Konform durch Benutzungsinformation

Die Dokumentationsnorm IEC/IEEE 82079-1 fordert Product Compliance und verbindet damit Produktsicherheit, Produkthaftung und Vertragsrecht. In der Praxis ist nicht immer klar, was das genau bedeutet – Zeit, den Zusammenhang zu beleuchten und Missverständnisse auszuräumen.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 10:39 Minuten

Die IEC/IEEE 82079-1 ist eine Norm mit zahlreichen Grundsätzen. Angaben macht die Norm etwa zur „Product Compliance“, und zwar im Abschnitt 5.2.5 „Produktkonformität durch die Nutzungsinformation“. In abstrakter und komprimierter Form, wie ein Auszug zeigt (Inf. 01).

Der Abschnitt 5.2.5 bedarf daher einiger Erläuterungen, um die Tragweite der normseitigen Aussagen treffend zu erfassen. Dies deutet nicht darauf hin, dass die Normverfasser nicht in der Lage gewesen wären, den Abschnitt ausführlicher zu formulieren. Die Kürze der Aussagen belegt vielmehr, dass es bei den rechtlichen Anforderungen für Produkte und damit auch für die Nutzungsinformation auf den Einzelfall ankommt. Jedes Regelwerk würde seinen Sinn verfehlen, enthielte es „Kochrezepte“ für die schier unendliche Vielfalt von Benutzungsinformationen. Mit dem Verweis auf Abschnitt 5.2.5 der Norm ist es daher nicht getan. Vielmehr bedarf es der konkreten Umsetzung für das jeweilige Produkt, um die Blaupause zu entwickeln, nach der die Technische Dokumentation erstellt werden kann. Dies macht sicherlich Mühe, kostet Geld und Zeit. Es gibt jedoch keinen Ausweg, um letztlich rechtssicher zu agieren

DIN EN IEC/IEEE 82079-1:2021

Zitat aus der Norm

5.2.5 Produktkonformität durch die Nutzungsinformation

Das Rahmenwerk für die Übereinstimmung mit dem Produkt besteht im Allgemeinen aus den folgenden juristischen Bereichen:

a) Produktsicherheit
b) Produkthaftung und
c) Verträge

Da die Nutzungsinformationen Teil des unterstützten Produkts sind, kann die Rechtskonformität der Nutzungsinformationen als Teil der Rechtskonformität des Produkts betrachtet werden.


Inf. 01 Quelle DIN EN IEC/IEEE 82079-1:2021

Wie lauten die Aussagen?

Sehen wir uns Abschnitt 5.2.5 genauer an. „Das Rahmenwerk besteht im Allgemeinen …“ mit der Einleitung dürfte klar sein, dass es individueller Prüfung bedarf, welche Anforderungen Produkt und Benutzungsinformation tatsächlich erfüllen müssen. Hierbei ist entscheidend zu verstehen, dass die rechtlichen Regelungen vom jeweiligen Vertriebsgebiet abhängen. Das so genannte „anwendbare Recht“ können die Vertragsparteien bestimmen und vereinbaren. Eine solche Wahl deckt jedoch nicht alle rechtlichen Anforderungen ab.

Vielmehr ergibt sich das anwendbare Produkthaftungsrecht aus dem Vertriebsgebiet des Produktes. In nahezu jeder Rechtsordnung kann eine geschädigte Person, die in Kontakt mit einem fehlerhaften Produkt gekommen ist, bestimmen, ob sie den Hersteller nach ihrem eigenen Recht in Anspruch nimmt oder auf das Recht am Sitz des Herstellers zurückgreift.

In der Praxis wird regelmäßig das Recht der geschädigten Person angewandt. Praktisch führt dies allerdings nicht zu wesentlich anderen materiellen Ansprüchen, die es zumindest in Hinblick auf die Benutzungsinformation zu erfüllen gilt. Die Rechtsordnungen der für die deutsche Wirtschaft wesentlichen Märkte folgen weitgehend einheitlichen Rechtsprinzipien.

Eine ganz andere Situation ergibt sich beim Produktsicherheitsrecht. Wenn ein Produkt die Grenze überschreitet, sind diese Regeln verbindlich. Irrelevant ist hingegen, welches anwendbare Recht im Kaufvertrag steht. Der Kaufvertrag wird dem Privatrecht zugeordnet. Das Produktsicherheitsrecht ist hingegen öffentliches Recht und dem Zugriff des Privatrechts vollständig entzogen. In der Praxis bedeutet dies, dass für das jeweilige Produkt und das jeweilige Vertriebsgebiet zu klären ist, welche produktsicherheitsrechtlichen Vorgaben gelten. Dabei ist nicht nur das so genannte Inverkehrbringensrecht relevant. Damit gemeint sind die rechtlichen Regelungen, die erfüllt sein müssen, damit das Produkt überhaupt in dem jeweiligen Vertriebsgebiet verkehrsfähig ist.

Vielmehr geht es um die rechtlichen Regeln, die bestimmen, was der Betreiber und Anwender eines Produktes als rechtliche Vorgabe einzuhalten hat. Bei industriellen Produkten sind dies die Regeln des Arbeitsschutzes. Nach diesen muss etwa die Lesbarkeit von Aufschriften auf einem Arbeitsmittel an der jeweiligen Arbeitsstätte sichergestellt sein.

All dies gilt es zu recherchieren und in Vorgaben für die Gestaltung der Nutzungsinformation und Aufschriften am Produkt umzusetzen. Dabei kann sich die Situation ergeben, dass sich die Sinnhaftigkeit derartiger Vorgaben durchaus hinterfragen lässt. Sieht eine gesetzliche Regelung wie beispielsweise der „National Electric Code“ für die USA die Gestaltung eines Warnhinweises vor, dann ist dies zwingend umzusetzen. Auch dann, wenn Inhalt und Gestaltung dieses Warnhinweises den Maßstäben einer guten Technischen Dokumentation nicht entsprechen.

An dieser Stelle der Hinweis: Die „universell“ einsetzbare Benutzerinformation, die in jedem Vertriebsgebiet auf dieser Welt ohne Weiteres zum Einsatz kommen kann, ist ein Irrtum. Eine individuelle Prüfung der Anforderung ist immer erforderlich, wie es Abschnitt 5.2.4 der IEC/IEEE 82079-1 ausdrückt. In der Praxis bedeutet dies, dass sich Benutzerinformationen zwar auf grundlegend globalisierten Informationen aufbauen lassen, beispielsweise in einem Redaktionssystem. Die publizierten Informationen müssen jedoch regelmäßig und gezielt lokalisiert werden. Dies gilt auch für Informationen, die digitalisiert bereitgestellt werden.

Was bedeutet „Rahmenwerk“?

In Abschnitt 5.2.5 ist von einem Rahmenwerk an rechtlichen Regeln die Rede. Wo finden sich derartige Regeln und wie lassen sie sich in einem normenkonformen Arbeitsablauf für die Technische Redaktion umsetzen? Entscheidend für die Anwendung des Rahmenwerkes ist die Erkenntnis, dass die Anforderungen durch die in den jeweiligen Rechtsgrundlagen beschriebenen Funktionalitäten bestimmt werden. Die Norm nennt als Rechtsgrundlagen:

  • Vertragsrecht
  • Produkthaftungsrecht
  • Produktsicherheitsrecht

Vorgaben aus Vertragsrecht

Im Vertragsrecht geht es um die Anforderungen der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit. Dies ist relativ einfach zu handhaben, wenn die Beschaffenheit in einem Vertrag geregelt wird, zum Beispiel durch technische Spezifikationen. Oft fehlen aber diese Angaben. Dann bestimmen Vertragszweck und die Üblichkeit von Vorgaben die vertragliche Beschaffenheit. Mit Vertragszweck ist gemeint, dass eine solche Beschaffenheit zu leisten ist, die es erlaubt, den vertraglich vorausgesetzten Zweck zu erfüllen. Dies ist bei einem Produkt seine Bedienbarkeit. Heruntergebrochen auf die Benutzungsinformation bedeutet dies: Es sind die Informationen zur Verfügung zu stellen, die der Vertragspartner benötigt, um mit dem Produkt dem Vertrag entsprechend umgehen zu können. Dies betrifft nicht nur den sicheren Umgang mit dem Produkt, sondern auch das Erreichen der vertraglich geschuldeten Leistung. Dazu gehört auch das Ermöglichen eines komfortablen Bedienens des Produktes wie auch das Erfüllen spezifischer Voraussetzungen. Beispielsweise eine Technische Dokumentation für eine Anlage: Die Dokumentation ermöglicht dem Betreiber, dass er die Genehmigung der Anlage einholen kann.

Einen weiteren Aspekt der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit gilt es zu betrachten. In vielen Vertragsrechten wie zum Beispiel dem deutschen Recht oder dem UN-Kaufrecht (CISG) wird verlangt, dass ein Kaufgegenstand die Beschaffenheit aufweist, die nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers von diesem Kaufgegenstand erwartet werden können. Zu den öffentlichen Äußerungen gehört auch die Benutzungsinformation. Dies bedeutet: Zum einen begründet die Benutzungsinformation eine rechtliche Erwartungshaltung. Sind darin Funktionen und Eigenschaften beschrieben und nicht ausdrücklich als Option gekennzeichnet, so kann der Vertragspartner ableiten, dass diese Features als vertraglich geschuldete Beschaffenheit von dem Kaufgegenstand erwartet werden können.

Auch an die Benutzungsinformationen selbst lassen sich über den Weg der öffentlichen Äußerungen Anforderungen formulieren. Wird etwa ein Werkzeug für den Heimwerker in der Werbung als besonders bedienungsfreundlich präsentiert, dann muss die Benutzungsinformation einfach zu verstehen sein.

Der Teil des Rahmenwerkes, der als Vertragsrecht zu bezeichnen ist, fordert daher eine genaue Analyse der Verträge, die mit Kunden abgeschlossen werden. Um dies handhabbar zu machen, folgt daraus, dass bei Massengeschäften eine Standardisierung nötig ist. Bei Großprojekten, etwa im Anlagenbau, wird dies kaum möglich sein. Schließlich herrscht dort ein hoher Grad an individuellen Informationen. Das spiegelt sich auch im Vertrag wider, der entsprechend individuell abgefasst ist.

Vorgaben aus Produkthaftungsrecht

Bei der Produkthaftung liegt der Fokus auf der Sicherheit. Die Benutzungsinformation ist hier auf die Gefahrenprävention ausgerichtet. Sowohl durch sinnvolle Benutzungshinweise wie auch durch die gesteigerte Form einer Sicherheitsinformationen oder eines Warnhinweises soll eine Person davor bewahrt werden, durch die Produktnutzung in eine gefährliche, schadensträchtige Situation zu kommen. Aus diesem Grundprinzip folgt, dass das Rahmenwerk bei der Produkthaftung nicht ohne eine Risikoanalyse des Produktes denkbar ist. Nur wenn die Risiken, die bei der Produktnutzung entstehen können, während der Entwicklung eindeutig identifiziert (und nach Möglichkeit abgestellt) werden, lässt sich rechtssicher eine Benutzungsinformation unter dem Aspekt des Produkthaftungsrechts verfassen. Die Kontrollfrage lautet immer: Wäre der Schaden auch entstanden, wenn die Nutzerin oder der Nutzer die Benutzungsinformation befolgt hätte? Lässt sich die Frage bejahen, etwa weil die Benutzungsinformation keine Hinweise enthält, die zur Gefahrenprävention beigetragen hätten, dann liegt ein Haftungsfall vor.

In diesem Zusammenhang ist auch die Zielgruppe von erheblicher Bedeutung, da die Produkthaftung eine zielgruppengerechte Benutzungsinformation erfordert. Es zeigt sich, wie eng die Zielgruppenanalyse als Anforderung der Norm und die rechtlichen Vorgaben verbunden sind.

Wichtig ist der Maßstab in Bezug auf die Sorgfaltsanforderungen an den Hersteller. Es gilt hier der Stand von Wissenschaft und Technik. Damit liegt die Messlatte sehr hoch: Nicht nur die Verfahren und Erkenntnisse, die bereits praktisch erprobt sind, müssen in die Produktgestaltung miteinfließen, sondern auch die Verfahren und Erkenntnisse, die auf wissenschaftlicher Ebene publiziert werden. Damit ist klar, dass es nicht allein auf die Anforderungen aus technischen Normen ankommen kann. Es sind zumindest Vorentwürfe von Normen zu berücksichtigen. Vor allem auch Erkenntnisse, die noch keinen Eingang in ein Normungsverfahren gefunden haben.

Konkret führt dieses Erfordernis dazu, dass ein Unternehmen Wissen sammeln und verwalten muss. Mit Hilfe von Wissensmanagement kann es den Stand von Wissenschaft und Technik einhalten. Für Benutzungsinformation spielt dies eine Rolle für deren Inhalt und Darstellung, weniger für die Art und Weise der medialen Ausbreitung.

Vorgaben aus Produktsicherheitsrecht

Beim Produktsicherheitsrecht spielt die Gefahrprävention ebenfalls eine maßgebliche Rolle. Insofern unterscheiden sich die Maßstäbe von Produktsicherheitsrecht und Produkthaftungsrecht nicht. Was in der Praxis des Produktsicherheitsrechts hinzukommt, sind die teils formalen Anforderungen, an denen vertragliche Absprachen nichts ändern können. So lässt sich etwa die gesetzliche Anforderung nach Übersetzung der Nutzungsinformationen in die Sprache eines Ziellandes vertraglich nicht außer Kraft setzen. Dies spielt ebenfalls eine Rolle bei der digitalen Benutzungsinformation. Im Produktsicherheitsrecht werden – teilweise auch künstlich anmutend – formale Anforderungen in Richtung Papierform formuliert, die ohne Einschränkungen einzuhalten sind. Dabei können sich die einzelnen Vertriebsgebiete erheblich unterscheiden.

Das Produktsicherheitsrecht – sowohl beim Inverkehrbringen als auch beim Arbeitsschutz – zeichnet sich im Vergleich zu den zivilrechtlichen Gesetzen durch umfangreiche sektor- oder produktspezifische Regelungen aus. Trotz oder auch wegen des Detaillierungsgrades bleiben Unsicherheiten, wie genau die Regelungen umzusetzen sind. So besteht nach wie vor keine abschließende Klarheit, ob das „Beifügen“ einer Anleitung im Sinne des New Legislative Framework die Schriftform impliziert. Unternehmen haben die Aufgabe, sich im Rahmen ihres Product-Compliance-Managements um eine korrekte Umsetzung der Anforderungen zu kümmern.

Die vorangegangenen Abschnitte machen deutlich, dass das Management des rechtlichen Rahmenwerks eine Herausforderung für die Unternehmen ist. Kein Wunder, wenn es in der Praxis zu Missverständnissen kommt. Vier davon werden in den nächsten Absätzen geklärt.

Die Haftung ausschließen

Hartnäckig hält sich das Gerücht, rechtliche Anforderungen könnten einfach durch „ein paar Zeilen Haftungsausschluss“ erledigt werden. Ein Ansatz, der in das Reich der Sagen und Mythen gehört. Der Haftungsausschluss stellt gerade kein „Allheilmittel“ für die rechtlichen Anforderungen dar.

Bereits im Vertragsrecht ist es nicht ganz einfach, einen wirksamen Haftungsausschluss zu erreichen. Dies funktioniert nur bei individuell ausgehandelten Verträgen. Soweit es das Massengeschäft anbetrifft und damit den Einsatz von allgemeinen Geschäftsbedingungen, schränkt die Rechtsprechung die Wirksamkeit von Haftungsklauseln weitgehend ein. Mit allgemeinen Geschäftsbedingungen lässt sich eine Haftungsklausel nicht wirksam vereinbaren. Darüber hinaus versagt das „Allheilmittel“ beim Produkthaftungsrecht und beim Produktsicherheitsrecht. Beim Produkthaftungsrecht erfolgt dies schlicht aus der Tatsache, dass der Hersteller eine geschädigte Person nicht kennt und somit ein Vertragsabschluss über einen Haftungsausschluss rechtlich nicht erreichbar ist. Zudem schließen viele Produkthaftungsgesetze ausdrücklich eine Haftungsbegrenzung aus.

Ebenso ist es nach dem Produktsicherheitsrecht nicht möglich, über den Haftungsausschluss eine Herabsetzung der Anforderungen zu erreichen. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich beim Produktsicherheitsrecht um öffentliches Recht handelt. Privatrechtliche Regelungen wie beim Haftungsausschluss haben keine Bedeutung.

Bleibt festzuhalten: Die Hersteller können und sollten nicht auf Haftungsausschlussklauseln setzen. Stattdessen sollten sie so aufgestellt sein, dass sie die rechtlichen Anforderungen an Produkt- und Benutzungsinformation einhalten.

Vorhersehbares unterschätzen

Kommen wir zum nächsten Missverständnis. Die Einschätzung, dass zur Umsetzung der Produktsicherheit die Betrachtung der bestimmungsgemäßen Verwendung genüge, ist ein gefährlicher Irrtum. Vielmehr versteht der Gesetzgeber unter einem sicheren Produkt, dass nicht nur bei bestimmungsgemäßer Verwendung, sondern auch unter vorhersehbarer Verwendung oder des „Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann“ Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährdet werden. Insbesondere kann ein Produkt, das der Hersteller zum professionellen Gebrauch bestimmt hat, durch naheliegende Verwendungsweisen als ein Verbraucherprodukt bewertet werden – mit zusätzlichen Anforderungen an die Benutzungsinformation. Um die vorhersehbare Verwendung richtig einschätzen zu können, kommt es auf Zielgruppe und Produktbeobachtungen an.

Die Verwendung des Produkts kann der Hersteller jedoch prinzipiell mit den Nutzungsinformationen einschränken. Dazu muss er dem Nutzer die bestimmungsgemäße Verwendung und die Risiken deutlich machen, die über die hinausgehende Verwendung entstehen.

Dass eine Person die bereitgestellten Nutzungsinformationen berücksichtigt und die darin dargestellten Einschränkungen zur sicheren und bestimmungsgemäßen Verwendung wahrnimmt, darf allerdings nur vorausgesetzt werden, wenn die Informationen zum Produkt anforderungsgerecht sind. Die Anforderungen an Nutzungsinformationen wiederum ergeben sich – das dürfte nun niemanden mehr verwundern – ebenfalls aus der IEC/IEEE 82079-1.

Wenn die Menge zählt

Das dritte Missverständnis betrifft die Schlussfolgerung, der rechtliche Rahmen führe dazu, umfangreiche Nutzungsinformationen zu erstellen. Häufig ist damit gemeint, dass eine Masse an Warnhinweisen schon ausreicht, um die rechtlichen Anforderungen zu erfüllen. Das Gegenteil ist der Fall. Aus der US-amerikanischen Produkthaftung stammt die „Überwarnung“. Gemeint ist, dass bei einer überwältigenden Menge an Warn- und Sicherheitshinweisen die Wirksamkeit der einzelnen Hinweise so herabgesetzt ist, dass diese als nicht gegeben anzusehen sind. Das gut gemeinte Erstellen vieler Warn- und Sicherheitshinweise führt also von der augenscheinlichen Rechtssicherheit genau zum Gegenteil – nämlich dazu, dass die Anforderung gerade nicht mehr als erfüllt angesehen werden. [1, 2]

Es lässt sich festhalten: Das rechtliche Rahmenwerk kann nur mit qualitativ hochwertigen Informationen erreicht werden, die die Bedürfnisse der Zielgruppe erfüllen.

Kosten im Blick behalten

Das vierte Missverständnis: Kleinere Unternehmen sind finanziell im Nachteil und können das Rahmenwerk nicht einhalten. Es liegt auf der Hand, dass das rechtliche Rahmenwerk zu unternehmensinternem Aufwand und damit zu weiteren Kosten führt. Allerdings können kleinere und mittelständische Unternehmen nicht argumentieren, dass sie die Mittel nicht aufbringen und daher die Anforderungen nicht einhalten können. Schon aus rechtlicher Sicht hat die Argumentation keinen Bestand. Schließlich lässt sich leicht entgegnen, dass die Kosten für die Einhaltung rechtlicher Vorgaben in die Preiskalkulation einzufließen haben. Letztlich haben diese Kosten Kundin und Kunde zu bezahlen.

Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass ein Unternehmen die Herausforderung annehmen muss, das Rahmenwerk unbedingt einzuhalten. Erreichen lässt sich dies mit einer sorgfältigen Planung entsprechend etablierter Prozesse im Unternehmen. Die IEC/IEEE 82079-1 bietet dafür gute Anhaltspunkte. Darüber hinaus spielen folgende Stichwörter eine Rolle:

  • Normen- und Anforderungsmanagement
  • Produktbeobachtung
  • Wissensmanagement
  • Zielgruppen- und Nutzungskontextanalyse
  • Risikoanalyse, Risikobeurteilung

Zu diesen jeweiligen Stichpunkten gilt es, die Prozesse unternehmensintern aufzusetzen und miteinander zu verbinden.

Die Redaktion als Vordenker

Abschnitt 5.2.5 formuliert mit wenigen Wörtern eine ganze Bandbreite individueller Herausforderungen für die Hersteller. Die Technische Redaktion ist kaum in der Lage, selbst all diese Anforderungen zu organisieren und abzudecken. Sie kann allerdings die treibende Kraft sein, damit sich ein Unternehmen mit der rechtlichen Situation auseinandersetzt und sich zu einer rechtssicheren Organisation entwickelt.

Übersicht über Rechtsquellen

Tabelle mit vier Rechtsquellen und deren Anforderungen.

Tab. 01 Rechtsquellen nach IEC/IEEE 82079-1:2019, 5.2.5;
die Übersicht ist exemplarisch und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Quelle Roland Schmeling

Literatur zum Beitrag

[1] Schmeling, Roland (2022): Grundsätzliches zur Sicherheit. In: technische kommunikation, H. 3, S. 35–38.
[2] Gruchmann, Torsten (2022): Sicherheit im Überfluss? In: technische kommunikation, H. 3, S. 39–41.

 

Eine Person steht auf einer Trittleiter.