An Sprache sparen

Text: Steffen-Peter Ballstaedt

Die Technische Kommunikation ist historisch in eine breite kulturelle Tradition eingebettet mit Bezügen zu Philosophie, Handwerk, Kunst und Wissenschaft. Heute: Kurzwörter.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 02:32 Minuten

Über den Aküfi (= Abkürzungsfimmel) in Fachsprachen ist schon oft gelästert worden. Das medizinische Fachlexikon Pschyrembel enthält etwa eine Million Termini, darunter 22.000 Kurzwörter. Über die verschiedenen Technikbranchen hinweg dürfte die Zahl ebenso hoch ausfallen.

Im linguistischen Labor

Die Linguistik unterscheidet verschiedene Kurzwörter. Allen ist gemein, dass sie für einen längeren sprachlichen Ausdruck, die Vollform, stehen [1]. Abkürzungen sind Schreiberleichterungen, die regelhaft aus einer Buchstabengruppe des Basisworts zusammengesetzt sind: Bsp., Anm., usw. Eine Form der Abkürzung sind Silbenkurzworte wie Navi, Akku oder Trafo. Eine andere sind Buchstabenkurzworte, die sich aus beliebigen Buchstaben der Vollform zusammensetzen: DAX (= Deutscher Aktienindex). Akronyme oder Initialwörter werden aus den Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter zusammengesetzt: EDV (= Elektronische Datenverarbeitung), ABS (= Antiblockiersystem). Ein Apronym ergibt ein bereits existierendes Wort: ELSTER (= Elektronische Steuererklärung).

Geläufige Kurzworte stellen kein Verständnisproblem dar. Allerdings sollte sich eine Autorin oder ein Autor im Duden über einige Rechtschreibregeln informieren, was Flexion, Punktsetzung oder Leerzeichen betrifft.

Schonen von Ressourcen

Menschen vermeiden gern Anstrengungen, auch kleine. Deshalb werden für lange und häufig vorkommende Wörter oder Wortgruppen Kurzwörter eingeführt. In der Antike brauchte man bei Inschriften nicht so viele Buchstaben eingravieren und im Mittelalter hatten die Mönche weniger Text zum Abschreiben. Der Linguist George Kingsley Zipf (1932) hat einen Zusammenhang zwischen Worthäufigkeit und Wortlänge entdeckt. Es besagt vereinfacht ausgedrückt: Je häufiger ein Wort vorkommt, desto kürzer ist es. Im Grundwortschatz des Deutschen nehmen kurze Wörter die vorderen Plätze ein: 1. der, 2. die, 3. und, 4. in, 5. des. Kurzwörter folgen einem Ökonomieprinzip der Sprache. Wenn ein sprachlicher Ausdruck sehr oft verwendet wird, dann bilden die Sprachbenutzer eine Abkürzung. Statt immer wieder „Personal Computer“ zu sagen, sprechen sie vom PC. Der Aufwand beim Sprechen und Schreiben wird verringert, was eine Schonung gei­stiger Ressourcen bedeutet. Das gilt auch für andere Kommunikationssituationen: Früher in Telegrammen, heute in Chats wimmelt es von Kurzwörtern für immer wiederkehrende Mitteilungen: ILD (= Ich liebe dich), LOL (= Laughing out loud).

Barrieren der Kommunikation

Für die fachinterne Kommunikation sind Kurzwörter ein Segen. Denn wer möchte statt von Laser von Light Amplification by Stimulated Emissions of Radiation sprechen? Oder statt von Radar von Radio Detection and Ranging? Kurzwörter vereinfachen die Kommunikation zwischen Experten in einer Wissensdomäne: Sie sind kurz und prägnant. In der Experten-Laien-Kommunikation können diese Schreib- und Leseerleichterungen aber zur Sprachbarriere werden. Ein Adressat kennt den Insiderjargon nicht oder er versteht ihn falsch. Deshalb wird angehenden Technischen Redakteurinnen und Redakteuren die Richtlinie auf den Weg gegeben, ein Akronym beim ersten Vorkommen explizit mit der Vollform einzuführen.

Oft hat man bereits vergessen, für was ein Akronym steht, das Akronym ist zum eigenständigen Wort geworden. Die Vollform eines Akronyms in verschiedenen Sprachen findet man im Web in einem Akronym-Lexikon [2]. Dort kann man zum Beispiel feststellen, dass das Akronym CMS allein 95 Bedeutungen hat. Wikipedia bietet eine Seite an, auf der man Links zu Abkürzungslexika für bestimmte technische Domänen findet, zum Beispiel Luftfahrt, Eisenbahn oder Computer [3].

Auch noch Backronyms

Ein beliebter Scherz ist die Uminterpretation von Wörtern und Akronymen. Man nennt das auch Backronym: Team (= Toll, ein anderer machts) oder TÜV (= Totaler Übelkeits-Verursacher).

Selbst das Acronym muss sich eine Umdeutung gefallen lassen: Alphabetic Collocation reducing or numbing your Memory. Und das ist kein Witz: RkReÜAÜG steht für Rinderkennzeichnungs- und Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz.

Links und Literatur

[1] Steinhauer, Anja (2000): Sprachökonomie durch Kurzwörter. Tübingen: Gunter Narr Verlag.

[2] Globale Akronym-Datenbank: http://de.globalacronyms.com

[3] Listen von Abkürzungen: http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Listen_von_Abkürzungen

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