Vernetzen statt verwickeln

Text: Astrid Radloff

Die Technische Redaktion muss mit ausländischen Niederlassungen, Importeuren oder auch Dienstleistern kommunizieren. Etwa dann, wenn eine Betriebsanleitung für ein Land angepasst werden muss. Die richtige Kommunikation ist dabei nicht nur eine Frage der Sprache.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 06:42 Minuten

Hat ein Unternehmen internationale Standorte, gehört die länderübergreifende Zusammenarbeit zum Alltag. Die Zusammenarbeit betrifft das Unternehmen selbst, möglicherweise auch seine Dienstleister. Die Aufgabe kann etwa die Erstellung Technischer Dokumentation sein, wenn ein deutscher Hersteller diese an Kunden in anderen Ländern ausliefert. Dann gilt es, sich mit Niederlassungen oder auch Sprachdienstleistern zu verständigen – gute Gründe also, ein internationales Projekt zu starten.

Ziel dieses Beitrags ist die praktische Unterstützung eines Projekts, dessen Teilnehmer auf der ganzen Welt verstreut sind. Die beschriebenen Erfahrungen sind eine Zusammenstellung aus dem eigenen Berufsalltag.

Die Vorteile erkennen

Ein internationales Projekt ist eine besondere Herausforderung für alle Teilnehmer, zugleich bietet es Vorteile gegenüber einem Projekt an nur einem Standort. Hervorzuheben sind Fachwissen und technologische Möglichkeiten über die eigenen Landesgrenzen hinaus, außerdem eine breitere Perspektive und ein größerer Kreis an Projektteilnehmern. Zu den größten Herausforderungen gehört die oftmals hohe Komplexität. Außerdem gilt es, das kulturelle, politische, rechtliche und wirtschaftliche Umfeld zu berücksichtigen. Die Komplexität wirkt sich auf sämtliche Projektebenen aus, von der gemeinsamen Sprache bis hin zu den lokalen Eigenheiten eines Landes, etwa Währung, Im- und Exportbedingungen sowie Zölle.

Wie kann man ein internationales Projekt meistern? Was ist für die Zusammenarbeit nötig? Zwölf Empfehlungen aus der Praxis machen den Anfang einfacher.

1. Einer hat das Sagen

Keine Besonderheit für ein internationales Projekt, aber auch hier unerlässlich ist ein Projektmanager. Er organisiert, hält das Team zusammen und fällt bei Bedarf die Entscheidungen. Außerdem ist er die Schnittstelle für die verschiedenen Belange, die sich aus der Internationalität ergeben. Daher gehören Einfühlungsvermögen in die verschiedenen Kulturen und ein auf sie angepasstes Auftreten zu den gefragten Eigenschaften des Projektmanagers. Damit erst gar keine Sprachbarrieren auftreten, sind Sprachkenntnisse und gute Ausdrucksweise große Vorteile. Von Beginn an bezieht der Projektmanager das Controlling ein und hält Ressourcen und Finanzen im Blick.

2. Gleiche Basis für alle

Dass alle Teammitglieder beim Start alle wichtigen Projektinformationen kennen und auf dasselbe Ziel hinarbeiten, entscheidet über jeden Projekterfolg. Bei einer internationalen Zusammensetzung ist besonders darauf zu achten, dass die relevanten Daten an alle Beteiligten weitergegeben und nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden.

Bereits vor dem Projektbeginn dient ein gemeinsames Kick-off-Meeting dazu, dass sich die Projektteilnehmer vorstellen und eine gemeinsame Arbeitsweise vereinbaren. In der Vorstellungsrunde kann jeder neben den für das Projekt wichtigen Informationen zur eigenen Person auch persönlich wichtige Anliegen formulieren. Das kann etwa die Bitte sein, zu einer bestimmten Uhrzeit kulturellen Verpflichtungen wie dem Mittagsgebet nachzukommen oder Fastenzeiten einhalten zu können.

Zudem sind die Arbeitssprache und ein zentraler Ablageort für Unterlagen zu klären. Der Projektmanager macht dafür Vorschläge, das Vorgehen wird im Kick-off besprochen. Dabei gilt es, die Datenschutzanforderungen der verschiedenen Länder zu berücksichtigen. Falls nötig sollten Vereinbarungen zu Geschäftsgeheimnissen getroffen und schriftlich festgehalten werden. Weiterhin empfiehlt es sich, einen gemeinsamen Verteiler für E-Mails anzulegen. An ihn werden wichtige Informationen geschickt, so dass jeder Projektteilnehmer zeitnah erreicht wird.

Das gemeinsame Kick-off hat zudem die Aufgabe, dass sich die Beteiligten kennenlernen und gegenseitig Vertrauen aufbauen. Auch bei größerer räumlicher Distanz sollte man zumindest einmal alle Gesichter gesehen und die Stimmen gehört haben.

3. Die Zeit im Blick haben

Um alle Beteiligten mit Basisinformationen zu versorgen, kann es nötig sein, Daten an Landesspezifikationen anzupassen, etwa Maßeinheiten umzurechnen oder unterschiedliche Zeitzonen zu bedenken. Negativbeispiel für einen denkbar schlechten Start ist ein Webmeeting, dessen Zeitpunkt für den Organisator passt, für die übrigen Teilnehmer aufgrund der Zeitverschiebung aber außerhalb der regulären Arbeitszeit liegt.

Eine nach deutscher Zeit nachmittags angesetzte Besprechung rutscht bei sechs Stunden Zeitunterschied in Schanghai in den Abend. Projektteilnehmer in den USA, etwa in Iowa, starten hingegen erst in den Arbeitstag. Dort ist es um 16 Uhr unserer Zeit neun Uhr morgens.

Um alle Teilnehmer für ein Treffen zu vernetzen, gilt es zu klären, ob der Kollege aus Schanghai ausnahmsweise abends Zeit hat. Alternativ finden die Abstimmungen in kleineren Runden statt. Damit die Wissensweitergabe aus dem einen in den anderen Kreis gelingt, wird am besten ein Mitarbeiter bestimmt, der grundsätzlich für die Weitergabe zuständig ist.

4. Kultur berücksichtigen

„Andere Länder, andere Sitten“ heißt es. Was leicht gesagt ist, kann in einem internationalen Projekt eine richtige Hürde sein. Unmut ist vorprogrammiert, wenn Projektteilnehmer aus einem Land, in dem großer Wert auf Pünktlichkeit gelegt wird, zur vereinbarten Zeit eingeloggt sind, andere hingegen auf sich warten lassen, weil sie ein paar Minuten nach der Zeit als ausreichend pünktlich betrachten. Ärger droht auch bei Termineinladungen, wenn der Absender nicht auf die kulturelle Bedeutung von Tageszeiten achtet.

Sich im Vorfeld mit der Kultur der anderen Teilnehmer zu beschäftigen und zumindest die wesentlichen Unterschiede zu berücksichtigen, zeugt von gegenseitigem Respekt und vereinfacht die Zusammenarbeit ungemein. Ein Beispiel aus einer Zeit, als man sich häufiger persönlich getroffen hat: Bei der Begrüßung bleibt das Händeschütteln aus. Das ist keine Beleidigung, vielmehr handelt es sich um Zurückhaltung, etwa in Russland. Einen guten und schnellen Überblick über kulturelle Besonderheiten geben Reiseführer.

Bei Bedarf kann es ratsam sein, spezialisierte Länderexperten hinzuzuziehen. Sie kennen sich aus, auch mit politischen Machtverhältnissen, und helfen, in schwierigen Situationen einen gemeinsamen Weg zu finden.

5. Unterschiede bereichern

Andere Sichtweisen zu berücksichtigen, mag auf den ersten Blick anstrengend sein, ist oft aber ein Gewinn. Schließlich eröffnen sich neue Perspektiven. Wichtig ist, sich schon zu Beginn der Zusammenarbeit darüber auszutauschen, was die Teammitglieder voneinander erwarten, und sich aufeinander einzulassen. Im Kick-off-Meeting sollte jeder ein, zwei Sätze dazu formulieren. So weiß jeder, woran er ist.

6. Barrieren überwinden

Eine grundsätzliche Frage ist die nach der Sprache, die im Projekt gesprochen wird. Als Arbeitssprache bietet sich Englisch an, Dokumente werden aber in der jeweiligen Landessprache ausgetauscht. Wird im Projekt etwa eine Betriebsanleitung erstellt, dann wird sie in die Muttersprache eines Teammitglieds übersetzt. Das Mitglied kann dann das Review durchführen. Das bringt zwar zusätzlichen Aufwand mit sich, sorgt aber für eine genauere Lokalisierung und für eine höhere Rechtssicherheit. Letztlich verringert sich sogar der Gesamtaufwand. Gleiches gilt, wenn ein Kollege, der in der Arbeitssprache nicht sicher genug ist, während einer Besprechung von einem versierten Kollegen unterstützt wird.

Neben Differenzen in der gesprochenen Kommunikation sind auch solche in der non-verbalen nicht zu unterschätzen. Während Blickkontakt in Deutschland Aufmerksamkeit bedeutet, kann er beispielsweise in Finnland als unangenehm empfunden werden.

7. Für alle verfügbar

Kein internationales Projekt kommt ohne Tools aus. Alle Teilnehmer müssen sie verwenden können. Welche Anbieter in einem Land zugelassen sind oder nicht, beeinflusst die Auswahl der Software. Was in Deutschland erlaubt ist, kann anderswo verboten sein. Die Abstimmung über Infrastruktur und Tools zählt daher mit zu den ersten Schritten.

Neben dem Kommunikationswerkzeug spielt auch das Redaktionssystem eine wichtige Rolle. Die Systeme sollten idealerweise gleich oder zumindest kompatibel sein. Das vermeidet umständliches und fehleranfälliges Ausleiten, um eine Betriebsanleitung zu bearbeiten und sie anschließend zurückzuspielen.

8. Verbindlich planen

Ein aktueller Projektplan ist das Mittel, mit dem sich das Wissen bündeln und allen Beteiligten zugänglich machen lässt. Der Plan enthält die Basisdaten und wird regelmäßig entsprechend dem Kommunikationsfluss aktualisiert. Gepflegt werden kann er von einem Bearbeiter oder von allen Beteiligten gemeinsam. Alle Projektteilnehmer sollten mindestens lesenden Zugriff haben.

Weiterhin kann der Projektplan (Beispiel in Abb. 01) den Ressourcen- und Finanzplan enthalten. Oder dieser ist als eigenständiges Dokument angelegt. Ein Ressourcenplan, stets auf neuem Stand, ist für das Controlling unverzichtbar.

Die für das Controlling wichtigen Daten können im Reiter „Kostenschätzung“ erfasst und laufend angepasst werden (etwa Budget, Mitarbeiter-Ressourcen und Anschaffungskosten für Soft- und Hardware).

Beispiel eines Projektplans.

Abb. 01 Beispiel für einen einfachen

9. Offene Punkte erkennen

Um alle Punkte, die noch zu erledigen sind, auf einen Blick parat zu haben, hat sich eine „Liste offener Punkte“ (LOP) bewährt. Diese Liste ist idealerweise in den Projektplan integriert, beispielsweise als eigener Reiter in einer Excel-Liste. Folgende Angaben sollten dazu gemacht werden: Thema, offene Fragestellung, To-Do, Zuständigkeit, Termin und Status (offen oder erledigt).

10. Persönlich austauschen

Auch der beste Projektplan ersetzt nicht das Gespräch. Insbesondere wenn verschiedene Kulturen zusammenspielen müssen, kann es zu Missverständnissen kommen. Im direkten Austausch lassen sich diese am besten klären oder womöglich entstehen erst gar keine.

In regelmäßigen Statusmeetings tauschen sich die Beteiligten kurz über den aktuellen Stand des Projektes und möglicher Unterprojekte aus.

11. Streit schlichten

Wie bei allen anderen Projekten ist es auch bei einem internationalen wichtig, Konflikte frühzeitig zu erkennen und sachlich zu klären. Bei einem internationalen Team kommt dazu, auf die Kultur der Teilnehmer zu achten.

12. Rücksicht nehmen

Aufeinander Rücksicht zu nehmen, ist in jeglicher Zusammenarbeit wichtig und kann in einem internationalen Projekt herausfordernd sein. Zugleich kann man ein solches Projekt als Geschenk betrachten, das sich die Teilnehmer gegenseitig machen. Schließlich kann jeder neues Wissen sammeln, eigenes prüfen und Erfahrungen mit anderen Kulturen machen.

Zwei Schritte machen

Durch die Corona-Pandemie ändert sich der Stellenwert vernetzter Zusammenarbeit im Unternehmen sowie mit den Partnern im Ausland. Im ersten Schritt muss das Unternehmen seine Kommunikation mit zuverlässigen Werkzeugen und Plattformen sowie verständlichen Regeln internationalisieren. Im zweiten Schritt gilt es, die Kommunikation zu lokalisieren und an die Anforderungen im jeweiligen Land anzupassen. In der Technischen Redaktion steckt das Fachwissen, um beide Schritte zu schaffen.

Die Technische Redaktion im Gespräch mit ausländischen Partnern, zum Beispiel einer Niederlassung.