Informationen mit Schutzmechanismus

Text: Matthias Schulz

Maschinen und Anlagen verfügen über Schutzeinrichtungen und Sicherheitsfunktionen. Dazu muss etwas in der Betriebsanleitung stehen. Die Norm EN ISO 20607 rundet die Anforderungen in bestehenden Normen ab. Doch mit ihrer Anwendung gibt es noch wenig Erfahrung.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 07:01 Minuten

Wenn es um „sicherheitsbezogene Informationen“ in Betriebsanleitungen geht, sprechen wir meist nur über Sicherheits- und Warnhinweise. Zu den sicherheitsbezogenen Informationen gehören jedoch auch andere Elemente. Diese helfen, den sicheren Dauerbetrieb eines Produktes zu gewährleisten oder auch Unfälle zu vermeiden.

Ein bedeutendes Thema im Maschinenbau ist die Beschreibung von Schutzeinrichtungen sowie Informationen zur Prüfung und Instandhaltung der Schutzeinrichtungen und der ihnen zugeordneten sicherheitsbezogenen Steuerkreise. Jeder Schutzeinrichtung sind eine oder mehrere Sicherheitsfunktionen zugeordnet. Zum Beispiel haben feststehende Abdeckungen oder Schutzzäune trotz ihres passiven Charakters eine Funktion: Sie verhindern den Zugriff oder Zutritt zu einem Gefahrenbereich und sollen in vielen Fällen gleichzeitig herausgeschleuderte Teile zurückhalten. Manche Abdeckung soll sogar außer Kontrolle geratene Maschinenteile stoppen. Komplexer sind sicherheitsbezogene Steuerungsfunktionen wie zum Beispiel eine Zustimmeinrichtung. Sie ermöglicht es, trotz einer offenen Schutzeinrichtung (Tür, Deckel) eine gefährliche Bewegung auszuführen, etwa um einen Arbeitsablauf einrichten zu können.

Warum müssen Informationen über Schutzeinrichtungen in die Betriebsanleitung aufgenommen werden? Gibt es konkrete Anforderungen dazu, was ein Technischer Redakteur angeben sollte? Und wie kann man die Anforderungen sinnvoll umsetzen?

Anforderungen nach der Normung

EN ISO 12100 enthält die Anforderung nach einer Beschreibung aller Schutzeinrichtungen der Maschine (Abs. 6.4.5.1 c). Doch die Anforderung ist in der Norm derart allgemein formuliert, dass sie bisher kaum sinnvoll umgesetzt wurde. Die neu erschienene EN ISO 20607 „Sicherheit von Maschinen – Betriebsanleitung – Allgemeine Gestaltungsgrundsätze“ greift dieses Thema auf und bringt Informationen zu den Schutzeinrichtungen primär mit der Montage, Inbetriebnahme und Instandhaltung von Maschinen in Verbindung.

In Abschnitt 5.2.5.4 heißt es zur Inbetriebnahme: „Die Betriebsanleitung muss Angaben zu Verfahren zum Prüfen und Testen der Sicherheitssysteme enthalten. Falls erforderlich, müssen für Maschinen, bei denen die Überprüfung der Installation nicht durch den Hersteller oder unter der Verantwortung des Herstellers durchgeführt wird, Angaben zu Verfahren zum Prüfen der ordnungsgemäßen Installation gemacht werden. Jede sicherheitsrelevante Prüfung muss wie folgt beschrieben werden:

  • was geprüft werden muss;
  • wie geprüft werden muss;
  • Kriterien für die Annahme/Ablehnung;
  • erforderliche Maßnahmen im Fall der Ablehnung.“

Abschnitt 5.2.6 fordert zusätzlich, so genannte „sicherheitsbezogene (Einstellungs-)Parameter“ anzugeben. Dies können zum Beispiel Sicherheitsabstände von sensorischen Schutzeinrichtungen zum Gefahrenbereich sein, Rücksetzzeiten oder auch Maximalgeschwindigkeiten und -drehzahlen.

In Verbindung mit dem Betrieb der Maschine wird in Abschnitt 5.2.7 gefordert, Illustrationen aufzunehmen, „die wichtige Funktionen und risikomindernde Maßnahmen verdeutlichen“. Mit anderen Worten: Die Schutzeinrichtungen sollen genannt und soweit möglich auch abgebildet werden. Die Sicherheitsfunktionen sollten beschrieben werden.

Für die Instandhaltung sind zusätzlich erforderlich: „die Spezifikation der Ersatzteile, insbesondere jener, welche die Sicherheit der Maschine beeinflussen“ (EN ISO 20607 Abs. 5.2.9). Dies bezieht sich zunächst auf Komponenten, die als Sicherheitsbauteile dienen wie Sicherheitsventile und Sicherheitstürschalter. Doch in Verbindung mit Sicherheitsfunktionen können viele andere Bauteile ebenfalls entscheidend sein, zum Beispiel Befestigungsmittel. Auch zu all diesen Teilen müssen Informationen geliefert werden. Sie sind nötig, um ein Ersatzteil zu beschaffen, das die Sicherheitsfunktion aufrechterhält.

Schließlich wird in Abschnitt 5.2.9 sogar die Beschreibung von steuerungstechnischen Sicherheitsfunktionen direkt gefordert, etwa für Funktionen zur „Energiesteuerung [z. B. Trennung, Ableitung und/oder Arretierung (Einschluss), Kennzeichnung und Wirkungsbereich von Steuerungsfunktionen]“. Dazu werden in Abschnitt 5.2.13 auch noch „sicherheitsrelevante Dokumente, Zeichnungen, Datenblätter und Erklärungen“ verlangt.

Vergleicht man diese Anforderungen mit den Aussagen in EN ISO 13849-1, der Norm für sicherheitsbezogene Steuerungsfunktionen, ergibt sich ein Gesamtbild. Allerdings kann dies Technische Redakteure überfordern. Die Norm fordert in Kapitel 11 „Benutzerinformation“ etwa Folgendes zu den Sicherheitsfunktionen einer Maschine anzugeben:

  • Die Grenzen der sicherheitsbezogenen Teile, auch in Bezug auf so genannte „Fehlerausschlüsse“; dies bezieht sich vor allem auf Haltbarkeitsgrenzen und somit Informationen zum Austausch, zur Instandhaltung und Reparatur solcher Teile.
  • Beschreibungen der Schnittstellen zu sicherheitsbezogenen Teilen der Steuerung und zu Schutzeinrichtungen; dies könnte zum Beispiel eine Schnittstellenbeschreibung zum Austausch von Not-Halt- und Start/Stopp-Signalen mit anderen Maschinen betreffen.
  • Informationen zur Ansprechzeit, zum Muting, zu den Betriebsarten, den erreichten Performance-Leveln und Steuerungskategorien nach EN ISO 13849-1
  • Anleitungen und Checklisten für Testung und Instandhaltung

Platz in der Betriebsanleitung

Wozu und wo sollen all diese Details in die Betriebsanleitung eingefügt werden? Zunächst lassen sich die Forderungen dem Zweck nach in zwei Gruppen einteilen:

  • Solche, die der sicheren Verwendung der Maschine und der Schutzeinrichtungen dienen.
  • Solche, die für die Überprüfung vor der Erst- oder Wiederinbetriebnahme und der Instandhaltung dienen.

Entsprechend diesen zwei Hauptzwecken kann man die Informationen verschiedenen Zielgruppen zuordnen. Danach kann man festlegen, in welchen Kapiteln sie eingefügt werden und welchen Umfang sie dort haben sollen (eine Empfehlung zur Aufteilung der Informationen über Schutzeinrichtungen und Sicherheitsfunktionen in der Betriebsanleitung finden Sie in Tabelle 01).

Tabelle mit Informationen für Zielgruppe, Kapitel und Inhalt der Beschreibung.

Tab. 01  Quelle Matthias Schulz

Die Schutzeinrichtungen selbst könnten beschrieben sein:

  • im Kapitel Sicherheit oder
  • im Kapitel Aufbau und Funktion

Dort würde es genügen, folgende Informationen anzugeben:

  • Benennung der Schutzeinrichtung
  • Einbauort
  • Zweck/Funktion (schützt wovor?)

Bedienung von Schutzeinrichtungen

Bei manchen Maschinenarten müssen Schutzeinrichtungen jedoch eingestellt werden, meist um sie an ein Werkstück oder Werkzeug anzupassen. Zusätzlich müssen verriegelte Schutzeinrichtungen bedient werden. Bediener müssen wissen, unter welchen Bedingungen sie die Verriegelung aufheben dürfen, wie sie das erreichen und wie man die Verriegelung nach dem Eingriff wieder aktiviert.

Ähnliches gilt für sensorische Schutzeinrichtungen wie zum Beispiel einen Lichtvorhang oder eine Schaltmatte. Vor einem geplanten Zutritt zum Gefahrenbereich muss die Deaktivierung der Schutzeinrichtung angefordert werden. Nach dem Ansprechen bei unzulässigem Zutritt müssen sensorische Schutzeinrichtungen zurückgesetzt werden. Oft muss die Maschine dabei wieder in einen bestimmten Startzustand gelangen.

All diese Aufgaben sind Teil der Bedienung und/oder Störungsbeseitigung und müssen in den entsprechenden Kapiteln beschrieben werden. Mit anderen Worten: Auch im Kapitel Bedienung wird es Informationen zu den Schutzeinrichtungen geben müssen. Es genügt also nicht, sie nur einmal in der Anleitung zu behandeln.

Prüfen von Schutzeinrichtungen

Die Aufgaben des Betreibers einer Maschine in Bezug auf Schutzeinrichtungen sind so wichtig, dass sie in Deutschland direkt im Gesetz erwähnt werden. Die Betriebssicherheitsverordnung fordert in Artikel 6 Abs. 2: „Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass vorhandene Schutzeinrichtungen und zur Verfügung gestellte persönliche Schutzausrüstungen verwendet werden, dass erforderliche Schutz- oder Sicherheitseinrichtungen funktionsfähig sind und nicht auf einfache Weise manipuliert oder umgangen werden.“ Demnach gibt es eine gesetzliche Verpflichtung, die Schutzeinrichtungen von Arbeitsmitteln wie Maschinen zu prüfen und – wo nötig – instand zu setzen.

Damit der Betreiber das tun kann, benötigt er Informationen des Herstellers der Maschine zum Sollzustand und zu den Sicherheitsfunktionen. Wünschenswert ist daher neben der Beschreibung der Schutzeinrichtungen auch eine hinreichend detaillierte Checkliste zur Prüfung. Solche Informationen gehören eindeutig in den Bereich Instandsetzung. Bereits das Kapitel „Sicherheit“ sollte jedoch auf die Pflicht zur Prüfung von Schutzeinrichtungen und Sicherheitsfunktionen hinweisen und auf die dazu mitgegebenen Detailinformationen im Kapitel „Instandhaltung“ verweisen.

Redaktion als Lückenfüller

Die Beschreibung von Sicherheitsfunktionen stellt Technische Redakteure in der Praxis oft vor eine Herausforderung: Die Quellinformationen stehen nicht zur Verfügung, weil es gerade auf diesem Gebiet oft erhebliche Lücken in den Risikobeurteilungen gibt (die Zusammenhänge zeigt Abbildung 01).

Übersicht über die Zusammenhänge von Schutzeinrichtungen und Sicherheitsfunktionen.

Abb. 01 Zusammenhänge bei der Beschreibung von Schutzeinrichtungen und Sicherheitsfunktionen.  Quelle Matthias Schulz

Sicherheitsfunktionen sind häufig nur rudimentär beschrieben. Zum Beispiel steht in der Risikobeurteilung über eine Schutztürüberwachung als Beschreibung der Schutzmaßnahme nur: „Schutztür mit Sicherheitsschalter“. Hier fehlt ein ganzer Berg von Informationen: Handelt es sich um einen Sicherheitstürschalter mit Zuhaltung? Was genau wird durch die Sicherheitsfunktion ausgelöst? Not-Halt? Welche Achsen müssen anhalten? Welche Funktionen der Maschine bleiben aktiv? Müssen bestimmte Ventile die Versorgung von pneumatischen Antrieben oder eine Kühlschmierstoffzufuhr stoppen?

Seit 2011 sollten alle Maschinenbauer die Sicherheitsfunktionen nicht nur detailliert beschreiben, sondern auch den Nachweis der hinreichenden Zuverlässigkeit durch Berechnung erbringen. So fordern es EN ISO 13849-1 und EN 62061, die beide die Konformitätsvermutung auslösen. Doch noch immer haben Maschinenbaufirmen diese Forderung nicht umgesetzt. Oder die Technische Dokumentation ist löcherig wie ein Schweizer Käse. Insbesondere Funktionsbeschreibungen fehlen regelmäßig. Häufig werden lediglich die Zuverlässigkeitswerte der ausgewählten Bauteile dokumentiert und zum Beispiel mit der Software SISTEMA berechnet. Doch die Felder zur „Dokumentation“ sind in der Software oft gähnend leer. Ohne eine Beschreibung der Sicherheitsfunktion kann man sie aber nicht testen. Technische Redakteure müssen sich daher die notwendigen Informationen oft mühsam zusammensuchen.

Unterstellt man, dass die Quellinformationen zur Verfügung stehen, bleiben immer noch Fragen offen: Wie beschreibt man Sicherheitsfunktionen am besten? Welche Informationen für die Nutzer sind sinnvoll, welche entbehrlich? Ein Beispiel für die Beschreibung der Schutzeinrichtungen im Kapitel Sicherheit und Bedienung finden Sie in Abbildung 02, für die Angaben im Kapitel Instandhaltung in Abbildung 03.

Auszüge aus den Kapiteln für Sicherheit und Betrieb.

Abb. 02 Beispiel für die Beschreibung von Schutzeinrichtungen in den Kapiteln "Sicherheit" (oben) und "Bedienung" (unten).  Quelle Matthias Schulz

Beispiele für Angaben zu Sicherheitsfunktionen.

Abb. 03 Beispiel für die Angaben zu Sicherheitsfunktionen im Kapitel "Instandhaltung". Quelle Matthias Schulz

Verantwortung wahrnehmen

Die Beschreibung von Schutzeinrichtungen und Sicherheitsfunktionen gehört zu den wichtigsten sicherheitsrelevanten Informationen in Betriebsanleitungen. Warum? Weil die Nutzer nur dann vor Gefahren geschützt sind, wenn die Schutzeinrichtungen vollständig sind und wie beabsichtigt funktionieren. Die Funktion kann ohne Beschreibungen nicht verstanden, die Schutzeinrichtung ohne Anleitung nicht sicher bedient und ohne Prüflisten nicht regelmäßig auf Funktion geprüft werden. Auf diesem Gebiet haben Maschinenbauer noch einiges zu tun. 

Technische Dokumentation von Maschinen und Anlagen.