Wortlos verstehen

Text: Monja Eberlein Steffen Kroop

Ob Schnelleinstieg, Montagehilfe oder Kurzanleitung – nonverbale Anleitungen eignen sich dort, wo jemand eine Funktion oder einen Ablauf auf einen Blick verstehen muss. Zudem können sie die Kosten für Druck und Übersetzung senken. Doch die Anleitungsform hat auch ihre Grenzen.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 11:18 Minuten

Haben Sie Lust auf ein kleines Experiment zum Thema „sprachneutrale Anleitungen“? Dann holen Sie doch bitte Ihr Portemonnaie aus der Tasche, nehmen Sie einen Geldschein und lassen Sie sich mit uns auf die folgende Geschichte ein: Samstagvormittag flattert eine Einladung ins Haus. Thomas, Ihr Freund aus Schulzeiten, heiratet seine Melanie. Sie freuen sich schon jetzt auf die Feier. Schließlich sind die beiden dafür bekannt, alles wunderbar bis ins letzte Detail zu planen. Jede Geburtstagsfeier von Thomas, die Sie schon miterleben durften, endete in einem rauschenden Fest.

Doch schnell ebbt die Vorfreude wieder ab, als Ihnen auffällt, dass Sie für die beiden ein Geschenk brauchen – etwas Außergewöhnliches am besten. Etwas, das nicht jeder verschenkt. Als Sie gerade anfangen, nach Ideen zu kramen, fällt Ihnen der rettende Zweizeiler ins Auge: „Da wir früher oder später das Projekt ‚Eigenheim‘ angreifen wollen, freuen wir uns über eine kleine Unterstützung für die Baukasse.“ Glück gehabt, Sie müssen sich über das Geschenk vorerst keine Gedanken zu machen.

Doch am Tag vor der Trauung holt Sie das Thema schließlich wieder ein. Das Geschenk steht fest – 100 Euro in 20ern und 10ern. Doch wie kann man das Geld präsentieren, ohne dass es langweilig wirkt? Sie entscheiden sich, die Scheine in Form eines Herzens zu falten. Und jetzt sind Sie dran: Falten Sie einen Geldschein in Form eines Herzens.

Eine Alltagsanleitung

Der erste Versuch hat leider nicht geklappt? Das macht nichts. Den meisten Menschen würde es ähnlich gehen. Manchmal braucht es eben auch für vermeintlich banale Alltagsaufgaben eine Anleitung. Wir erklären Ihnen kurz, wie es funktioniert (Inf. 01).

So falten Sie ein Herz

Legen Sie die lange Kante nach oben auf die andere lange Kante und falten Sie den Schein horizontal in der Mitte. Jetzt falten Sie die linke schmale Kante vertikal auf die rechte schmale Kante, so dass ein kleines Buch entsteht. Knicken Sie jetzt die obere Buchhälfte um 90 Grad entlang der linken Kante des Scheins nach oben, so dass ein papierfliegerähnliches Gebilde entsteht. Um die oberen Rundungen des Herzens zu erhalten, knicken Sie die vier Ecken mit der Bergfaltung gleichmäßig nach hinten um.

Inf. 01 Quelle Monja Eberlein und Steffen Kroop

Haben Sie den Geldschein nach unser Anleitung in Herzform gebracht? Etwa nicht? Versuchen Sie noch immer, den Papierflieger zu erkennen? Oder fragen Sie sich gerade, was eine Bergfaltung sein soll? Und welche vier Ecken meinen die eigentlich, hier sind doch mindestens sieben zu sehen? Na gut, das hat noch nicht funktioniert. Aber so schnell sollten Sie nicht aufgeben. Lassen Sie uns einen weiteren Versuch starten. Werfen Sie einen Blick auf Abbildung 01 und falten Sie erneut. Wir sind sicher, jetzt klappt es.

Quelle Monja Eberlein und Steffen Kroop

Abb. 01 Faltanleitung ohne Wörter, dafür bestimmt mit mehr Erfolg. Quelle Monja Eberlein und Steffen Kroop

Lernen nach Vorbildern

Es gibt Informationen und insbesondere Handlungsabläufe, die nur mit Wörtern kaum oder zumindest deutlich schwerer vermittelt werden können als mit Bildern. Das betrifft nicht nur vermeintlich banale Alltagsherausforderungen wie Geldgeschenke basteln, Krawatten binden oder Schuhe schnüren, sondern es hat grundlegenden Einfluss auf alle erdenklichen Lernprozesse.

Vielleicht haben Sie es längst gewusst oder zumindest geahnt: Der Mensch ist von Grund auf faul. Das zeigt sich auch in der Art, wie wir lernen. Wo immer möglich versuchen wir, unsere Lernprozesse abzukürzen. Das funktioniert besonders gut, wenn wir uns selbst zum Nutznießer der Erfahrungen und des Lernens anderer machen. Ob Lehrer, Sporttrainer, Mentor oder Influencer: Wir lernen von einem Vorbild, indem wir Verhaltensweisen beobachten, visuelle Eindrücke verarbeiten und das Gesehene nachahmen. Das spart uns die Zeit und Energie, die wir sonsten bräuchten, uns Verhaltensalternativen auszudenken, selbst auszutesten und Lösungen zu erarbeiten. So wie bei dem Herz, das Sie mit der Bildanleitung als Vorbild sicher schneller falten konnten als im ersten Versuch. Diese Theorie vom Lernen am Modell ist nichts Neues: Bereits in den 60er Jahren hat Albert Bandura mit dem so genannten Bobo-doll-Experiment gezeigt, auf welche mitunter erschreckende Weise sich Vorbilder auf den Verhaltenserwerb von Kindern auswirken können [1]. Jüngste Studien zum Mangel weiblicher Vorbilder in der Wirtschaft belegen Ähnliches [2].

Zu diesem Ansatz des Modelllernens kommt, dass jeder von uns über eine Art „inneres Auge“ verfügt. Dabei handelt es sich um einen speziellen Teil des Gedächtnisses, in dem alle non-verbalen Informationen wie auf einem räumlich-visuellen Notizblock gespeichert werden. Optisch-visuelle Eindrücke werden im Vergleich zu verbalen Eindrücken nicht nur schneller und in größeren Mengen gespeichert, sondern auch prägnanter archiviert. Denn anders als bei schriftlichen Informationen müssen visuelle Informationen nicht mehrfach rezipiert und/oder in Gedanken wiederholt werden, um sie sich zu merken. Bilder können bereits nach dem ersten Wahrnehmen im Gedächtnis hinterlegt sein.

Das innere Auge kann ganz unterschiedlich ausgeprägt sein, was zu interessanten Phänomenen führt: Sicherlich kennen Sie jemanden, der über ein so genanntes „eidetisches Gedächtnis“ verfügt, umgangssprachlich auch fotografisches Gedächtnis genannt. Oder Sie haben womöglich selbst von Zeit zu Zeit Déjà-vu-Erlebnisse. Diese Täuschung kann entstehen, wenn ein aktuell wahrgenommenes Bild einem Bild ähnelt, das in der Vergangenheit im Gedächtnis abgespeichert wurde.

Bewegt oder statisch, real oder symbolisch – Menschen lernen also besonders effizient über Bilder. Wie können wir dieses Wissen in der Technischen Redaktion nutzen?

Ein Weg: sprachneutrale Anleitungen

Der Begriff „sprachneutrale Anleitung“ beschreibt im Grunde eine Technische Dokumentation, die alle relevanten Informationen über Bilder vermittelt. In solch einer Anleitung wird möglichst vollständig auf Text verzichtet, indem zum Beispiel selbst Überschriften durch ein Symbol, ein Piktogramm oder ein Icon in der Kopfzeile visualisiert werden.

Der Grafikstil der Wahl sind dabei meist Zeichnungen, weniger Fotos. Der Grund hierfür ist recht einfach: Durch den gezielten Einsatz von Linien oder auch Flächen kann der Ersteller der Anleitung frühzeitig entscheiden, welche Informationen er dem Betrachter an die Hand geben will. Dadurch nimmt der Ersteller sozusagen eine didaktische Reduktion vor und lenkt so den Fokus des Lesers gezielt auf wesentliche Informationselemente. Ein Foto hingegen bildet die Wirklichkeit stets sehr viel detailreicher ab und überlässt es letztlich dem Rezipienten, aus der Summe an Details die einzelnen für ihn relevanten Informationen zu extrahieren. Die kognitive Leistung, die der Leser bzw. in diesem Fall eher der Betrachter erbringen muss, ist deutlich höher, der Grad der Verständlichkeit dadurch niedriger.

Nicht immer gelingt es, vollständig auf Text zu verzichten. Beispielsweise ist es schwierig, eine Temperaturangabe ausschließlich visuell zu präsentieren. Denn hier bedarf es einer konkreten Angabe, bestehend aus einem Wert, der nur über Ziffern wiedergegeben werden kann. Außerdem gehört eine Maßeinheit dazu. Sie macht den kleinen, aber entscheidenden Unterschied aus, ob es sich bei der Angabe um 37 Grad Celsius oder 37 Grad Fahrenheit handelt.

Auf eine textlose Informationsvermittlung wird häufig bei Kurzanleitungen zurückgegriffen. Grundsätzlich sind dem Umfang einer sprachneutralen Anleitung aber keine Grenzen gesetzt. Wer von Ihnen schon einmal ein Auto von „Lego Technik“ zusammengebaut hat, weiß, dass das Prinzip auch über 500 Seiten funktionieren kann. Gleichzeitig lässt es sich nicht pauschalisieren, für welche Produkte eine sprachneutrale Anleitung besonders geeignet ist. Allerdings können Sie sich bestimmt vorstellen, dass die Bedienung eines Wasserkochers visuell leichter dazustellen ist als Handlungsschritte eines Softwaremanuals.

Tucholsky oder da Vinci

„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“ Sicherlich haben Sie dieses Zitat, das dem deutschen Schriftsteller Kurt Tucholsky zugeschrieben wird, schon oft gehört. Aber hat er Recht? Zumindest hat unser Geschenkedilemma vom Anfang gezeigt, dass Tucholsky nicht ganz Unrecht hat: Es gibt Handlungen, die bildlich sehr viel besser dargestellt werden können als mit Text. Bilder sind anschaulicher, dadurch greifbarer, leichter verständlich und so häufig aussagekräftiger, als es ein textliches Äquivalent sein kann.

Es kommt ein weiterer Vorteil hinzu: Stellen Sie sich vor, Sie sind nicht der einzige Gast, der Thomas und Melanie Geld zur Hochzeit schenken möchte. Alle Gäste des Brautpaares wollen ein großes Plakat mit herzförmig gefalteten Geldscheinen basteln. Mithilfe der visuellen Faltanleitung ist es überhaupt kein Problem, dass auch Freunde aus einem anderen Sprachraum mitmachen können. Zum Beispiel die internationalen Freunde von Thomas aus dem Erasmusprogramm, das ihn zu Studienzeiten nach Argentinien führte. Oder auch Melanies Teamkollegin aus dem indischen Tochterkonzern kann ganz einfach formschöne Herzen beitragen.

Sprachneutrale Anleitungen entkoppeln das Verständnis einer Information von kognitiven Fähigkeiten wie dem Sprachverständnis oder dem Lesevermögen. Sie können damit Informationen einem viel breiteren Publikum zugänglich machen. Das ist auch deshalb interessant, da in Deutschland etwa 6,2 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter nicht richtig lesen und schreiben können [3]. Auch Kinder, die noch nicht lesen können, oder Jugendliche, die zunehmend schlechtere Textverarbeitungskompetenzen aufweisen, können alternative Zugangswege zu einem Produkt erhalten.

Für die Technische Dokumentation haben nonverbale Anleitungen weitere Vorteile:

  • geringe Übersetzungskosten
  • geringe Druckkosten, da zusätzliche Sprachvarianten entfallen
  • und nicht zuletzt: Ein Produkt lässt sich flexibel auf neue Zielmärkte bringen, ohne gravierende Nacharbeiten an der Anleitung vornehmen zu müssen

Letzteres setzt natürlich voraus, dass die non-verbale Anleitung frei von kulturkreisspezifischen Symbolen, Gesten oder auch Farbcodes ist. Denken Sie nur mal an den Aufwand, die bildliche Darstellung des vermeintlich unverfänglichen Kapitels „Stromversorgung herstellen“ umzusetzen, wenn es weltweit mindestens 15 verschiedene Steckdosentypen gibt.

Zeitaufwand nicht unterschätzen

Tun wir einfach mal so, als wäre die Aussage „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ eine Tatsache. Aber zeichnen Sie mal diese Aussage. Schon steht man vor einer Herausforderung, die selbst Leonardo da Vinci nicht so einfach bewältigt hätte. Auch wenn da Vinci mit dem vitruvianischen Menschen gezeigt hat, dass er komplexe Dinge verständlich visualisieren kann.

Auch würde Leonardo da Vinci nicht einfach loszeichnen, sondern zunächst Ideen sammeln und dann ein Konzept entwickeln. Neben Aspekten wie Format, Layout, Perspektive, Farbwahl, Navigationselemente, Visualisierungshilfsmittel wie Symbole oder Lupen würde er heute auch Publikationsformate (Print oder Online?) und die Zielgruppen berücksichtigen.

Eine sprachneutrale Anleitung muss also von Anfang bis Ende gut durchdacht sein, was letztlich Zeit kostet. Denn die Anleitung ist grundsätzlich mit einem höheren Erstellungsaufwand verbunden als ihr textlicher Zwilling. Zum Vergleich: Für den Erstentwurf unserer ausformulierten Faltanleitung haben wir etwa 3 ½ Minuten benötigt. An der visuellen Anleitung hingegen haben wir fast fünf Stunden gearbeitet. Und machen wir uns nichts vor: Auch in der dreifachen Arbeitszeit hätte die eine von uns beiden das Ergebnis in nicht annähernd ähnlicher Qualität hinbekommen wie der andere. Denn für eine sprachneutrale Anleitung mit leicht erfassbaren, ästhetisch ansprechenden Bildern, die keinen Spielraum für Fehlinterpretation lassen, braucht es eine Reihe an Kompetenzen: idealerweise eine Ausbildung in Gestaltung, einen scharfen Blick für Details, technisches Verständnis, ein grundlegendes Gespür für Ästhetik, räumliches Vorstellungsvermögen, etwas künstlerisches Talent und vor allem auch Wissen über die Wahrnehmungsfähigkeit der Zielgruppe. Daher ist es ratsam, für eine sprachneutrale Anleitung eine Technische Illustratorin oder einen Technischen Illustrator ins Team zu holen.

Von der Idee zum Ergebnis

Werfen wir einen Blick auf ein Projekt aus der Technischen Dokumentation. Daran lässt sich erkennen, wie man von einer Idee zur fertigen sprachneutralen Anleitung gelangt. Ein solches Projekt entstand bei der Firma Aug. Winkhaus GmbH & Co. KG. Das Produktmanagement hatte die Idee, einen sprachneutralen Quick Installation Guide (QIG) zu ihrem elektronischen Türbeschlag ETB-IM zu erstellen. Zusätzlich sollte eine Bohrschablone beigelegt werden. Als besonderer Kniff sollte die Bohrschablone in der Kopf- und Fußzeile um ein Lineal ergänzt werden. Die Anwenderin oder der Anwender sollte für den Bohrvorgang kein zusätzliches Werkzeug benötigen, zum Beispiel eine Wasserwaage. Die Zielgruppe, für die man den Montagevorgang möglichst unkompliziert gestalten wollte, stand bei der Erstellung des QIG also von Anfang an im Zentrum.

Bei einem gemeinsamen Termin arbeitete unsere Illustrationsabteilung zusammen mit dem Produktmanagement und der Technischen Redaktion von Winkhaus ein Illustrationskonzept aus. Das Konzept musste nicht nur dem Corporate Design des Unternehmens gerecht werden, sondern sollte auch mit dem smarten und kompakten Charakter des Produktes mithalten.

Während dieses Ideenworkshops wurden Fragen diskutiert wie:

  • Welche Informationen nehmen wir in den QIG auf, welche Inhalte schließen wir bewusst aus?
  • Auf welche Symbolik wollen wir zurückgreifen, um eine einfache Navigation mithilfe eines visuellen Inhaltsverzeichnisses in der Kopfzeile zu ermöglichen?
  • Wie viele Handlungsschritte sollen in eine einzelne Grafik integriert werden?
  • Welches Farbkonzept wollen wir anwenden?
  • Arbeiten wir mit Graustufen, verwenden wir eine bis zwei Muster­farben für Hervorhebungen oder möchten wir das gesamte CMYK- Farbspektrum nutzen? Hier kann es zum Beispiel – abgesehen vom Zusammenspiel der gewählten Farben – entscheidend sein, welche Auflagen­höhe für die Anleitung geplant ist. Denn unter Berücksichtigung der Stückzahl können die Druckkosten stark variieren. Das hängt davon ab, ob man sich für einen Digital- oder Offsetdruck entscheidet, aber auch, ob im Offsetdruck eine oder fünf Druckplatten benötigt werden.

Das Ergebnis des Illustrationsprojekts sehen Sie auszugsweise in den Abbildungen 02 und 03. Der finale QIG gliedert sich in fünf Kapitel. Sie bestehen aus 14 Seiten Bildanleitung mit insgesamt 38 informierenden oder handlungsanleitenden Grafiken in Kombination mit zwölf Icons und Symbolen. Weitere Visualisierungselemente finden sich etwa in Form von Lupen zur Hervorhebung entscheidender Details, Pfeilen in der Hauptfarbe des Unternehmens oder Gut-/Schlecht-Mustern zur Vorbeugung von Montagefehlern. Die Bohrschablone wurde als Ausklappseite in den Umschlag integriert. Durch das dickere Papier bekommt sie mehr Stabilität.

Quelle Monja Eberlein und Steffen Kroop

Abb. 02 Die Montageanleitung für einen elektronischen Türbeschlag besteht fast komplett aus Illustrationen; Textelemente sind nur dort platziert, wo eine Illustration nicht umsetzbar wäre. Quelle Monja Eberlein und Steffen Kroop

Die Grenzen der Sprachneutralität

Am Beispiel von Winkhaus lässt sich erkennen, welchen ästhetischen, aber auch universal verständlichen Mehrwert Bilder haben können. Zugleich zeigt es jedoch, bei welchen Informationen Sprachneutralität an ihre Grenzen stößt: Maßeinheiten und Kontaktdaten, Sinneswahrnehmungen wie Geräusche („CLICK“), Gerüche oder Tastempfinden. Zudem gehören die Darstellung von Varianten und Optionen zu den schwierigsten Herausforderungen bei der Erstellung einer textlosen Anleitung. Bei der Beschreibung technischer Inhalte bleibt es deshalb leider nicht immer aus, einen Schritt zurückzugehen und statt einer textlosen Anleitung eine textminimale Anleitung zu erstellen – der Verständlichkeit zuliebe.

Besonders deutlich tritt dies beim Abbilden sicherheitsrelevanter Informationen zutage: Während es meist noch einfach ist, mit einem Symbol auf das Vorhandensein einer Gefahr hinzuweisen oder die Gefahrenstelle visuell kenntlich zu machen, stößt man bei der Gefahrenbeschreibung, dem Ausmaß der Folgen im Falle des Eintretens und bei der Erklärung komplexer Entkommensstrategien deutlich an zeichnerische Grenzen. In diesem Fall könnte man über einen Kompromiss nachdenken: Man ergänzt die sprachneutrale Anleitung um ein texthaltiges Sicherheitsinformationsblatt. Plant man dieses Blatt kompakt und übersichtlich, werden Druck- und Übersetzungskosten nicht exorbitant steigen, das Verletzungsrisiko und die Gefahr von Sach- und Umweltschäden aber gleichzeitig reduziert. Den Verweis auf das zusätzliche Informationsprodukt kann man wiederum visuell und sprachneutral abbilden (Abb. 03).

Quelle Monja Eberlein und Steffen Kroop

Abb. 03 Gleich am Anfang verweist die Anleitung auf zusätzliche Texte, die zur Sicherheit informieren. Quelle Monja Eberlein und Steffen Kroop

Planen Sie eine sprachneutrale Anleitung am besten so, wie unser Hochzeitspaar seinen großen Tag geplant hat: mit ausreichend zeitlichem Puffer und einem soliden finanziellen Budget; überlegen Sie sich eine ansprechende Umgebung und planen Sie so, dass das, was am Ende steht, zur Zielgruppe passt. Denn im Grunde verhält es sich bei einer sprachneutralen Anleitung wie in einer glücklichen Ehe: Wenn man weiß, was der andere will, ohne dass er es aussprechen muss, ist alles gut.

Literatur zum Beitrag

[1] Bandura, Albert; Ross, Dorothea; Ross, Sheila A. (1961): Transmission of aggressions through imitation of aggressive models. In: Journal of Abnormal and Social Psychology, 63, S. 575–582.

[2] Meier, Kristina; Niessen-Ruenzi, Alexandra; Ruenzi, Stefan (2019): The Impact of Role Models on Women’s Self-Selection in Competitive Environments.

[3] Grotlüschen, Anke; Buddeberg, Klaus; Dutz, Gregor; Heilmann, Lisanne; Stammer, Christopher (2019): LEO 2018 – Leben mit geringer Literalität. Presse­broschüre, Hamburg.

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