Verständlicher ohne Akzent

Text: Martin Böcker

Akzentfreies Englisch kommt bei ausländischen Geschäftspartnern gut an. Das belegen nicht zuletzt Studien. Was gilt es zu tun, um Englisch ohne den typisch deutschen Akzent zu sprechen?

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 10:35 Minuten

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen an einem sonnigen Tag in Chicago auf der Terrasse eines Cafés. Sie genießen das städtische Treiben, hören das Rauschen des Verkehrs und das Stimmengewirr der Menschen um sich herum und denken an nichts Besonderes. Plötzlich hören Sie die Stimme eines Mannes am Nebentisch, der etwas sagt, das klingt wie: „Ei tolt mei Häthanta, vi juß Vört, Äxel änd Äxes“.

Sie wissen wahrscheinlich sofort zweierlei: Ihr Nachbar kommt aus einem deutschsprachigen Land, und er spricht über Bürosoftware. Da wissen Sie dann möglicherweise mehr, als einem amerikanischen Zuhörer klar wäre. Der deutsche Akzent ist für jeden unverkennbar. Die Aussprache verzerrt das Gesagte aber so sehr, dass etwa ein Amerikaner möglicherweise nicht genau versteht, wovon der Sprecher eigentlich redet.

Ich kann doch Englisch

Fast niemand kommt in der Arbeitswelt um die Beherrschung der englischen Sprache herum. Viele Firmen haben die interne Kommunikation auf Englisch umgestellt, Produkte und Technische Dokumentationen werden oft zuerst in Englisch entworfen und erstellt, und von neuen Kolleginnen und Kollegen wird häufig nicht einmal mehr erwartet, dass sie Deutsch sprechen.

Ist Gott-sei-Dank kein Problem, da wir ja alle Englisch können. Aber was gehört eigentlich zum Meistern einer Fremdsprache dazu? Am einfachsten ist das Text- bzw. Leseverständnis. Hier hat man alle Zeit der Welt und kann unbekannte Wörter nachschlagen. Schwieriger wird es schon beim Hörverständnis, wo oft schnell gesprochen wird und eine undeutliche Aussprache des Sprechers eine echte Herausforderung sein kann (etwa bei Telefonaten oder Videokonferenzen). Die nächste Stufe ist das Schreiben in der Fremdsprache, wo sich Schwächen in der Grammatik und der Wortwahl (Stichwort „False Friends“, siehe „irritieren“ und „to irritate“, oder „aktuell“ und „actual“) einschleichen. Diese können nur bedingt von der Textverarbeitungs-Software aufgefangen werden.

Die höchsten Weihen bzw. die größte Herausforderung ist das Sprechen in der Fremdsprache – ohne Fehler und ohne den hässlichen Akzent. Um letzteren geht es hier.

Nur ein Scheinproblem?

Das Grundproblem, wenn Deutsche Schwierigkeiten mit der englischen Aussprache haben, liegt darin, dass wir alle das „Gepäck“ unserer Muttersprache mitbringen, wenn wir eine Fremdsprache erlernen. Zwar kann jedes Neugeborene prinzipiell jede Sprache lernen, allerdings verlieren wir als Kind früh diese Formbarkeit und tun uns umso schwerer mit der korrekten Aussprache einer Fremdsprache, je später im Leben wir anfangen, sie zu lernen.

Das Ergebnis sind Akzente, an denen wir oft sehr genau erkennen können, welche Muttersprache der Sprecher einer Fremdsprache ursprünglich gelernt hat. Franzosen kämpfen häufig mit der Aussprache des H, und erwachsene Deutsche lernen oft nicht mehr, ein englisches TH oder ein spanisches RR vernünftig auszusprechen.

Durch diesen Ballast der Muttersprache erkennen wir sofort den Holländer, der Englisch spricht, den Deutsch sprechenden Franzosen und die Französisch sprechende Amerikanerin.

Warum wird dem muttersprachlichen Akzent keine größere Bedeutung beim Erlernen einer Fremdsprache beigemessen? Nun, zum einen erlernen deutsche Muttersprachler Fremdsprachen meist von deutschsprachigen Lehrerinnen und Lehrern. Diese sind sich häufig ihres eigenen Akzents nicht bewusst.

Des Weiteren streben viele Lernende zunächst einmal ein ausreichend großes Vokabular und grundlegende Grammatikkenntnisse an, um sich in der fremden Sprache „durchschlagen“ zu können. Die richtige Aussprache nimmt man sich für später vor, doch das passiert dann nicht mehr. Hinzu kommt, dass man in der Regel auch mit einem starken Akzent verstanden wird, so dass alles in Ordnung scheint. Aber ist es wirklich so?

Ungewollte Komik

Ein Akzent klingt nicht nur fremd, er führt auch zu Missverständnissen und komischen Momenten. Wie wir noch sehen werden, tendieren Deutsche dazu, unterschiedliche englische Wörter gleich auszusprechen: Head (Kopf) und hat (Hut) beschreiben Unterschiedliches. So wie bed (Bett) und bet (Wette) verschiedene Dinge sind, wie auch food (Essen) und foot (Fuß).

Nun ist dies kein spezifisches Problem von Muttersprachlern des Deutschen, und Angelsachsen haben täglich mit Besuchern und Kollegen ausländischer Abstammung zu tun und sind daher Akzente aller Art gewohnt. Dennoch beschleicht uns gelegentlich das Unbehagen, mit einem ausgeprägten Akzent nicht als gleichwertig angesehen zu werden.

Der Wert einer guten Aussprache

Das Deutsche bietet für sein vergleichsweise kleines Verbreitungsgebiet eine ungeheure Vielfalt an Dialekten, die sich aus historischen Gründen sehr lange gehalten haben. Kurz zur Unterscheidung zwischen Akzent und Dialekt: Ein Dialekt ist eine mundartliche Färbung bzw. Wortwahl eines Muttersprachlers (also etwa Oberschwäbisch). Ein Akzent ist die Färbung des Sprechers einer Fremdsprache (etwa ein Franzose spricht Deutsch mit französischem Akzent).

In Deutschland betrachten wir die Dialekte als unser kulturelles Erbe und tun Einiges, diese Vielfalt zu erhalten. Dennoch bemühen wir uns, neben der Mundart die „Standardsprache“, also etwa das Hochdeutsche in der Bundesrepublik Deutschland, möglichst akzentfrei zu sprechen. Mundartliche Färbungen bleiben dabei häufig erhalten (siehe etwa die selbstironische Werbekampagne von Baden-Württemberg – „Wir können alles außer Hochdeutsch“).

Warum bemühen wir uns, im Zweifelsfall neben dem Dialekt auch das Hochdeutsche zu beherrschen? Um die Frage zu beantworten, stelle man sich einen Fachvortrag in Quantenphysik oder zur Außenpolitik vor, der von einem Sprecher mit ausgeprägtem niederbayerischem oder sächsischem Dialekt vorgetragen wird. Würde dieser Vortrag die gleiche Wirkung erzielen, wenn er in Hochdeutsch vorgetragen würde? Sicherlich würde er in der hochdeutschen Fassung für mehr Aufmerksamkeit sorgen. Denn die Dialekte würden zumindest einige Zuhörer, die nicht in ihnen zuhause sind, erheblich ablenken.

Viel anders verhält es sich letztlich auch nicht im Englischen. Insgesamt gilt in Großbritannien, je höher jemand in der sozialen Hierarchie hinaufsteigt, desto weniger wird sein Sprachgebrauch von regionalen Merkmalen beeinflusst sein. Im Umkehrschluss wird mit „Received Pronunciation“ (abgekürzt RP; das steht für das gehobene und offizielle Englisch, etwa „BBC English“) Wohlstand und ein hoher gesellschaftlicher Status verbunden. In Experimenten konnte sogar nachgewiesen werden, dass ein Sprecher von Zuhörern als intelligenter eingeschätzt wird, als wenn er mit einem Dialekt der Stadt Birmingham spricht.

Es kommt noch schlimmer: Kristiansen¹ ließ 240 Versuchspersonen eine Kurzgeschichte hören, die von ein und derselben Person entweder in RP, dem Dialekt von Devon (ländliches Südwestengland) und dem Londoner Dialekt „Cockney“ vorgelesen wurde. Anschließend sollten die Versuchspersonen den Sprecher beurteilen. Der RP-Sprecher wurde, wie auch in dem erläuterten Experiment, als intelligent beschrieben, darüber hinaus als erfolgreich, wohlhabend und vertrauenswürdig. Es wurde angenommen, dass er den Sicherheitsgurt im Auto anlegt und nicht raucht. Der Cockney-Sprecher erschien weniger kompetent und integer, schien aber der bessere Kumpel zu sein und stand den Zuhörern näher. Der Sprecher des Devon-Dialekts lag irgendwo dazwischen (man nahm an, dass er dicker wäre als die anderen Sprecher und dass er viel frisches Obst äße).

Aus eigenen Erfahrungen

Ähnliche Trends konnte ich vor vielen Jahren in einer kleinen Studienarbeit feststellen, die ich während meines Promotionsstudiums an der University of Exeter im Südwesten Englands erarbeitet habe. Dort ging es mir um die Frage, ob „südliches“ Englisch im Vereinigten Königreich anders bewertet wird als „nördliches“ Englisch, und wo die Grenze zwischen Nord und Süd verläuft.

Um letztere Frage beantworten zu können, habe ich den Teilnehmern an der Studie (Studenten aus unterschiedlichen Teilen Englands, Wales und Schottland) eine Umrisskarte der britischen Inseln vorgelegt und sie gebeten, eine Linie zu zeichnen, die nördliches Englisch vom südlichen Englisch trennt (übereinander gelegt ergaben die Linien, dass diese Grenze vom Bristol Channel im Westen zur Bucht des „Wash“ in der Nordsee verläuft). Interessanter für unsere Betrachtung hier ist, dass ich die Probanden auch gebeten habe, jeweils drei Eigenschaftswörter zu nennen, die das nördliche und das südliche Englisch für sie am besten beschreiben.

Es ergaben sich 93 Adjektive entlang der Dimensionen unpräzis – präzis, inkorrekt – korrekt, Vielfalt – Standard, hart – weich, breit – scharf sowie laut – leise; dazu kamen rein bewertende Adjektive. Nicht überraschend wurde das südliche Englisch in den meisten Fälle mit den positiveren Adjektiven belegt.

Was folgt daraus? Zumindest in Großbritannien schließt man aus dem Akzent/Dialekt eines Sprechers auf seine Eigenschaften. In anderen Teilen der englischsprachigen Welt dürfte dies nicht anders sein. Daher sollte man die Wirkung, die man auf diesem Wege auf andere ausübt, nicht dem Zufall überlassen.

Wenn Sie nicht möchten, dass Sie nach zwei Sätzen als Deutscher erkannt werden (mit all den positiven und negativen Assoziationen, die das mit sich bringt), können Sie versuchen, etwas mehr auf Ihre von der deutschen Muttersprache geprägte Aussprache des Englischen zu achten und Ihrem Auftritt dadurch mehr Gewicht zu geben.

Welches Englisch?

Meine persönliche Ansicht ist, dass es weniger eine Rolle spielt, welche Variante des Englischen sich Lernende aneignen. Viel wichtiger ist es, dass sie sich um Konsistenz bemühen. Ein Dialekt, der zu gleichen Teilen aus britischen und amerikanischen Einflüssen gespeist wird, ist für den Muttersprachler sicher nicht sehr attraktiv. Die Entscheidung, ob Sie sich um ein Englisch bemühen, wie es in Großbritannien gesprochen wird, oder um amerikanisches oder etwa australisches Englisch sollten Sie sich gut überlegen. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass ein hässlicher Mischmasch das Ergebnis ist.

Für einen guten britischen Akzent bietet sich die schon erwähnte Received Pronunciation (RP) an. Dahinter verbirgt sich der Dialekt des Englischen, der auch Standard English, „the Queen’s English“ (sagt man schon wieder „the King’s English“?) oder „BBC English“ genannt wird – kurz die kultivierte Sprache, die ihren Sprechern ein gewisses Prestige verleiht.

Für einen anerkannten nordamerikanischen Akzent kommt das General American in Frage. Diese Sprache ist am häufigsten in amerikanischen Filmen zu hören (Standard American entspricht den in Illinois und Iowa gesprochenen lokalen Dialekten).

Die effektivsten Maßnahmen

Was kann man also tun, um den ungeliebten Akzent loszuwerden? Hier sind die fünf Dinge, auf die man achten sollte, um eine rasche Verbesserung zu erzielen.

Das TH: Zu diesem „Klassiker“ gibt es eigentlich nicht viel zu sagen, außer, dass es davon zwei gibt: die stimmhafte Variante wie in „that“ und die stimmlose, etwa in „thief“. Und ja, jeder kann mit etwas Mühe ein vernünftiges TH lernen. Üben Sie „Queen Elizabeth the Second“ (erstes TH stimmlos, zweites stimmhaft).

Quelle www.wikihow.com/Do-a-German-Accent

Stimmhafte Konsonanten am Wort- und Silbenende: Im Deutschen werden die stimmhaften Konsonanten (zum Beispiel b, d und g) am Ende einer Silbe oder eines Wortes wie ihre stimmlosen Gegenstücke p, t und k ausgesprochen. Daher hört man etwa auch keinen Unterschied zwischen den Endkonsonanten in „Kneipp“ und „Leib“, „Rat“ und „Rad“ oder „krank“ und „Hang“. Hier hört man immer ein P, T bzw. K. Dabei handelt es sich nicht um einen Sprachfehler, sondern um korrektes Deutsch.

Das Problem ist nun, dass es dieses Phänomen im Englischen nur in Ausnahmefällen gibt. Dort unterscheidet man zwischen „bed“ und „bet“. Besonders deutlich wird dies, wenn ein Wort folgt, das mit einem Vokal anfängt. „I went to bedˇand fell asleep“. Hier hört man ein deutliches D zwischen dem D in „bed“ und dem A in „and“. Anders das Deutsche, wo man in dem Satz „Er gab mir die Handˇund ging fort“ ein deutliches T am Ende von Hand hört, obwohl ein Vokal folgt.

Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass der Vokal in Silben mit stimmhaften Konsonanten meist etwas länger ausgesprochen wird (vgl. „lab“ und „lap“ oder „bed“ und „bet“).

Ein weiteres Beispiel für ein Paar, bei dem es diesen Effekt gibt, sind F und W. „Löw“ und „Ralf“ werden ähnlich ausgesprochen. Briten und Amerikaner unterscheiden zwischen V (/v/) (was dem deutschen W entspricht) und F (/f/), also klingen die Schlusskonsonanten in „half“ (/ha : f/) und „have“ (/hæv/) durchaus unterschiedlich.

Erwähnt werden soll hier schließlich auch das S am Wort- bzw. Silbenende. „use“ ist eben nicht „juß“; das S ist ein stimmhaftes wie im deutschen Wort „Rose“ (also /ju : z/).

Quelle www.wikihow.com/Do-a-German-Accent

Quelle www.wikihow.com/Do-a-German-Accent

V und W: Nein, es geht nicht um deutsche Autos, sondern um eine weitere Herausforderung für den deutschen Muttersprachler. Denn das englische V entspricht dem deutschen W, das englische W hat eigentlich keine deutsche Entsprechung und wird wie ein U ausgesprochen („konsonantisch benutzter U-Laut, ähnlich dem kurzen, ungespannten U in Bauer“). Ein Beispiel zeigt auch Tabelle 01.

Quelle www.wikihow.com/Do-a-German-Accent

IPA-SymbolEnglisches BeispielDeutsches Beispiel
vvatVegetarier, wohl
wwet(keine dt. Entsprechung)

Tab. 01 Quelle Martin Böcker

Wir beginnen zu verstehen, warum deutsche Muttersprachler das bekannte Textverarbeitungsprogramm „WÖRT“ aussprechen. Das T am Ende, was eigentlich wie ein stimmhaftes, weiches D ausgesprochen werden muss, haben wir bereits erörtert. Dazu kommt noch das englische W, das eher nach U klingt. Ein „R“ hört man dabei auch kaum. Dies führt zur korrekten Aussprache „UÖD“ (/wә : d/). Jetzt sollten wir auch „We use Word“ vernünftig aussprechen können.

G, SH und CH: Bei diesen Konsonanten handelt es sich um weitere „Klassiker“. Es gibt einen Unterschied zwischen „ship“ und „chip“! Bei letzterem (dem CH) hört man einen T-Laut vor dem SCH. Wieder anders beim G (wie in „German“ – mit deutschem Akzent „Tschörman“), das wie „Dschungel“ klingen sollte (das SCH wie das G in „Etage“); ebenso bei „junk“ und „chunk“, „hatch“ und „hedge“.

Quelle www.wikihow.com/Do-a-German-Accent

Nicht gesprochene Konsonanten: Zu guter Letzt gibt es sehr viele Konsonanten, die in bestimmten Wörtern nicht ausgesprochen werden. In „Iron Man“ spricht man kein R, also „iron“ wie „aien“ (/ ‚ aiәn/). Weitere Beispiele sind nicht gesprochene Bs in thumb, womb, dumb, lamb, combing, climber, plumber, subtle, debt und doubt, unterdrückte Cs in ascend, crescent, fascinated, muscle, und Ds, die nicht ausgesprochen werden, in sandwich, handsome, und handkerchief.

Nichts Neues?

Bestimmt wussten Sie das alles bereits. Aber meine Hoffnung ist, dass diese Hinweise Sie ein wenig auf die hässlichen und verräterischen Merkmale des deutschen Akzents achten lassen. Auf der Website www.gutes-englisch.de stehen weitere Beispiele und Übungen.

Jetzt sollte es auch klappen mit „Word“(„UÖD“ (/wә : d/)), „Excel“ („IKSSELL“(/ik ‚ sel/), mit Betonung auf der zweiten Silbe) und „Access“ („Äkssess“ (/ ‚ ækses/) mit Betonung auf der ersten Silbe).

Mann mit Hut trinkt auis einer Tasse.