Die Licht- und Schattenseiten

Text: Jasmin Nesbigall

Neuronale maschinelle Übersetzung liefert beeindruckende Ergebnisse, häufig sogar zum Nulltarif. Trotzdem zahlt eine Technische Redaktion einen Preis dafür, der durchaus hoch sein kann.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 14:26 Minuten

Es ist eine Bewegung, die wir viele Male am Tag machen: einen Finger auf den Schalter legen, leichten Druck ausüben und dadurch das Licht anknipsen. Es gehört zu unserem Alltag, wir nehmen es als selbstverständlich wahr, und kaum jemand denkt wahrscheinlich überhaupt darüber nach.

Mit einer sehr ähnlichen Bewegung bedienen wir eine Maus, um Programme auf unserem PC zu starten oder drücken auf den Knopf der Kaffeemaschine, um das gewünschte Getränk zu erhalten. Und in Apps, auf Webseiten oder auf Seiten von Anbietern maschineller Übersetzung (MT) drücken wir mit gleicher Leichtigkeit auf den Button „Übersetzen“ und erhalten den eingegebenen Text in der gewünschten Zielsprache. Denn dank MT ist der Traum, Übersetzungen auf Knopfdruck zu erhalten, seit vielen Jahren Realität. Verständlich also, dass das Thema im Unternehmenskontext relevant ist, denn gerade für international aufgestellte Firmen machen klassische Übersetzungen einen erheblichen Kostenfaktor aus. Immer öfter hört man daher aus der Übersetzungsabteilung oder der Technischen Redaktion, dass „jetzt alles bei DeepL eingegeben wird und dann intern nochmal jemand drüberliest“.

Das Potenzial, das dahintersteckt, ist schnell verdeutlicht: Während früher im Übersetzungsbereich das Motto galt „gut, schnell, günstig – suchen Sie sich zwei davon aus“, versprechen maschinelle Übersetzungssysteme den Dreiklang: Innerhalb kürzester Zeit, zu sehr geringen oder vermeintlich gar keinen Kosten und in einer sprachlichen Qualität, die zumindest auf den ersten Blick überzeugt und begeistern kann. Genauso, wie das Licht angeht, wenn wir einen Schalter drücken, ist also auch der Einsatz von MT vielerorts zur Routine geworden.

Routinen wiederum werden uns erst wieder bewusst, wenn sie nicht mehr funktionieren. Wenn es trotz Betätigung des Lichtschalters dunkel bleibt, dann beginnen die Fragen: Ist die Lampe kaputt? Ist der Strom ausgefallen? Und wenn ja, nur hier oder in der gesamten Nachbarschaft? Dass der Dienst bei maschineller Übersetzung komplett versagt, ist eher unwahrscheinlich. Im Ernstfall bzw. bei Nichterreichbarkeit eines Anbieters kann man immer noch zum nächsten wechseln. Aus der Routine geholt wird man im Fall von MT also eher durch das Auftreten von Problemen: Durch die Rückmeldung von Nutzern und Nutzerinnen sowie Unternehmens- partnern zu Fehlern in den Texten, durch Anwendungsfehler aufgrund von Missverständnissen oder inkorrekter Fachtermini oder wenn die gewünschte Textwirkung komplett verfehlt wurde.

Damit es nicht so weit kommt, ist es gerade im Unternehmenskontext wichtig, nicht nur die Chancen, sondern auch die Grenzen und Risiken beim Einsatz maschineller Übersetzung im Blick zu haben.

Die dunklen Ecken

Oft unterschätzt wird das generelle Fehlerpotenzial beim Einsatz maschineller Übersetzungssysteme, die seit Jahren mit flüssigen und schlüssigen Ergebnisse überzeugen. Die Zeiten, in denen ein Text durch holprigen Satzbau und offensichtliche Fehler klar als maschineller Output erkennbar war, sind dank neuronaler MT (NMT) längst vorbei. Die Gefahr dabei: Unter dem Deckmantel sprachlicher Eleganz wird das Ergebnis oft (zu) wenig hinterfragt und überdeckt zahlreiche Fehlerquellen. Doch Auslassungen, freie Ergänzungen, inhaltliche Fehler, unübersetzte Wörter, Fantasieübersetzungen und fehlerhafte Bezüge sind sogar eher die Regel als die Ausnahme.

Umfangreiche Analysen aus professionellen Posteditierprojekten zeigen sprachübergreifend Änderungsquoten am maschinellen Output von meist mindestens 25 Prozent, oft sogar bis zu 66 Prozent. [1] Dabei handelt es sich nicht um präferenzielle Änderungen, sondern nur um solche, die konform zur Norm ISO 18587 für das Post­editieren maschineller Übersetzungen sind. Dazu gehören die Korrektur von sprachlichen und inhaltlichen Fehlern und die Überprüfung auf Vollständigkeit und Angemessenheit. Durchschnittlich werden im Bereich der professionellen Übersetzungsdienstleistung also ein Viertel bis zwei Drittel des rohen MT-Ergebnisses überarbeitet und korrigiert, bevor der Text einer Humanübersetzung gleicht. Vor allem Textauslassungen fallen nicht unbedingt direkt ins Auge, wenn die Zielsprache nicht sicher beherrscht wird. Da ein ausgelassenes „nicht“ je nach Textsorte jedoch schnell zu schweren Bedienungsfehlern führen kann („nicht in den Laser gucken“), gehen von Übersetzungsfehlern im schlimmsten Fall Gefahren für Leib und Leben aus. Auch Sachschäden an Maschinen und Produkten oder grundsätzliche Verständnisfehler und Missverständnisse können aus den genannten Fehlern resultieren.

Die Suche nach dem Sinn

Technisch kann (fast) jedes Dokument und jeder Text in maschinelle Übersetzungssysteme eingelesen werden. Dank immer besser werdender Bilderkennung reicht einigen MT-Systemen mittlerweile sogar ein Foto von einem Aushang oder einer Speisekarte, um die gewünschte Übersetzung zu liefern. Was im Alltag und auf Reisen ein praktischer Helfer ist, muss im Unternehmenskontext kritischer betrachtet werden. Denn nur weil ein Dokument maschinell übersetzt werden kann, macht der Einsatz von MT nicht für jeden Text Sinn. Wichtige Faktoren sind hier die Textformatierung, der Textinhalt und die benötigte Sprachkombination.

Digitale Formate können genau wie handschriftliche Texte mit Herausforderungen aufwarten: Wurde in einer Datei am Ende einer Zeile ein manueller Umbruch eingefügt, entsteht dadurch unter Umständen ein stark fragmentierter Satz. Das MT-System versucht dann, das Beste aus dem Input herauszuholen und aus beiden Satzteilen durch Ergänzungen (zum Beispiel bei fehlenden Verben) „sinnvolle“ Sätze zu machen, ohne den Gesamtkontext berücksichtigen zu können. Denn zwei Satzteile gelten technisch als zwei separate Sätze, die unabhängig voneinander übersetzt werden. Die Ergebnisse sind häufig kryptisch und damit nicht oder nur sehr eingeschränkt nutzbar. Die Beispiele auf Seite 23 (Abb. 01 und abb. 02) zeigen die unterschiedlichen Übersetzungsergebnisse, wenn ein Ausgangssatz zweimal umgebrochen oder vollständig an das MT-System übermittelt wurde.

Übersetzungsbeispiele aus DeepL.
Abb. 01 (oben): Der deutsche Satz wurde manuell umbrochen, so dass drei Teilsätze entstehen.
Abb. 02 Der deutsche Satz wurde vollständig an das MT-System übermittelt)
Quelle oneword; DeepL

Unabhängig von der Formatierung kann grundsätzlich die Textsorte bzw. der Textinhalt entscheidend dafür sein, ob eine maschinelle Vorübersetzung sinnvoll genutzt werden kann. Je standardisierter eine Textart ist (zum Beispiel Verträge) und je mehr Fließtext enthalten ist, desto bessere Ergebnisse lassen sich erwarten. Enthalten Texte jedoch kontextlose Kurzformulierungen, wie dies in Tabellen oder bei GUI der Fall ist, kann die Maschine entweder komplett richtig oder aber komplett falsch liegen. Denn für neuronale Systeme ist Kontext der entscheidende Faktor: Nur durch die Einordnung innerhalb eines Satzes und den Bezug zu anderen Wörtern funktioniert der statistische Abgleich, der zu so erstaunlich guten Ergebnissen führen kann, wie sie NMT aktuell liefert.

Ein dritter Aspekt, der Einfluss auf den Erfolg des MT-Einsatzes hat, ist die benötigte Sprachkombination. Einerseits bieten nicht alle Anbieter alle Sprachkombinationen an. Andererseits muss grundsätzlich zwischen High- und Low-Resource-Sprachen unterschieden werden, da für jede Sprache je nach Sprecheranzahl und Verbreitung, aber auch je nach Grad der Verschriftlichung ein unterschiedlich großer Korpus an Trainingsmaterial vorliegt. Während vom Deutschen ins Englische aufgrund eines riesigen Trainingskorpus selbst kreative Marketingtexte keine Hürde darstellen, sind medizinische Gutachten vom Tschechischen ins Thailändische sicherlich für die meisten MT-Systeme eine Herausforderung, wenn nicht gar unmöglich.

Auf Nummer sicher gehen

Eine entscheidende, wenn auch streckenweise etwas unterschätzte Rolle spielt im Unternehmenskontext die Sicherheit der Daten. Denn gerade bei kostenfreien und daher sehr schnell nutzbaren MT-Angeboten rückt diese schnell in den Hintergrund. Grundsätzlich muss zwischen Datenschutz und Datensicherheit unterschieden werden: Datenschutz bezieht sich auf personenbezogene Daten, die Auf- und Rückschluss auf eine Person ermöglichen und damit innerhalb Europas unter die DSGVO fallen. Viele MT-Anbieter schließen die Verarbeitung dieser Daten vertraglich aus oder schränken die Nutzung ihrer Dienste dafür stark ein. Es liegt aber immer in der Verantwortung von Nutzern und Nutzerinnen, welche Texte an das MT-System übergeben werden. Gerade im beruflichen Alltag können durch die Übersetzung von Verträgen oder personenbezogenen Unterlagen schnell Datenschutzprobleme auftauchen.

Ein weiterer kritischer Faktor ist die Datensicherheit. Immer wieder ist von Cyberattacken zu lesen, die Unternehmen oder zuletzt auch Stadtverwaltungen weitgehend lahmlegen. Gezielte Angriffe sind die eine Seite, der unvorsichtige Umgang mit vertraulichen Daten durch Mitarbeitende und die erweiterte Lieferkette die andere. Werden solche Daten ungewollt öffentlich oder Dritten zugänglich gemacht, besteht ein erhebliches Cyberrisiko für das Unternehmen. Und genau dies kann passieren, wenn Unternehmensinhalte und -dokumente in kostenlose MT-Systeme eingegeben werden. Viele Anbieter sichern sich das Recht, die Inhalte zum Training der Maschinen und zur Indexierung zu nutzen. Damit landen die Texte nicht nur auffindbar in den Suchmaschinen, sondern werden je nach Anbieter direkt in der URL-Zeile des Internetbrowsers angezeigt und damit in dessen Verlauf gespeichert. Dies ermöglicht wiederum Rückschlüsse auf Text, der am Arbeitsplatz eingegeben wurde, wie Abbildung 03 zeigt. Das Risikopotenzial wird schnell deutlich, wenn man an vertrauliche Dokumente, unternehmensinterne Zahlen, Forschungspapiere, Konstruktionsdaten oder auch Patententwürfe denkt.

Browserzeile zeigt Teil einer Übersetzung.
Abb. 03 Der ins MT-System eingegebene Text ist in der URL-Zeile sichtbar. Quelle oneword; Google Translate

Speziell und reproduzierbar

Und schließlich bleibt neben allgemeinen Fehlerquellen, der technischen Umsetzung der Texte und den Aspekten der Datensicherheit noch ein großer Faktor, der den Einsatz maschineller Übersetzung im Unternehmensalltag schnell an Grenzen bringt: unternehmenseigene Vorgaben und Fachterminologie. Einige Systeme bieten bereits Möglichkeiten, Vorgaben zu machen, beispielsweise zur gewünschten Formalität der Übersetzung. So lässt sich in einer italienischen Übersetzung für eine Webseite festlegen, dass der eher formell formulierte deutsche Ausgangstext in eine gängigere Du-Ansprache übersetzt wird. Andere Stilvorgaben, zum Beispiel die Formulierung von Anweisungen im Infinitiv oder die Groß- und Kleinschreibung bei Aufzählungen, lassen sich jedoch in den meisten Systemen nicht voreinstellen. Je nach Umfang und Art der Spezifika ist also mit einem hohen Nachbearbeitungsaufwand zu rechnen.

Während das korrekte Duzen und Siezen durch die MT ein Nice-to-have ist, ist die Einhaltung der gewünschten Fachterminologie eher als Must-have zu bewerten. Denn die korrekte und einheitliche Umsetzung der Corporate Language ist ein entscheidender Faktor für das Textverständnis und die Richtigkeit der Angaben. Im besten Fall liegt der Terminologiebestand eines Unternehmens in allen benötigten Sprachen definiert und abgestimmt in Form einer mehrsprachigen Datenbank vor. Doch auch viele andere Formen der Festlegung und Bereitstellung können zum gewünschten Ergebnis der einheitlichen Terminologieverwendung führen. Nur: Woher soll ein MT-System diese Vorgaben kennen und umsetzen?

In der Realität kommt es etwa auf die Standardisierung von Fachtermini an: Gibt es für einen Begriff eine allgemeingültige und einheitliche Benennung in einer Sprache, so werden auch generische MT-Systeme diese Benennung gelernt haben und einheitlich verwenden. Der deutsche „Brief“ wird im Englischen zumeist einheitlich mit „letter“ übersetzt, was dann auch in der MT entsprechend umgesetzt wird (Abb. 04). Inbusschlüssel hingegen hat auf leo.org sechs verschiedene englische Äquivalente und wird auch in MT-Systemen je nach Satzkontext unterschiedlich übersetzt (Abb. 05).

Grundsätzlich gilt: Je mehr spezifische Fachtermini ein Text enthält und je mehr Unternehmensvorgaben es gibt, desto weniger geeignet sind allgemein verfügbare MT-Systeme. Diese können die festgelegten Entsprechungen nicht kennen und übersetzen Terminologie daher oft weder wie gewünscht noch konsistent.

Apropos Konsistenz: Auch mit Blick auf die Reproduzierbarkeit von Übersetzungen stoßen Nutzer und Nutzerinnen freier MT-Systeme schnell an Grenzen. Denn Engines übersetzen heute anders als gestern und auch anders als morgen, da sie kontinuierlich dazulernen und mit weiteren Daten trainiert werden. Wird ein Unternehmenstext also nach einigen Monaten nochmals an das gleiche MT-System zur Übersetzung übergeben, kann das Ergebnis ein völlig anderes sein und damit eine erneute, umfangreiche Qualitätssicherung erfordern.

Vergleich von Übersetzungsergebnissen.
Abb. 04 (oben) Konsistente Übersetzung von "Brief" als "letter". Quelle oneword; Systran
Abb. 05 Inkonsistente Übersetzung von "Inbusschlüssel" als "Allen key" und "Allen wrench". Quelle oneword; Systran

Licht ins Dunkel bringen

Die Übersetzung auf Knopfdruck birgt also trotz hoher Alltagstauglichkeit und teilweise begeisternder Ergebnisse einige Risiken und hat im professionellen Einsatz definitiv Grenzen, die es zu kennen gilt. Denn der Umgang mit diesen Risiken und Grenzen hängt entscheidend von den Personen ab, die diese Technik verwenden. Beim Betätigen eines Lichtschalters liefert der dann fließende Strom lediglich die Grundbedingung, um den Raum zu erhellen. Ob das Licht warm und einladend oder durch eine flackernde Glühbirne eher unheimlich wirkt, ob die installierten Lampen eine Wohlfühlatmosphäre schaffen oder den Raum flutlichtartig bis in jede Ecke ausleuchten – all das hängt letztendlich von der Wahl und Qualität des Leuchtmittels, von der Anzahl der Lampen und von deren Verteilung im Raum ab. Ähnliches gilt für die Nutzung maschineller Übersetzung: Ob sich mit dem zielsprachlichen Ergebnis auch im Unternehmenskontext arbeiten lässt, ist abhängig von der Wahl der MT-Engine, dem Ausgangstext, den eigenen Vorgaben und den nachgelagerten Prozessschritten.

Um Licht ins maschinelle Dunkel zu bringen, gibt es einige Stellschrauben, die den Einsatz hinsichtlich Konsistenz, Qualität und Kosten optimieren können. Am Anfang steht dabei die Datenvorbereitung und die Eingabe sauberer, also korrekt formatierter und im Idealfall auch konsistenter Ausgangsdaten. Gerade bei der Übersetzung in mehr als eine Zielsprache lohnt sich in vielen Fällen ein Pre-Editing, um Ausgangstexte optimal für die maschinelle Übersetzung vorzubereiten und so Nachbearbeitungsaufwand zu verringern, der sich in den Sprachen multiplizieren würde.

Vor der Nutzung jeglichen MT-Dienstes müssen außerdem die AGBs geprüft werden, um Informationen über die Verwendung und Speicherung der eingegebenen Daten, den Serverstandort und möglicherweise eingeschränkte Nutzungsbedingungen zu erhalten. Denn einige Anbieter schließen den Einsatz ihrer Engines für bestimmte Inhalte und Bereiche, beispielsweise Texte der kritischen Infrastruktur, komplett aus. Es ist dann Sache der Unternehmen, geeignete Anbieter zu finden und die Nutzung der MT-Systeme im Unternehmen in geordnete Bahnen zu lenken. Klare Vorgaben müssen dabei nicht nur intern, sondern für die gesamte Lieferkette gelten. Denn die Gefahr eines Datenverlusts durch MT besteht überall dort, wo Texte des Unternehmens verarbeitet und übersetzt werden. Auch externe Übersetzer und Übersetzerinnen sowie Dienstleister, die zur Steigerung der Produktivität ein kostenloses MT-System nutzen, stellen ein erhebliches Risiko für die Datensicherheit dar, weshalb die externe Datenverarbeitung zum Beispiel durch Rahmenverträge abgesichert werden sollte.

Datensichere maschinelle Übersetzung funktioniert nur über eine bezahlte Dienstleistung, entweder in Form eines Abos oder durch Kauf und Training eines MT-Systems. Vom unkontrollierten Einsatz durch Mitarbeitende gehen wiederum hohe Risiken aus, weshalb Unternehmen die Nutzung kostenloser MT-Dienste einschränken oder zumindest klar definieren sollten und für das Thema sensibilisieren müssen.

Wort für Wort zum Wunschergebnis

Neben den Grundvoraussetzungen der Text­aufbereitung und der datensicheren Nutzung gibt es weitere Stellschrauben, um die Qualität der maschinellen Übersetzung zu beeinflussen. Hier greifen Zusatzfeatures der Anbieter wie das Hinterlegen von Stilvorgaben oder das Nutzen von Glossaren zur korrekten Umsetzung der Fachterminologie, außerdem nachgelagerte Leistungen wie das Posteditieren des maschinellen Outputs oder die Königsdisziplin – das MT-Training.

Während das Hinterlegen bestimmter stilistischer Vorgaben – beispielsweise zusätzlicher Leerzeichen vor oder nach Satzzeichen oder dem Ersetzen des deutschen ß durch das doppelte s für die Schweiz – zwar Nacharbeit ersparen kann, aber vielleicht noch als sprachliche Feinheit gilt, stellen Glossarintegrationen für Terminologievorgaben ein mächtiges Werkzeug dar, um das MT-Ergebnis an die Unternehmensterminologie anzupassen. Um die Glossarfunktion nutzen zu können, muss die Terminologie grundsätzlich in Form gezielter Vorgaben vorliegen und für die Systeme meist entsprechend aufbereitet werden.

Dabei ist es wichtig zu wissen, wie der Abgleich der Terminologie im ausgewählten MT-System erfolgt. Einige Systeme können Terminologie zwar integrieren, setzen diese dann aber auf Biegen und Brechen um. Im schlimmsten Fall werden ursprünglich korrekt übersetzte Sätze nach der Integration falsch ausgegeben, da die Vorgabe aus dem Glossar den neuronalen Ansatz überdeckt. Die Maschine liefert den Output dann nicht mehr nativ bzw. auf Basis der statistischen Wahrscheinlichkeit, sondern erzwungen durch eine bestimmte Vorgabe. Abbildungen 06 und 07 zeigen, wie die Vorgabe „Bank“ = „bench“ im Englischen den vorher korrekten Output überlagert.

Beispiel für maschinelle Übersetzung mit und ohne Glossar.
Abb. 06 (oben) Korrekte Übersetzung von "Bank" ohne Glossarvorgabe. Quelle oneword; DeepL
Abb. 07 Erzwungene und inkorrekte Übersetzung von "Bank" durch die Glossarvorgabe "Bank = bench". Quelle oneword; DeepL

Bislang bieten nur wenige MT-Anbieter innerhalb der Glossarfunktion eine Kontextsensitivität, die die native Entscheidung der Engine fortführt. Dabei wird die Vorgabe zwar erkannt, aber auf Basis der Trainingsdaten und damit der statistischen Häufigkeit entschieden, ob die Vorgabe überhaupt wahrscheinlich ist und umgesetzt wird. Abbildung 08 zeigt ein Beispiel des Schweizer Anbieters Textshuttle: Gibt es im Glossar die Vorgabe „Spurhalteassistent = lane tracking assistant“, so wird diese in einem vollständigen Satz nicht umgesetzt. Was auf den ersten Blick wenig wünschenswert wirkt, basiert auf einer nachvollziehbaren Logik: Die Vorgabe erscheint sinnvoll, findet jedoch nur eine sehr geringe Verwendung im Englischen, während der Übersetzungsvorschlag „lane keeping assistant“ im Vergleich 40-mal häufiger in Referenztexten vorkommt. Gibt man die Vorgabe wiederum alleinstehend, also kontextlos ein, greift die Glossarvorgabe, da kein statistischer Abgleich mit dem Rest des Satzes erfolgen kann.

Übersetzungsbeispiele für das Wort Spurhalteassistent.
Abb. 08 Übersetzung von "Spurhalteassistent" entgegen und entsprechend der Glossarvorgabe je nach Satzkontext. Quelle oneword; Textshuttle

Übung macht den Meister

Hinsichtlich der Reproduzierbarkeit von Inhalten, der Nutzung bisheriger Übersetzungen und damit der Optimierung von Kosten bieten sich für Unternehmen zwei weitere Stellschrauben an. Erstens können vorhandene Übersetzungen in Form von Translation-Memory-Systemen in den Prozess integriert werden bzw. andersherum die maschinelle Übersetzung als zusätzliche Quelle in bestehende Übersetzungsprozesse eingebunden werden. Zweitens können MT-Systeme mit Unternehmensdaten trainiert werden, um umfangreiche Vorgaben, Fachterminologie und das Corporate Wording optimal abzubilden und einen datensicheren Service zu nutzen.

Beide Möglichkeiten verwenden die vorhandenen Übersetzungsdaten eines Unternehmens, um auf dieser Basis nur neue oder stark abweichende Textteile maschinell vorzuübersetzen und Bestehendes weiterzuverwenden. Durch die Synergie mit Translation-Memory-Systemen ergeben sich hohe Einsparpotenziale und eine schnellere Durchlaufzeit von Übersetzungsprojekten, da bereits geprüfte und freigegebene Übersetzungen automatisiert eingefügt werden. Dies erhöht auch die Konsistenz zu Vorgängerdokumenten und spart die erneute Qualitätssicherung eines gesamten Dokuments, da nur neue Passagen nochmals eingehend geprüft werden müssen.

MT-Training wiederum stellt sozusagen die Kür der maschinellen Übersetzung dar, da das MT-System gezielt für ein Unternehmen auf Basis bisheriger Übersetzungen und Vorgaben trainiert wird. Durch den üblicherweise engen Kontakt zum Anbieter der trainierbaren MT ergeben sich außerdem zahlreiche Möglichkeiten, um die Ergebnisse wirklich gezielt auf den gewünschten Output hin anzupassen. Dabei muss die Wahl des Anbieters sorgfältig erfolgen, um auch mit Blick auf die hohen Kosten eines Trainings alle Unternehmensbedürfnisse optimal erfüllen zu können. Denn Anbieter für maschinelle Übersetzung gibt es viele, wenn auch vielleicht nicht so viele wie Stromanbieter. In beiden Branchen sind vor allem die großen Player bekannt, im Fall von MT die Engines von Google Translate, DeepL oder auch Microsoft Bing. Doch genau wie sich Stromlieferanten durch Regionalität, Nachhaltigkeit und Energiemix unterscheiden und damit Kunden und Kundinnen für sich gewinnen können, können viele MT-Unternehmen durch unterschiedliche Erfahrungen, Features und ihren Sprachmix punkten.

Der Mensch macht den Unterschied

Doch egal, für welche Zusatzfeatures, Inte­grationen und für welchen Anbieter sich Unternehmen entscheiden: Den Unterschied bei maschineller Übersetzung macht nach wie vor der Mensch. Wie anfangs erwähnt, sind Fehler in maschineller Übersetzung noch immer eher die Regel als die Ausnahme. Da diese Fehler teils sehr subtil sind, kommt der Überprüfung des Outputs durch Fachleute ein besonderer Stellenwert zu. Gerade im professionellen Umfeld ist es eben nicht mit dem „schnellen Drüberlesen“ getan, das sich viele Nutzer und Nutzerinnen selbst zutrauen. Auslassungen und freie Ergänzungen erfordern beispielsweise ein vergleichendes Lesen; die korrekte Umsetzung von Terminologie benötigt wiederum Fachwissen und eventuell technische Kenntnisse über die Glossarfunktionalität der MT-Systeme. Beim Posteditieren werden der Ausgangstext, das maschinelle Ergebnis und der Zieltext betrachtet und alle nötigen Korrekturen vorgenommen, ohne den Text durch Überkorrekturen oder unnötige Änderungen zu sehr zu verändern.

Je nach Risiko-Level, in das ein Text eingestuft wird, sind nicht nur das Posteditieren, sondern auch weitere Prozessschritte wie eine zusätzliche Revision oder eine fachliche Prüfung sinnvoll. Der menschlichen Nachbearbeitung kommt also vor allem im Unternehmenskontext eine Schlüsselrolle zu, auf die nicht verzichtet werden kann, wenn die gleichen Maßstäbe an die Textqualität angelegt werden wie bei bisherigen Human­übersetzungen. Damit lässt sich maschinelle Übersetzung in Unternehmen sinnvoll und verantwortungsbewusst und mit hoffentlich erhellenden Ergebnissen nutzen.

Link

[1] Nesbigall, J. (2021): Whitepaper: Chancen und Grenzen maschineller Übersetzung in der Unternehmenskommunikation. https://content.oneword.de/mtpe-whitepaper 

Außerdem zum Thema

oneword GmbH (2021): Maschinelle Übersetzung in der professionellen Unternehmenskommunikation. https://content.oneword.de/mtpe-kompendium 

DIN ISO 18587:2018-02, Übersetzungsdienstleistungen – Posteditieren maschinell erstellter Übersetzungen – Anforderungen

Ottmann, Angelika/Canfora, Carmen (2020): Risiken und Haftungsfragen bei neuronaler maschineller Übersetzung. In: Porsiel (Hrsg.): Maschinelle Übersetzung für Übersetzungsprofis, S. 171–184. https://www.researchgate.net/publication/341766746_Risiken_und_Haftungsfragen_bei_neuronaler_maschineller_Ubersetzung 

Eine Person steht vor dem Zerrbild ihres Schattens.