Die Maschinenrichtlinie wird zur Verordnung

Text: Gregor Schäfer

Welche Normen entstehen derzeit? Welche Entwicklungen betreffen die Technische Redaktion? Darauf antwortet Dr. Claudia Klumpp, stellvertretende Geschäftsführerin der tekom und dort zuständig für die Normungsarbeit. Vor Kurzem hat sie für ihr Engagement eine Auszeichnung erhalten.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 04:48 Minuten

Gregor Schäfer: Herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung. Wofür wird sie vergeben?

Claudia Klumpp: Dankeschön! Das ist ein Award der IEEE Standards Association. Er ist eine Anerkennung meiner Leistung als Leiterin einer Arbeitsgruppe mit Experten aus mehreren Normungsorganisationen. In der Arbeitsgruppe wurde die IEC/IEEE 82079-1 überarbeitet. Die Organisationen ISO und IEC waren schon bei Edition 1 beteiligt, IEEE ist neu hinzugekommen. Das Interesse von drei so großen internationalen Normungsorganisationen zeigt, wie wichtig die Technische Kommunikation inzwischen geworden ist.

Warum engagiert sich die tekom in der Normung und was hat das Engagement bisher gebracht?

In der Satzung steht, dass die tekom die Technische Kommunikation weiterent­wickelt und sich für deren Qualität und die Erhöhung ihres Stellenwerts in Wirtschaft und Öffentlichkeit einsetzt. Die Normung ist dafür ein sehr guter Weg.

Ich hoffe, dass unsere Mitglieder Edition 2 der 82079-1 als Verbesserung empfinden. Natürlich ist noch Luft nach oben, aber Normung ist immer ein Konsensprozess. Daher schreibe ich schon an einer Liste, was man bei der nächsten Überarbeitung noch besser machen kann. Ein ganz wichtiger Aspekt ist die Tatsache, dass die Norm den Status einer Horizontalnorm hat. Das bedeutet, dass andere Normungsgremien die 82079-1 beachten müssen. Etwa Gremien, die Normen zu bestimmten Produkten entwickeln. Ein Beispiel: Zurzeit wird in der Softwaredokumentation die ISO/IEC 26514 überarbeitet. Das ist die Hauptnorm einer ganzen Normenreihe für Softwaredokumentation. Besonders positiv: Es wird Bezug auf die 82079-1 genommen. Das bedeutet, dass die grundlegenden Prinzipien und Prozesse aus der 82079-1 natürlich auch in der Softwaredokumentation gelten, und die Softwaredokunorm gibt vor, was bei Nutzungsinformationen im Bereich Software zusätzlich zu beachten ist.

Dr. Claudia Klumpp ist seit 2013 bei der tekom beschäftigt. Seit 2020 ist sie stellvertretende Geschäftsführerin des Fachverbands. Die promovierte Juristin ist Mitglied in zahlreichen nationalen und internationalen Normungsgremien, teilweise in leitender Funktion. In der tekom verantwortet sie den Bereich Recht und Normen. Außerdem unterrichtet sie an der Hochschule Karlsruhe als Dozentin für rechtliche Grundlagen und Normen.
c.klumpp(at)tekom.de, www.tekom.de

Welche Normenprojekte laufen derzeit?

Neben der ISO/IEC 26514 überarbeitet das Normungsgremium noch andere Normen wie die ISO/IEC/IEEE 26531 für Content
Management. Auch mit der internationalen Norm für die Terminologie der Technischen Kommunikation, ISO WD 24183, kommen wir gut voran. Die Basis für dieses Normungsprojekt kam übrigens aus der tekom Terminologie-Datenbank. Sie ist auch regelmäßig Thema in dieser Zeitschrift. Darüber hinaus sehe ich vermehrt auch internationale Normungsprojekte im Bereich Sprache, zum Beispiel ‚controlled written communication‘ und ‚einfache Sprache‘. Für die Norm zur ‚einfachen Sprache‘ wird es sehr wahrscheinlich auch eine deutsche Version geben.

Aus Großbritannien erwarten wir zurzeit einen neuen Projektvorschlag für einen weiteren Teil der 82079-Normenreihe für Produkte zur Selbstmontage. Und in Deutschland arbeitet das Spiegelgremium für die 82079-Reihe gerade an dem Entwurf für ein neues internationales Normungs­projekt für einen weiteren Teil zur 82079. Dieser Teil soll den Fachbericht 146 ablösen.

Das war nur ein Ausschnitt. Aber ich denke, dass man daran deutlich sieht, dass sich etwas tut.

Was davon kommt 2021 auf die Technische Redaktion zu?

Auf jeden Fall die lang erwartete DIN EN IEC/IEEE 82079-1. Die Normungsprojekte, die ich bereits erwähnt habe, werden nicht vor 2022 veröffentlicht. Dafür wird die neue Medical Device Regulation zum 26. Mai 2021 in Kraft treten, mit einem Jahr Verspätung. Torsten Gruchmann und Roland Schmeling, zwei Experten aus dem tekom-Beirat für Recht und Normen, arbeiten mit Kollegen und unter Volldampf an einem Praxisleitfaden für die MDR. Das freut mich besonders.

Welches Projekt dürfte die Technische Redaktion am stärksten beeinflussen?

Langfristig dürfte es die Überarbeitung der Maschinenrichtlinie sein, auch wenn sie 2021 noch nicht verabschiedet wird. Schon jetzt ist klar, dass es sich zukünftig um eine Verordnung handelt. Damit hätte die neue Maschinenverordnung direkte Gültigkeit in allen Mitgliedsstaaten. Spannender ist aber, dass die ‚Bereitstellung von Nutzungsinformationen in elektronischer Form‘ endlich als wichtiges Thema wahrgenommen wird. Die bisherige Maschinenrichtlinie trifft zur Bereitstellungsform keinerlei Aussage, sondern nur der Guide. Dieser ist aber rechtlich nicht bindend.

Anfangs sah es noch so aus, als ob die Europäische Kommission nur den Guide ändern wolle. Der erste Entwurf der Verordnung spricht aber dafür, dass das Thema nun in der Verordnung selbst geregelt werden soll. Wenn man bedenkt, dass die Maschinenrichtlinie als CE-Richtlinie große Strahlkraft auf andere CE-Richtlinien hat, könnte das einen Paradigmen-Wechsel ankündigen. tekom Europe hat übrigens an den Stakeholder Feedback-Runden und Public Consultations der Europäischen Kommission zur Überarbeitung der Maschinenrichtlinie teilgenommen. Dort haben wir immer betont, wie wichtig Nutzungsinformationen sind, und haben eine Regelung für die Bereitstellung in elektronischer Form gefordert. Auch haben wir mit Vertretern aus anderen Verbänden zusammen ein Positionspapier erstellt. Dass unser Thema endlich in Brüssel wahrgenommen wird, sehe ich mindestens als Teilerfolg an.

"Die 'Bereitstellung von Nutzungsinformationen in elektronischer Form' wird endlich als wichtiges Thema wahrgenommen."

Wie unterstützt die tekom ihre Mitglieder?

Allen voran muss ich hier unseren Expertenrat nennen. Der Expertenrat ist für Mitglieder kostenlos. Matthias Schulz ist der Experte für den Bereich Normen, Rechtsanwalt Jens-Uwe Heuer-James für den Bereich Recht. Darüber hinaus haben wir auf tekom.de unter ‚Technische Kommunikation – das Fach‘ viele Informationen zu den wichtigsten Normen zusammengetragen. Zur IEC/IEEE 82079-1 ist sogar ein Podcast abrufbar. Einen umfassenden Leitfaden zur Umsetzung der IEC/IEEE 82079-1 haben wir auch erstellt. Und das Besondere daran: Alle Autoren haben an der Überarbeitung der Norm auf nationaler oder sogar auf internationaler Ebene mitgewirkt.

Und was dürfen tekom-Mitglieder 2021 erwarten?

Bereits im letzten Jahr haben wir mit einem neuen Format angefangen – den Whitepapers. Die Whitepapers sind für Mitglieder kostenlos und fassen die wichtigsten Fakten zu einem Thema zusammen. Als Nächstes wird ein Whitepaper zum Thema ‚Von der Risikobewertung zum Sicherheits- und Warnhinweis‘ veröffentlicht. Auch hier sind die Autoren alle Experten aus dem Beirat für Recht und Normen.

Zum Schluss möchte ich ein großes Dankeschön sagen. Die ehrenamtlichen Experten im Beirat für Recht und Normen und im tekom Europe Advisory Board for Legislation and Standards arbeiten mit viel Engagement und Herzblut für die Sache. Man kann kaum abschätzen, wie viele Stunden wir im vergangenen Jahr in Webmeetings mit der Erstellung von Stellungnahmen für die Europäische Kommission, dem Kommentieren von Normungsprojekten und in Normungssitzungen verbracht haben. Herzlichen Dank an Euch alle!
Vielen Dank für das Gespräch.

 

 

 

Interview mit Dr. Claudia Klumpp.