das Internet zu bieten hat: Einfache Seiten für den Mittelstand, umfangreiche Webauftritte für internationale Konzerne und leistungsfähige Newsportale. Auch E-Commerce ist machbar. Automattic bietet mit „WooCommerce“ eine beliebte Shop-Erweiterung für WordPress.

Vom Adobe-Blog (theblog.adobe.com) über die Website vom Weißen Haus (whitehouse.gov) bis zu Microsites der Sparkasse kommt das System zum Einsatz. Auf WordPress und WooCommerce basierende Shops sind hier aufgelistet: https://woocommerce.com/showcase.

Die Idee hinter WordPress

Die Aufbereitung, Bearbeitung und häufig auch die Erstellung von Inhalten geschieht über das Backend von WordPress. Ein gängiger Webbrowser reicht dafür aus. Die Navigation im Backend ist eher ungewohnt und der Open-Source-Idee geschuldet. Das Backend ist nicht grundlegend unlogisch, aber einfach anders als Interfaces kommerzieller Anwendungen. Beim Editor ist mit Version 5.0 sehr viel passiert: Der neue Gutenberg-Editor basiert auf responsiven Blöcken (Abb. 03). Für unterschiedliche Elemente wie Titel, Absatz, Bild und Videos sind bereits Blöcke vorhanden. Dritthersteller können eigene Blöcke beisteuern. Beim Erstellen von Inhalten wird Block an Block gereiht und bei Bedarf über Drag and Drop verschoben. Wer lieber mit einer klassischen Anwendung arbeitet: Es sind zahlreiche Desktop-Texteditoren mit Schnittstellen zu WordPress vorhanden.

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Abb. 03 Der neue „Gutenberg-Editor“ in WordPress; über „Blocks” kann sehr einfach Inhalt zusammengestellt werden. Quelle Haeme Ulrich

Personen und Abläufe organisieren

WordPress kennt Benutzer, die Gruppen mit unterschiedlichen Rechten zugewiesen werden können. Wem die Rechteverwaltung nicht ausreicht, kann auf Erweiterungen (Plug-ins) von Drittherstellern zurückgreifen und ein beliebig komplexes Rechtesystem aufbauen.

Prozesse zur Erstellung und Veröffentlichung von Inhalten sind in WordPress kaum vorgesehen. Es gibt einen Review-Status für Inhalte. Doch leider fehlen Push-Infos oder E-Mail-Nachrichten sowie Aufgabenlisten, die angemeldete Benutzer abarbeiten können. Und es fehlt eine Übersicht über die unterschiedlichen Stati von Inhalten. Doch auch hier gilt: Wer will, bedient sich im unendlich großen Ökosystem rund um WordPress. Lösungen wie PublishPress.com managen die komplette redaktionelle Kollaboration auf Basis von WordPress.

Weltweite Gemeinschaft

Auffallend gut ist die Community rund um WordPress organisiert. Eine zentrale Rolle hat der Open-Source-Gedanke, gemeinsam weiterzukommen. Zahlreiche Blogs berichten regelmäßig über WordPress. Einer der größten ist wpbeginner.com in englischer Sprache. Auch wir bringen regelmäßig Text- und Videobeiträge über WordPress auf publishingblog.ch.

Der tägliche Austausch von WordPress-Anwendern geschieht über öffentliche Slack-Gruppen. Dort bietet man sich gegenseitig Hilfe an, auch der Austausch von Tipps und sogar die Vergabe von Aufträgen finden dort statt. Hinzu kommen Treffen auf der ganzen Welt – ganz analog. In jeder größeren Stadt finden in der Regel monatlich „WordPress Meetups“ statt. Eine regionale Liste von Meetups steht im Dashboard von WordPress (Abb. 04). Einmal pro Jahr gibt es in den meisten Ländern auch Community-Treffen. Wer es noch größer mag, besucht eines der internationalen Camps wie das „WordCamp Europe“

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Abb. 04 Das WordPress Dashboard zeigt, wo sich Anwender und Experten treffen. Quelle Haeme Ulrich

Der technische Unterbau

Wie die meisten Web-CMS basiert auch WordPress auf der Web-Programmiersprache PHP und einer MySQL-Datenbank. Wo dies nicht reicht, werden mit WordPress auch spezielle CMS gebaut. Dabei wird die Inhaltsverwaltung in WordPress vorgenommen, während für die Darstellung im Web andere oder gar eigene Systeme und Technologien eingesetzt werden.

Die Architektur des Systems

„WordPress hat so wenig Funktionen“, hört man immer wieder. Und: „Da sind andere Systeme viel weiter ausgebaut.“ Das stimmt, ist jedoch nur die halbe Miete. In der Tat ist es so, dass der Kern von WordPress nur Funktionen enthält, die die meisten Webseiten nutzen. Was nicht Standard ist, kommt nicht in den Kern. Es kann aber über Plug-ins hinzugefügt werden. Diese Idee ist der Grundstein des Erfolgs: Der Kern bleibt so klein wie möglich. Spezifische Funktionen lassen sich auf die Bedürfnisse des jeweiligen Anwendungsfalls anpassen.

Nahezu alle Wünsche können mit Plug-ins abgedeckt werden. Aktuell umfasst das offizielle Verzeichnis über 55.000 unterschiedliche Erweiterungen. Dahinter stehen Dritthersteller mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen. Teilweise sind die Plug-ins kostenlos. Dann gibt es welche, die in der Basisversion frei verfügbar sind und als eine kostenpflichtige Pro-Version angeboten werden. Und schließlich sind Plug-ins rein kommerziell verfügbar. Wer in diesem Angebot nicht fündig wird, entwickelt eigene Erweiterungen oder lässt sie durch eine der unzähligen WordPress-Schmieden programmieren.

Mit Vorlagen ins Netz

Die komplette Web-Ausgabe aus WordPress wird über Templates geregelt. WordPress bringt eigene Templates mit, zudem existieren tausende offizielle „Themes“. Dabei handelt es sich um Template-Sammlungen, die Aussehen und teilweise auch Funktionen für komplette Websites zusammenfassen. Wer eigene Templates bauen will, musste bislang in der PHP-Programmierung sattelfest sein. Diese Hürde wird durch einen so genannten „Theme Builder“ mit grafischer Oberfläche immer niedriger.

WordPress ist konzipiert für die Erstellung und Ausgabe von Internetseiten. Weil Inhalt strukturiert in der zugrundeliegenden MySQL-Datenbank verwaltet wird, kann er in weitere Ausgabekanäle ausgeleitet werden. Zu den spannendsten gehören Apps (Progressive Web Apps), automatische E-Mail-Newsletter, Beiträge auf Social Media, InDesign-Layouts für Print oder die direkte Konvertierung zu PDF.

Chancen für das Publishing

Für alle Kanäle sind bereits entsprechende Plug-ins verfügbar, die meisten sogar kostenlos. Zudem hat der Hersteller EmSoftware für Ende 2019 ein Plug-in für Adobe InDesign angekündigt. Damit lassen sich Adobe InDesign und WordPress bidirektional verbinden. So entsteht aus dem beliebtesten Web-CMS mit etwas Initialaufwand und Cleverness ein echtes Multi-Channel-System nach „Content First“-Strategie.

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