Die EU sorgt für Spannung

Text: Jens-Uwe Heuer-James

Das Jahr 2023 wird als ereignisreich in die Geschichte der Technischen Dokumentation eingehen. Aktuell gibt es eine ganze Reihe tiefgreifender Veränderungen in Bezug auf die rechtlichen Grundlagen der Technischen Dokumentation.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 11:53 Minuten

Die Initiative der rechtlichen Entwicklungen geht klar von der Europäischen Union aus. Im Vorfeld der auslaufenden Legislaturperiode des Europäischen Parlamentes ist eine Vielzahl von Gesetzgebungsvorhaben zum Abschluss gekommen bzw. angestoßen worden. Der Bogen spannt sich von der neuen Maschinen-Verordnung über den rechtlichen Rahmen für die Künstliche Intelligenz bis hin zum so genannten Green Deal.

Es bewegt sich einiges, wobei erfreulicherweise nicht nur die Arbeit der Technischen Redaktion reglementiert wird, sondern sich auch neue, spannende Tätigkeitsfelder auftun. Die Entwicklungen sind dabei keineswegs abgeschlossen.

Die einzelnen Aspekte in diesem Artikel werden die Technische Dokumentation noch über einige Jahre hinweg beschäftigen. Weitere Gesetzgebungsvorhaben zeichnen sich bereits am Horizont ab.

Ein Schritt Richtung Digitalisierung

Die Maschinenrichtlinie 2006/42 hat mit ihren Anforderungen an die Nutzerinformation für Gesprächsstoff gesorgt. Insgesamt konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, als falle dieses Gesetzeswerk mehr und mehr aus der Zeit und entferne sich von der Realität des Maschinenbaus. Dieser Eindruck trügt nicht. In weiten Teilen handelte sich bei der Maschinenrichtlinie 2006/42 um die Vorgängervorschrift 98/37. Dem Druck, eine Reform der Maschinenrichtlinie anzustoßen, hat die Kommission schließlich nachgegeben, nicht zuletzt, weil in der Systematik des New Legislative Framework die Maschinenrichtlinie 2006/42 bislang wie ein Fremdkörper wirkt.

Nach intensiven Beratungen in den so genannten Beteiligten Kreisen ist die EU Maschinen-Verordnung 2023/1230 entstanden. Ab Mitte 2027 bildet sie das „Maschinenrecht“. Aufällig ist dabei bereits der Wechsel von der Richtlinie zum Rechtsetzungsinstrument der Verordnung. Eine langwierige Umsetzung in den Mitgliedstaaten der EU ist daher nicht mehr erforderlich.

Umfassendere Regelungen

Die Maschinenverordnung trägt zwar das Etikett, nur eine „Revision“ der Maschinenrichtlinie 2006/42 zu sein. Tatsächlich handelt es sich jedoch um ein in weiten Teilen neues Gesetzeswerk, das zumindest strukturelle Veränderungen vornimmt. Auch inhaltlich kommt es zu Veränderungen, insbesondere bei der Nutzerinformation.

Bemerkenswert ist zunächst, dass die Maschinen-Verordnung einen wesentlich breiteren Regelungsansatz verfolgt als die Maschinenrichtlinie. Dieser Ansatz ist nur konsequent in Bezug auf die Umsetzung des New Legislative Framework. Mit dessen Anforderungen werden im Prinzip alle Unternehmen angesprochen, die auf dem Weg zum Endnutzer am Bereitstellen von Produkten auf dem Markt beteiligt sind.

So richtet sich die Maschinen-Verordnung nun an Hersteller, Importeure und auch die Vertreiber von Maschinen. Erfasst wird dadurch nicht nur das erstmalige Inverkehrbringen, sondern auch jede Weitergabe der Maschine nach dem Inverkehrbringen. Dies führt automatisch dazu, dass es nicht mehr ein einzelnes, singulär verantwortliches Unternehmen für die Maschine als Ansprechpartner der Marktüberwachung gibt. Vielmehr handelt es sich um eine Vielzahl von Unternehmen auf den unterschiedlichen Stufen des Vertriebs von Maschinen bis hin zum Endnutzer. Dies ist ausdrücklich so gewollt und soll den Marktüberwachungsbehörden die Möglichkeit eröffnen, möglichst effizient in den Vertrieb von Maschinen eingreifen zu können.

Nicht alles geklärt

In der Praxis führt der Umgang mit so genannten unvollständigen Maschinen häufig zu Konflikten. Daher wurde eine Neuerung erwartet. Diese sieht nun so aus, dass die unvollständige Maschine explizit geregelt wird und gewissermaßen mit vergleichbarer Intensität wie die vollständige Maschine im Gesetzestext berücksichtigt wird. Dies zeigt sich auch für die Nutzerinformation. In der Maschinen-Verordnung finden sich für die vollständige sowie die unvollständige Maschine Regelungen bezogen auf den einzelnen Wirtschaftsakteur.

Leider kam es jedoch bei der Überarbeitung der Definition der unvollständigen Maschine nur zu geringfügigen Veränderungen. Diese Veränderungen haben nicht zur gewünschten Klarheit beigetragen. Die Verpflichtung zur Bereitstellung der Nutzer­information trifft explizit den Hersteller. Importeure und Vertreiber müssen ebenfalls sicherstellen, dass die Maschine über eine Nutzerinformation verfügt. Diese Aufgaben stehen nun als Hauptpflichten in der Maschinenverordnung. Die konkreten Anforderungen an den Inhalt finden sich wieder im Anhang, wobei aus dem Anhang I der Anhang III geworden ist.

Kurz gesagt: Die inhaltlichen Anforderungen haben sich grundsätzlich nicht verändert. Gleichwohl gibt es einige Details von Bedeutung. So ist die unsägliche Bezeichnung als „Original-Betriebsanleitung“ entfallen. Sie hat in der Praxis immer wieder für Fragezeichen gesorgt. Die Übersetzungsverpflichtung ist geblieben, allerdings mit einer etwas unglücklichen Vorgabe. Denn es ist von der Sprache die Rede, die die Mitgliedstaaten jeweils festlegen.

Digitalisierung ist umstritten

Die Lobby-Arbeit der tekom hat sich bezahlt gemacht, und das Werben für den Einstieg in die digitale Nutzerinformation ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Mit der Maschinen-Verordnung ist nun die „digitale Betriebsanleitung“ möglich.

Allerdings hat sich in der umfassenden Diskussion dieses Ansatzes gezeigt, dass die Digitalisierung nicht überall akzeptiert wird. Bei den Beratungen kritisierten insbesondere die Verbraucherverbände den Ansatz. Die Kritik der Verbände wurde respektiert. Für Verbraucherprodukte gilt die Digitalisierung der Nutzungsinformation im Sinn eines Ersatzes der Papierdokumentation nicht. Es ist lediglich möglich, Verbrauchern zusätzlich das Angebot digitaler Nutzerinformationen zu machen.

Im B2B-Bereich sind für die digitale Bedienungsanleitung verschiedene Anforderungen formuliert, die allesamt zu beachten und zu erfüllen sind. Zunächst ist es die Pflicht des Herstellers, den Zugang zur digitalen Nutzerinformation zu ermöglichen. Dem Wortlaut nach bedeutet das nicht zwangsläufig, Informationen über das Internet bereitzustellen. Allerdings gehen die Verfasser der Maschinen-Verordnung davon aus, dass dies wohl die präferierte Vorgehensweise sein wird. Genauere Details etwa für Hinweise, wie der Zugang aussehen soll, fehlen derzeit noch. Es dürfte allerdings so sein, dass ein möglichst einfacher Zugang gefordert wird.

Anforderungen an die Bereitstellung

Weiter bleibt dafür Sorge zu tragen, dass die Zugangsmöglichkeit für die Lebensdauer der Maschine vorhanden sein muss, mindestens jedoch für zehn Jahre. Der Einsatz einer stabilen, zukunftssicheren Technik ist gefordert. Gleichfalls verbieten sich spontane Umzüge von Internetseiten, ohne dass nicht die Weiterleitung des bestehenden Zugriffs sichergestellt ist. Zu beachten bleibt auch, dass in Bezug auf die digitalisierte Anleitung das Erfordernis der Verständlichkeit besteht. Hier bleibt in Zukunft zu klären, wie dies im Einzelnen aussieht. Eine auf das digitale Medium ausgerichtete Technische Redaktion ist in jedem Fall erforderlich. Einfach große Textmengen als PDF bereitzustellen, dürfte allerdings nicht der erforderlichen Verständlichkeit entsprechen.

Ebenfalls eine wichtige Voraussetzung ist, dass die digitale Information vom Nutzer abgespeichert und ausgedruckt werden kann. Dies soll auch für alle Informationen gelten, die als Hilfe in der Software der Maschine bereitgestellt werden („Online-Hilfe“). Dabei dürfte es nicht genügen, lediglich Screenshots zu verwenden; eine gewisse inhaltliche Aufarbeitung wird erwartet. Genaue Kriterien hierzu gibt es allerdings derzeit nicht.

Es bleibt ein Rest Papier

Der Hersteller muss sicherstellen, dass die Anleitung auf Anforderung dem Nutzer auch in Papierform zur Verfügung gestellt werden kann. Die Anforderung hierzu liest sich zunächst harmlos, erweist sich aber im Detail als durchaus problematisch. Die Forderung nach einer schriftlichen Anleitung muss während der Vertragsverhandlungen erfolgen. Äußert der Vertragspartner diesen Wunsch, so ist innerhalb eines Monats die Anleitung in Papierform vorzulegen.

Angesichts der Projektlaufzeiten im Maschinenbau erscheint die zeitliche Vorgabe von einem Monat mehr als gewagt. Schließlich entsteht im Maschinenbau die Anleitung deutlich nach den Vertragsverhandlungen, weil es zeitlich weiträumige Vorläufe für die Fertigung gibt. Die Frist erscheint daher unangemessen kurz und dürfte in der Praxis zu Problemen führen.

Regulierung von KI

Die Künstliche Intelligenz (KI) ist schon länger Teil der Diskussion, und es besteht Einigkeit darüber, dass KI nicht unkontrolliert eingesetzt werden darf. Ansonsten besteht die Gefahr unkontrollierter Datenabflüsse und unkontrollierbarer Geschehensabläufe. Mit anderen Worten: KI darf nicht sich selbst überlassen werden. Allerdings stößt der Gesetzgeber hier an seine Grenzen. Denn die Materie ist äußerst komplex und fordert für eine effiziente Kontrolle ein sorgfältig durchdachtes System an Regelungen.

Dieses System entsteht gerade: die EU-KI-Verordnung. Die Verordnung liegt im Entwurf vor und bedarf der abschließenden Beratung. Geplant ist, diese vor Ende der aktuellen Legislaturperiode des Europäischen Parlamentes abzuschließen. Im Grundansatz handelt es sich dabei um Vorschriften für das Inverkehrbringen von Produkten, die KI enthalten. Für den Maschinenbau war vorgesehen, die KI-Regeln miteinzubeziehen. Dies ist nicht gelungen. Daher muss ein Hersteller aus dem Maschinenbau die KI-Verordnung neben der Maschinenverordnung beachten.

Die KI-Verordnung soll das Inverkehrbringen, die Inbetriebnahme und die Verwendung künstlicher Intelligenz regeln. Basierend auf einer Reihe von Vorüberlegungen und programmatischen Ansätzen zum Umgang mit KI, werden bestimmte Praktiken verboten. So ist die Nutzung von KI durch staatliche Stellen zur Überwachung von Personen in Bezug auf ihr Sozialverhalten verboten, um eine sachlich nichtgerechtfertigte Kontrolle über diese Personen und ihr Verhalten auszuüben. Darüber hinaus will die KI-Verordnung sicherheitsbezogene KI-Systeme (Hochrisiko-Systeme) kontrollieren, auch mit Blick auf deren Gestaltung und Betrieb. Dazu wird es eine Klassifikation von KI-Systemen geben. Im Maschinenbau handelt es sich bei Hochrisiko-Systemen vor allem um KI-Systeme für die Maschinensicherheit. Für diese Systeme wird vorrangig ein „Risiko-Management-System“ gefordert.

Diskussion über die Haftung

Besonderer Wert wird zudem auf die Nachvollziehbarkeit des „Handelns“ von KI gelegt. KI-Systeme, die mit Menschen interagieren, sollen transparent sein. Es soll zudem ersichtlich sein, wie die automatischen Prozesse in der KI durch menschlichen Eingriff unterbrochen werden können. Für diesen sehr diffizilen Bereich gilt es, die Produkt- und Marktbeobachtung sowie die Marktüberwachung gesondert zu regeln.

Kein Thema in der EU KI-Verordnung ist hingegen die Frage nach der Haftung. Diese bleibt einer gesonderten Regelung vorbehalten, wobei derzeit Vorschläge sowohl von der Europäischen Kommission als auch vom Europäischen Parlament in der politischen Diskussion sind. Die Vorgehensweise ist dabei unterschiedlich: Einerseits wird ein komplett eigenständiges Haftungsrecht für KI gefordert, andererseits beschränken sich die Vorgaben auf eine besondere Ausgestaltung der Verfahrensregeln insbesondere der Beweisführung.

Mehr Transparenz verlangt

Die Technische Dokumentation spielt bei der Künstlichen Intelligenz eine besondere Rolle. Schließlich wird die Transparenz dieser Systeme gefordert. Nur wenn nachvollziehbar ist, was KI ausmachte, lässt sich ein KI-System beherrschen.

Daher wird eine detaillierte Technische Dokumentation über die Entwicklung der KI und die Risikobewertung der KI verlangt. Die schon im Produktsicherheitsrecht bekannten „technischen Unterlagen“ bekommen hierbei besonderes Gewicht. Enthält beispielsweise eine Maschine im Bereich Sicherheit eine Künstliche Intelligenz, so muss in den technischen Unterlagen der Maschine in besonderer Weise auf das KI-System eingegangen werden. Neben einer Darstellung des Systems gilt es darzulegen, wie dieses eventuell mit anderen Systemen interagiert. Die Entwicklung des Systems als solches und seine Datenarchitektur sind darzustellen. Darüber hinaus muss beschrieben werden, wie der Hersteller eine laufende Überwachung des KI-Systems sicherstellt. Weiterhin ist ausführlich darzulegen, wie etwaige Risiken aus dem KI-System kontrolliert werden können. Und schließlich, wie eine Marktüberwachung erfolgen kann.

Für die Nutzer bedarf es ebenfalls einer besonderen Form der Anleitung. Diese darf in digitaler Form bereitgestellt werden. Neben den üblichen Inhalten einer Gebrauchsanleitung ist hervorzuheben, wie die KI agiert – es muss eine vollständige Transparenz über den Einsatz der KI erreicht werden. Dazu gehört eine Darstellung möglicher Risiken, und zwar nicht im Sinn gezielter Warnhinweise, sondern ein vollständiger Überblick über mögliche Risiken und deren Vermeidung.

KI-Systeme sind lernende Systeme. Das erfordert, dem Nutzer zu vermitteln, wie das Anlernen des KI-Systems durchgeführt werden kann. Weiterhin ist zu beschreiben, welche Veränderungen am System im Laufe des Lernprozesses zu erwarten sind. Dabei soll sichergestellt werden, dass die Funktionalität des KI-Systems über dessen Lebenszeit hinaus gewährleistet ist. Schließlich bleibt zu beschreiben, wie Operatoren in das System eingreifen können.

Risiken durch Cyber-Kriminalität

Die vernetzte Datenwelt ist anfällig gegen Angriffe von außen. Dies haben zahlreiche Vorfälle in der Vergangenheit eindrücklich bewiesen. Immer wieder kommt es auch bei vermeintlich gut aufgestellten Unternehmen zu Angriffen auf deren Netzwerke.

Auf der EU-Ebene wird diesen Herausforderungen mit dem Cyber Resilience Act begegnet. Demnach muss die Datensicherheit durch Zertifizierung sichergestellt sein.

Die Technische Redaktion steht dabei vor der Herausforderung, die Leistung des jeweiligen Produktes in Bezug auf Cybersecurity zu beschreiben sowie darzustellen, welche Maßnahmen auf der Produktseite ergriffen worden sind. In Bezug auf Datensicherheit hat der Betreiber allerdings eine besondere Verantwortung. Es ist zwingend erforderlich, dass er ebenfalls Sicherungsmaßnahmen ergreifen muss, so dass diese in der Anleitung zu beschreiben sind. Dies gilt auch für Cybersecurity im Kontext mit anderen Produkten. Weiterhin gilt es darzu­stellen, nach welchen Zertifikaten die Cyber­security sichergestellt ist (mehr zum cyber resilience act im artikel von anna schwendicke, s. 18, red.)

Herausforderungen durch Green Deal

Aufgrund des Klimawandels haben Umweltthemen eine hohe Priorität. Kein Wunder, dass auf EU-Ebene ein ganzes Bündel an Maßnahmen auf den Weg gebracht worden ist, die sich mit umweltbezogenen Regelungen beschäftigen. Daraus resultieren auch Herausforderungen für die Technische Dokumentation, etwa durch das Ökodesign.

Das Ökodesign hat bisher ein gewisses Schattendasein geführt. Nun wird die entsprechende Grundlagenrichtlinie vollständig überarbeitet. Auf Basis der Richtlinie werden dann so genannte delegierte Rechtsakte die Anforderungen an das Ökodesign weiter herunterbrechen. Wichtig ist, dass diese Anforderungen nicht als „nice to have“ verstanden werden, sondern als tatsächliche Bedingung für die Verkehrsfähigkeit von Produkten.

In Zukunft wird es für die Produkte Anforderungen an deren Dauerhaftigkeit, Zuverlässigkeit und Aufrüstbarkeit geben. Ziel ist es, Produkte nicht nur kurze Zeit im Markt zu belassen, sondern möglichst langlebige Produkte zu kreieren. Dazu gehört auch die Reparaturfähigkeit von Produkten. Hier wird es in Zukunft konkrete Vorgaben geben. Dies führt dann aber auch dazu, dass das Thema „Reparaturanleitung“ an Bedeutung gewinnt. Die Strategie mancher Hersteller, keinerlei Angaben zu Reparaturen zu machen, damit Kunden ausschließlich den eigenen Service des Herstellers frequentierten, wird der Vergangenheit angehören.

In diesem Zusammenhang ist zu sehen, dass die Instandhaltungsfähigkeit von Produkten reguliert werden soll. Daher erhalten Angaben zu Ersatzteilen in Zukunft mehr Bedeutung. Weitere produktbezogene Anforderungen werden sich auf die Wiederverwertbarkeit von Produkten, deren Energieeffizienz und CO₂-Fußabdruck beziehen.

Anleitung als Teil des Product Passport

Mit der Ökodesign-Richtlinie soll der „digitale Product Passport“ eingeführt werden. Darunter ist die Verpflichtung zu verstehen, eine umfassende Produktakte in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen. Dazu werden etwa die Inhalte der technischen Unterlagen und die Bedienungsanleitung gehören. Das Besondere ist, dass die Politik eine vollständige Transparenz fordert und vorsieht, dass diese Informationen für alle Marktteilnehmer uneingeschränkt zugänglich sind. Das bedeutet, Zugänglichkeit für den Endnutzer, aber auch für Marktüberwachungsbehörden und die Verbraucherschutzorganisation.

Es liegt auf der Hand, dass auch umweltbezogene Informationen zur Verfügung zu stellen sind. Die Einhaltung der Forderung aus der Ökodesign-Richtlinie müssen nachvollziehbar dargestellt sein. Außerdem muss der Nutzer erfahren, wie er das Produkt nutzt, so dass er optimal Ressourcen schont. So muss er etwa wissen, welche Einflussfaktoren die umweltbezogene Performance des Produktes beeinflussen. Informationen zur Entsorgung gehören ebenfalls in den digitalen Product Passport. Zudem muss dieser Passport Informationen enthalten, ob das Produkt „Substances of concern“ verwendet, womit besondere Vorsichtsmaßnahmen erforderlich sind.

Nur Stichhaltiges zählt

Neben der Ökodesign-Richtlinie ist auch die „Green Claims Directive“ auf den Weg gebracht worden. Die Richtlinie zielt auf eine Regulierung von werblichen Aussagen mit Bezug zur Umwelt ab. Dabei handelt es sich um Aussagen, die etwa eine positive Umweltwirkung beschreiben oder aber darstellen, dass das Produkt dazu beiträgt, negative Umweltauswirkungen zu reduzieren. Auch die Umweltleistung des Produktes im Sinne einer Verbesserung oder aber des Unternehmens können Gegenstand solcher umweltbezogenen Aussagen sein. Dabei kann es sich etwa um eine Aussage hinsichtlich der Reduzierung von CO2-Emissionen handeln.

Die Richtlinie verbietet solche Aussagen nicht grundsätzlich; zum Thema „Greenwashing“ wird es noch eine gesonderte Richtlinie geben, die in den jeweiligen Mitgliedstaaten das Recht über unfaire Wettbewerbsaussagen so verändert, dass etwa „blumige“ umweltbezogene Aussagen verboten werden. Dies ist im Übrigen in Deutschland bereits seit längerem der Fall.

Von der Wissenschaft bestätigt

Einen etwas anderen Ansatz verfolgt die „Green Claims Directive“: Die umweltbezogenen Aussagen sind nur möglich, wenn es konkrete wissenschaftliche Nachweise hierfür gibt. Die Umweltauswirkungen dürfen nicht pauschal, sondern nur konkret dargestellt werden.

Zur Darstellung gehört auch, Angaben darüber zu machen, dass an anderer Stelle möglicherweise eine Verschlechterung der Umweltauswirkungen des Produktes besteht. Bei Vergleichen mit anderen Produkten dürfen solche Vergleiche nur auf äquivalente Vergleichsdaten gestützt sein. Für die umweltbezogenen Aussagen wird es ein Verifizierungssystem geben, bei dem akkreditierte Stellen die Zulässigkeit der umweltbezogenen Aussagen prüfen werden.

Für die Technische Dokumentation bedeutet dies, in Zukunft bei umweltbezogenen Aussagen in produktbegleitenden Dokumenten sensibel vorzugehen und zu hinterfragen, ob diese tatsächlich den Anforderungen der Green Claims Directive entsprechen und verifiziert worden sind. In der internen Technischen Dokumentation ist entsprechend die Berechtigung für die umweltbezogene Aussage darzustellen. So wird es in Zukunft erforderlich sein, die Belege für umweltbezogene Aussagen, zum Beispiel etwaige Studien, in die interne Technische Dokumentationen aufzunehmen.

Der ganze Bereich der Umweltfolgen muss dargestellt sein; auch im Verhältnis zu anderen Produkten. Sind zu dem Produkt umweltbezogene Aussagen gemacht, dürfte kein Weg daran vorbeiführen, ein Kapitel „Umwelt“ in der internen Technischen Dokumentation vorzusehen. Dies alles wird in Zukunft auch Teil des digitalen Produktpasses sein.

Redaktionelle Herausforderungen

Die Aufgaben der Technischen Redaktion bleiben angesichts der Gesetzgebungsvorhaben enorm spannend. Durch diese wird es neue Themen für die klassische Dokumentation geben. Zu nennen sind hier die Beachtung der Vorgaben für umweltbezogene Werbeaussagen, Themen wie Reparaturanleitungen und Nachhaltigkeit der Produkte sowie die Überwachung Technischer Dokumentation. Auch stehen neue Informationsprodukte an, etwa der digitale Produktpass oder die Dokumentation von Künstlicher Intelligenz.

In der ganzen Diskussion wird auch deutlich, dass der internen Technischen Dokumentation in Zukunft eine viel stärkere und größere Bedeutung zukommt. Die Vorschriften zur KI heben die interne Technische Dokumentation nochmals hervor. Sie als „Nebensache“ zu begreifen, ist eine verfehlte Strategie. In der Technischen Redaktion bleibt es also spannend.

Titelbild Ausgabe 05 2023 der technischen kommunikation.