Gestern war das papierlose Büro, heute geht es um Digitalisierung und Industrie 4.0. Doch trotz vieler Anstrengungen und Initiativen ist die gedruckte Dokumentation nicht wegzudenken. Und wo es doch der Fall ist, mindert das Fehlen von Standards den Nutzen der digitalen Dokumentation erheblich.
Diese unerfreuliche Situation haben Unternehmen der Prozessindustrie zum Anlass genommen, unter dem Dach des VDI einen Standard für die Übergabe von digitaler Dokumentation zu entwickeln. Das Ergebnis ist die Richtlinie VDI 2770 Blatt 1 „Betrieb verfahrenstechnischer Anlagen – Mindestanforderungen an digitale Herstellerinformationen für die Prozessindustrie – Grundlagen“. Kurz gesagt „VDI 2770“.
Obwohl die Richtlinie aus einer Initiative der Prozessindustrie stammt, lässt sie sich auch in anderen Branchen anwenden. Sie hat nichts an sich, das nur für die Prozessindustrie Bedeutung hat.
Ziel und Zweck der Richtlinie
Millionenfach bestellen die Unternehmen der Prozessindustrie technische Güter für den Neubau, die Erweiterung oder Instandsetzung von Produktionsanlagen. Zu diesen Gütern, im Folgenden als Objekte bezeichnet, gehören Herstellerinformationen, die in den verschiedenen Lebenszyklusphasen der Objekte und für unterschiedliche Zwecke benötigt werden. Herstellerinformationen, auch Dokumentation genannt, umfassen zum Beispiel Zertifikate, Pläne, Betriebsanleitungen, Wartungsinformationen oder Stücklisten.
Bisher übergeben die Hersteller ihre Dokumentation auf Papier und/oder digital entsprechend den Anforderungen ihrer Kunden. Aufgrund der Vielfalt der unterschiedlichen Anforderungen ist damit ein enormer Aufwand verbunden.
Die Endkunden, also die Betreiber der Objekte, müssen die einzelnen Dokumente entsprechend ihrem Zweck aus der empfangenen Dokumentation heraussuchen und in ihren eigenen Systemen ablegen. Diese Aufgabe wird meist von Hand erledigt, kostet Zeit, ist fehleranfällig und am Ende aufwändig.
Die Festlegungen der VDI 2770 vermeiden zukünftig die Variantenvielfalt auf Erstellerseite und ermöglichen den Betreibern eine automatisierte Übernahme in ihre Systeme. Auf beiden Seiten verringert sich also der Aufwand.
Folgende Punkte legt der Standard fest:
- Klassifizierung der Dokumente
- Satz von vorgegebenen Metadaten pro Dokument
- Struktur der Dokumentation für einfache und zusammengesetzte Objekte
- Dateiformate
Funktionsweise der Klassifizierung
Die Klassifizierung der Dokumente erleichtert ihre Ablage in den dafür vorgesehenen Systemen und ihr späteres Auffinden, wenn sie benötigt werden. Sie erfolgt teils nach der Art des Inhalts und teils nach ihrem Verwendungszweck.
Die VDI 2770 sieht zwölf Kategorien vor, die in vier übergeordnete Gruppen zusammengefasst sind (Abb. 01). Die erste Gruppe Identifikation enthält nur die gleichlautende Kategorie Identifikation.
Abb. 01 Klassifikation der Herstellerinformationen (Dokumente) in Gruppen und Kategorien inklusive Beispieldokumenten. Quelle VDI 2770
Die zweite Gruppe Technische Beschaffenheit umfasst folgende Kategorien:
- Technische Spezifikation
- Zeichnungen, Pläne
- Bauteile
- Zeugnisse, Zertifikate, Bescheinigungen
Die dritte Gruppe Tätigkeitsbezogene Dokumente umfasst folgende Kategorien:
- Montage, Inbetriebnahme, Demontage
- Bedienung
- Allgemeine Sicherheit
- Inspektion, Wartung, Prüfung
- Instandsetzung
- Ersatzteile
Die vierte Gruppe Vertragsunterlagen enthält wiederum nur die gleichlautende Kategorie Vertragsunterlagen.
Die Aufgabe von Metadaten
Ein vorgegebener Satz an Metadaten begleitet jedes Dokument und enthält wichtige Informationen für die Ablage und das spätere Auffinden des Dokuments. Die Metadaten umfassen im Wesentlichen folgende Informationen:
- Eindeutige Identifikation des Dokuments anhand einer ID innerhalb einer bestimmten Domain
- Klassifizierung des Dokuments gemäß den bereits genannten Gruppen und Kategorien. Darüber hinaus kann das Dokument optional nach weiteren Klassifikationssystemen klassifiziert werden; beispielsweise gemäß DIN EN 61355-1.
- Bezug zum Objekt und zum Hersteller des Objekts
- Eindeutige Identifikation der Dokumentversion anhand einer ID innerhalb einer bestimmten Domain
- Sprache(n) des Dokuments
- Bezug zum Ersteller des Dokuments
- Kurze Beschreibung des Dokuments durch Angabe von Titel, Zusammenfassung und Schlüsselwörtern
- Status des Dokuments in seinem Lebenszyklus
- Beziehungen des Dokuments zu anderen Dokumenten der Dokumentation
- Bezug zu der oder den physischen Repräsentationen des Dokuments
Die Metadaten basieren auf dem Informationsmodell der Norm DIN EN 82045-2. Für die Zwecke der VDI 2770 wurde dieses Modell reduziert und leicht modifiziert.
Die Metadaten zu einem Dokument liegen im Format XML in einer eigenständigen Metadatendatei vor. Die VDI 2770 enthält im Anhang die den XML-Metadaten zugrunde liegende DTD (Document Type Definition).
Der Bezug zum Objekt
Die Metadaten müssen einen eindeutigen Bezug vom Dokument zum physischen Objekt herstellen. Genauer gesagt, legt die VDI 2770 fest, dass die Metadaten eine Kennung in Form einer ID, Nummer oder Bezeichnung enthalten müssen. Diese Kennung muss gleichlautend auf dem physischen Objekt ablesbar sein, etwa auf einem Typenschild.
Dabei unterscheidet die VDI 2770 zwischen der Angabe einer Produktnummer und einer Serialnummer. Die Produktnummer identifiziert eine Objektreihe oder Objektserie. Die Angabe wird verwendet, wenn das zugehörige Dokument für alle Objekte der Objektreihe oder -serie in gleicher Weise gilt. Die Serialnummer identifiziert ein individuelles Objekt und wird verwendet, wenn das zugehörige Dokument nur genau für dieses Objekt zutrifft.
Eine Produktnummer kann mehrfach angegeben werden, etwa wenn es unterschiedliche Systematiken zur Identifikation des Objekts gibt. Eine Serialnummer darf höchstens einmal vorhanden sein.
Zusätzlich zur Identifikation des Objekts muss der Hersteller des Objekts in den Metadaten genannt sein.
Der Bezug zum Objekt ist von besonderer Bedeutung. Er ermöglicht in den Systemen des Betreibers die automatische Zuordnung des Dokuments zu dem physischen Objekt. Weiterhin sorgt er für ein eindeutiges und schnelles Auffinden des Dokuments, wenn es später im Lebenszyklus des Objekts benötigt wird, zum Beispiel zu Reparatur oder Wartung.
Formate der Dokumente
Oft haben die Objekte eine lange Lebensdauer. Deshalb ist eine langfristige Lesbarkeit der Dokumente von großer Bedeutung. Weiterhin sollen die Dokumente durchsuchbar sein.
Aus diesen Gründen verlangt die VDI 2770, dass jedes gelieferte Dokument im Format PDF/A-2a gemäß ISO 19005-2 oder PDF/A-3a gemäß ISO 19005-3 übergeben wird. Die einzige Ausnahme betrifft Dokumente der Kategorie Zeugnisse, Zertifikate oder Bescheinigungen. Es handelt sich dabei oft um eingescannte Papierdokumente, die sich nicht immer durchsuchen lassen. Dokumente dieser Kategorie dürfen auch im Format PDF/A-2b, PDF/A-2u, PDF/A-3b oder PDF/A-3u übergeben werden.
Die Formate PDF/A-2 und PDF/A-3 bieten eine Containerfunktion zur Aufnahme eigenständiger Dateien in die PDF-Datei. Diese Funktion darf nicht verwendet werden.
Zusätzlich zum PDF-Format können die Dokumente in weiteren Formaten übergeben werden, etwa in ihrem Quellformat. In diesem Fall dürfen sich die Inhalte der verschiedenen Formate eines Dokuments nicht widersprechen.
Ein Container für das Dokument
Für jedes Dokument innerhalb einer zu übergebenden Dokumentation existieren mindestens zwei physische Dateien: die PDF/A-Datei und die zugehörige XML-Metadatendatei. Es können weitere Dateien hinzukommen, etwa die Datei, die das Quellformat des Dokuments repräsentiert.
Ein ZIP-Container fasst alle zu einem Dokument gehörigen Dateien zusammen. Dieser Container heißt Dokumentcontainer.
Ein Container für die Dokumentation
Die vom Hersteller an seinen Kunden zu übergebende Dokumentation umfasst typischerweise eine ganze Reihe von Dokumenten. Die VDI 2770 fordert, dass alle Dokumente einer Dokumentation wiederum in einem ZIP-Container zusammengefasst werden. Dieser Container wird Dokumentationscontainer genannt.
Aus technischer Sicht enthält also der Dokumentationscontainer eine Menge von Dokumentcontainern.
Zusätzlich enthält er ein Hauptdokument gemäß DIN EN 62023. Der Zweck des Hauptdokuments besteht darin, alle Dokumente einer Dokumentation aufzulisten. Das Hauptdokument wird ähnlich den anderen Dokumenten durch zwei physische Dateien repräsentiert: eine PDF/A-Datei und eine zugehörige Metadatendatei. Im Gegensatz zu den anderen Dokumenten liegen diese beiden Dateien nicht in einem Dokumentcontainer, sondern direkt im Dokumentationscontainer.
Die entscheidende Rolle beim Hauptdokument spielen die zugehörigen Metadaten. In ihnen referenziert das Hauptdokument alle anderen Dokumente anhand deren Dokument-ID, die wiederum in der jeweiligen Metadatendatei des Dokuments enthalten ist. Das PDF/A-Dokument des Hauptdokuments enthält eine für den Menschen lesbare Auflistung der einzelnen Dokumente. Abbildung 2 illustriert beispielhaft den Aufbau eines Dokumentationscontainers.
Abb. 02 Dokumentationscontainer mit drei beispielhaften Dokumenten bzw. Dokumentcontainern und Hauptdokument. Stückliste und Hydraulikplan umfassen neben PDF/A-Fassung und Metadaten (verpflichtend) noch jeweils ein weiteres Format des Dokuments (optional). Quelle Robert Erfle
Entlang der Lieferkette
Im Normalfall benötigt der Hersteller eines Objekts Teile oder Komponenten von Zulieferfirmen, die selbst von einer Dokumentation begleitet werden. Der Hersteller gibt diese Zulieferdokumentation an seinen Kunden weiter. Hierfür sieht die VDI 2770 eine bestimmte Vorgehensweise vor.
Die Zulieferfirmen übergeben ihre Dokumentation als VDI-2770-konforme Dokumentationscontainer. Der Hersteller packt diese Container zusammen mit seinen Dokumentcontainern in seinen Dokumentationscontainer. Zusätzlich ergänzt er das Hauptdokument seiner Dokumentation um Referenzen auf die eingebundenen Zuliefercontainer. Für diese Referenzen nutzt der Hersteller jeweils die Dokument-ID des Hauptdokuments eines eingebundenen Dokumentationscontainers. Abbildung 3 zeigt, wie die Integration des zugelieferten Dokumentationscontainers aussehen kann.
Abb. 03 Hersteller 1 liefert den Dokumentationscontainer (DC) für sein Objekt A zusammen mit A an seinen Kunden Hersteller 2. Hersteller 2 packt den Dokumentationscontainer von Hersteller 1 in seinen Dokumentationscontainer und referenziert ihn in seinem Hauptdokument (H). Analog integriert er die Dokumentationscontainer der zugelieferten Objekte C und D. Quelle Robert Erfle
Dieser Mechanismus strukturiert die Gesamtdokumentation über längere Lieferketten hinweg. Der Aufwand eines Herstellers für die Weitergabe der zugelieferten Dokumentation durch Integration in seinen Dokumentationscontainer ist relativ gering. Der eindeutige Bezug zum physischen Objekt sowie die Klassifikation der Dokumente auf jeder Ebene der Zulieferkette ermöglichen dem Betreiber eine automatisierte Übernahme in die eigenen Systeme.
Die technische Umsetzung
Abgesehen von der Erstellung der Inhalte, erfordert die Erstellung einer VDI-2770-konformen Dokumentation folgende Arbeitsschritte:
- Erstellung der PDF/A-Fassung jedes Dokuments
- Erstellung der Metadatendatei pro Dokument
- Erstellung des Hauptdokuments
- Packen der Dokument- und des Dokumentationscontainers
PDF und PDF/A sind sehr gebräuchliche Formate. In vielen Fällen erlauben bereits die Erstellsysteme der Dokumente eine Ausgabe in PDF/A. Daneben sind eine ganze Reihe kommerzieller und nicht-kommerzieller Produkte vorhanden, um PDF-Ausgaben zu erstellen.
Der Umfang der geforderten Metadaten pro Dokument ist überschaubar. Das XML-Format, in dem die Metadatendatei erstellt werden muss, ist ebenfalls sehr gebräuchlich. Werden für die Dokumenterstellung Redaktionssysteme eingesetzt, so liegt eine Erweiterung dieser Systeme zur automatischen Erstellung der Metadatendateien nahe.
Alternativ sind spezialisierte Anwendungen denkbar, die nach einer maskenbasierten Eingabe der Metadaten pro Dokument die entsprechenden Metadatendateien erstellen.
Liegen die Dokumente und ihre Metadatendateien vor, so lässt sich die Erstellung des Hauptdokuments weitgehend oder sogar vollständig automatisieren. Dazu müssen im Wesentlichen bestimmte Metadaten aus den Metadatendateien der Dokumente extrahiert werden, um daraus die PDF-Ausgabe des Hauptdokuments und die zugehörige Metadatendatei zu generieren. Auch die Berücksichtigung zugelieferter Dokumentationscontainer erschwert die Aufgabenstellung nur unwesentlich.
Am Ende bleibt das Packen der vorliegenden Dokumentcontainer, des Hauptdokuments und der möglicherweise vorliegenden Dokumentationscontainer von Zulieferobjekten in einen Dokumentationscontainer. Dieses Packen diverser Dateien in einen ZIP-Container ist ein normaler Vorgang und lässt sich einfach manuell oder automatisiert ausführen.
Die Rolle der Technischen Redaktion
Den Schwerpunkt der VDI 2770 bildet der vorgegebene Satz an Metadaten zu jedem Dokument. Ohne diese Metadaten kann kein zur Richtlinie konformes Paket erstellt werden.
Die Hauptaufgabe des Technischen Redakteurs besteht deshalb in der Festlegung bzw. Bereitstellung der geforderten Metadaten, vgl. Abschnitt „Die Aufgabe von Metadaten“. Wie hoch der Aufwand ist, hängt von der Situation im Unternehmen ab. Einige Metadaten dürften in vielen Fällen bereits vorhanden sein, etwa in einem Content- oder Dokumentmanagementsystem, in dem die Dokumente verwaltet werden: beispielsweise eine eindeutige ID für jedes Dokument und jede Dokumentversion, seine Sprache, der Titel, der zugehörige Dateiname und das Format des Dokuments.
Auf jeden Fall neu ist die Klassifikation der Dokumente. Sie muss zukünftig erfasst und gepflegt werden. Auch Zusammenfassung und Schlüsselwörter dürften in vielen Fällen noch nicht vorhanden sein.
Die erforderlichen Metadaten für den Bezug zum physischen Objekt, also dem hergestellten Produkt, sind sicher bereits vorhanden. Sie erfordern aber eventuell den Zugriff auf Systeme im Unternehmen außerhalb der Redaktions- oder Dokumentationsabteilung. Insbesondere wenn es um Dokumente geht, die sich auf individuelle Objekte beziehen und deshalb die Serialnummer eines Objekts notwendig ist.
Neben der Bereitstellung der Metadaten erfordert die Erstellung von VDI-2770-konformen Paketen eine Reihe von Aufgaben, die hauptsächlich technischer Natur sind:
- Erstellung von PDF/A-Fassungen jedes Dokuments
- XML-Codierung der Metadaten gemäß der vorgegebenen DTD
- Erstellung des Hauptdokuments
- Erstellen des ZIP-Pakets mit allen Dokumenten und Zulieferdokumentationen
Diese Punkte lassen sich durch eine Software weitgehend automatisieren. Insgesamt betrachtet dürfte sich deshalb mittel- und langfristig der Aufwand für die Erstellung von VDI-2770-konformen Dokumentationspaketen in engen Grenzen halten. Da nach der Etablierung der VDI 2770 nicht mehr jeder Kunde individuelle Anforderungen an die Beschaffenheit der Dokumentation stellt, wird sich der Aufwand für deren Erstellung gegenüber der jetzigen Situation ohne VDI 2770 reduzieren.
Die Unterschiede zu iiRDS
Die tekom oder genauer das iiRDS-Konsortium hat im April 2018 Version 1.0 des Intelligent Information Request and Delivery Standards entwickelt, kurz „iiRDS“. Wie der Namen bereits ahnen lässt, behandelt iiRDS ebenfalls die Lieferung produktbegleitender Information von einem Partner zum anderen, etwa von einem Lieferanten an seinen Kunden. Auch iiRDS hat seinen Schwerpunkt in der Übergabe von Metadaten zusätzlich zu den gelieferten Informationen. Aber wo liegen die Unterschiede?
Zum einen betrachtet iiRDS die Informationen bzw. Dokumentation in einer feineren Granularität als die Richtlinie VDI 2770; iiRDS unterstützt die Übergabe von Informationseinheiten unterschiedlicher Größe: komplette Dokumente, Topics und Fragmente. Dazu zählen auch Dokumente, die aus vielen einzelnen Topics aufgebaut sind. Die VDI 2770 hingegen betrachtet nur komplette Dokumente.
Zum anderen verfügt iiRDS über ein weitaus umfangreicheres Informationsmodell für Metadaten als die VDI 2770. Es enthält bedeutungsgleiche Metadaten für alle Metadaten der VDI 2770, aber darüber hinaus noch viele weitere:
- Informationsgegenstand (Subject) – worum geht es in einer Informationseinheit?
- Ereignisse wie beispielsweise Fehlermeldungen
- Notwendige Hilfsmittel
- Ausführungszeiten von Arbeiten
- Notwendige Qualifikation für die Durchführung von Arbeiten
- Produktkomponenten
- Produkteigenschaften
- Produktfunktionen
- Produktlebenszyklusphasen
Alle diese Metadaten können einem Informationsobjekt zugewiesen werden. Ziel ist es, mithilfe der Metadaten für jedes Informationsbedürfnis genau die in der jeweiligen Situation passenden Informationen bereitzustellen.
Ein Beispiel soll dies illustrieren. Die Fragestellung lautet: Welche Arbeiten sind bei der anstehenden Wartung der Schneckenwelle der Extruderanlage EXA 1200 auszuführen, was genau ist dabei zu tun und wie lange werden die Arbeiten dauern?
Die zugehörigen Informationen lassen sich mit Hilfe folgender Metadaten gezielt ausfindig machen:
- Bezug zum Produkt (Produktvariante): Extruderanlage EXA 1200
- Produktkomponente: Schneckenwelle
- Produktlebenszyklusphase: Wartung
- Informationsgegenstand: Wartungsplan
- Ausführungszeit von Arbeiten
- Topictypen: Referenz und Aufgabe (Task)
Um wirklich exakte Informationen bereitstellen zu können, muss die Dokumentation nach Topics aufgebaut sein. Nur dadurch lässt sich vermeiden – bezogen auf das Beispiel – die zutreffenden Informationen für die Wartung der Schneckenwelle aus eventuell umfangreichen Wartungs-, Reparatur- oder Montageanleitungen heraussuchen zu müssen.
Ein für iiRDS häufig genanntes Anwendungsszenario ist die Bereitstellung von Dokumentation auf so genannten Content Delivery Portalen (CDP). Sie liefern zum Beispiel Servicetechnikern die notwendigen Informationen für ihre Arbeit. Aufgrund des Standards iiRDS können zukünftig verschiedene Hersteller ihre Dokumentation auf einem gemeinsamen Portal bereitstellen.
Sowohl iiRDS als auch VDI 2770 sehen die Weitergabe der Dokumentation als ZIP-Container vor. Dabei unterscheidet sich die Struktur, in der die Metadaten und Inhalte im Container abgelegt sind.
Als Inhaltsformate schreibt die VDI 2770 für jedes Dokument das Format PDF/A vor und erlaubt die zusätzliche Weitergabe beliebiger anderer Formate. iiRDS unterscheidet zwischen freien iiRDS-Paketen und iiRDS/A-Paketen. Bei den freien Paketen können die Inhaltsdateien beliebige Formate haben, während sie bei iiRDS/A-Paketen auf bestimmte Formate eingeschränkt sind. Inhalte mit strukturiertem Text müssen zum Beispiel in iiRDS/A-Paketen in eingeschränktem HTML5 vorliegen sowie optional in PDF/A-3.
Was bedeutet nun die Existenz beider Standards für die produzierenden Unternehmen und deren produktbegleitende Dokumentation?
Zwei Standards für die Unternehmen
Beide Standards haben ihren Schwerpunkt in der Festlegung von Metadaten zu den Inhalten einer Dokumentation. Dabei bildet der Metadatensatz der VDI 2770 eine Teilmenge der Metadaten von iiRDS. Wollen Unternehmen VDI 2770 oder iiRDS nutzen, müssen sie also mindestens die Metadaten der VDI 2770 erfassen und pflegen. In welcher Weise und mit welchen Werkzeugen dies geschieht, ist unabhängig von beiden Standards. Sie definieren nämlich keine Vorgaben für die Erstellung und Pflege von Dokumentation und Metadaten, sondern nur für deren Übergabe.
Die XML-Codierung der Metadaten und das Packen der Inhalte bzw. Dokumente zusammen mit den Metadaten gemäß den Vorgaben von VDI 2770 oder iiRDS ist ein rein technischer Ablauf, der sich automatisieren lässt. Welcher der beiden Standards am besten zum Einsatz kommt, hängt von der Zielsetzung ab. Geht es lediglich um die geordnete Übergabe kompletter Dokumente mit den notwendigen Metadaten zur Objektzuordnung und Klassifikation, dürfte die VDI 2770 eine gute Wahl sein. Ist es das Ziel, Dokumentation auf Topic-Ebene so bereitzustellen, dass für verschiedenste Informationsbedürfnisse die richtigen Topics gefunden werden, ist iiRDS die Wahl.
Weitere Einflüsse spielen natürlich eine Rolle, etwa die Vorgaben von Kunden. In jedem Fall ist es für die produzierenden Unternehmen empfehlenswert, ein Augenmerk auf die Erfassung und Pflege von Metadaten zu legen und dabei mindestens den Umfang der VDI 2770 abzudecken. Liegen die Metadaten erst einmal vor, lassen sich ohne großen Aufwand sowohl VDI-2770- als auch iiRDS-Pakete packen.
Weniger – aber mehr
Die VDI 2770 regelt einen Bereich, der bisher von individuellen Anforderungen auf Kundenseite bestimmt ist. Bislang kommt es zwischen Lieferant und Kunde zu Diskussionen, Abstimmungen und vertraglichen Festlegungen. An diese Stelle tritt nun eine Richtlinie, die auf wenige, aber entscheidende Punkte beschränkt ist. Zulieferer können sich zukünftig auf eine bestimmte Art und Weise der Erstellung und Lieferung ihrer Dokumentation einstellen. Das Gleiche gilt für die Integration der Dokumentation ihrer eigenen Zulieferer.
Für die Betreiber von Anlagen ermöglicht die VDI 2770 erstmals die automatische Übernahme und Verteilung der produktbegleitenden Dokumente in ihre internen Systeme. Anhand der Metadaten lassen sich die benötigten Dokumente später im Lebenszyklus der Objekte zuverlässig und schnell finden. Zudem schafft die VDI 2770 eine wesentliche Voraussetzung für die Etablierung von unabhängigen Plattformen oder Portalen, in denen die Dokumentation abgelegt wird. Die Hersteller liefern direkt an die Plattform, die Betreiber greifen bei Bedarf auf sie zu. Die Metadaten der VDI 2770 steuern dabei Ablage und Zugriff.
Den Erstellern der VDI 2770 war wichtig, die Hürde zur Anwendung der Richtlinie möglichst niedrig zu halten. Auch deshalb haben sie sich auf Mindestanforderungen beschränkt. Kleine, spezialisierte Unternehmen ganz ohne bzw. ohne große Dokumentationsabteilung sollten dabei nicht abgehängt werden.
Die digitale Vernetzung, die heute in aller Munde ist, erfordert Festlegungen und Standards. Die VDI 2770 füllt dabei eine bisher offene Lücke. Und sie sorgt hoffentlich dafür, dass papiergefüllte Ordner auch in der Technischen Redaktion bald Geschichte sind.
Links und Literatur
VDI (2018): VDI 2770 Blatt 1 Betrieb verfahrenstechnischer Anlagen –Mindestanforderungen an digitale Herstellerinformationen für die Prozessindustrie – Grundlagen, Entwurf, Oktober.
tekom (2018): iiRDS – The International Standard for Intelligent Information Request and Delivery, www.iirds.org.
DIN (2005): DIN EN 82045-2 „Dokumentenmanagement – Teil 2: Metadaten und Informationsreferenzmodelle“ (IEC 820452:2004), Deutsche Fassung EN 820452:2005.
DIN (2012): DIN EN 62023 „Strukturierung technischer Information und Dokumentation“ (IEC 62023:2012 + Cor.:2012), Deutsche Fassung EN 62023:2012.
Entstehung der Richtlinie |
Im Februar 2016 traf sich der Arbeitskreis VDI 2770 zu seiner konstituierenden Sitzung, um dann in 13 weiteren Sitzungen die Inhalte der neuen Richtlinie zu erarbeiten. Im Oktober 2018 war es dann so weit: Der auch „Gründruck“ genannte Entwurf wurde auf einem Expertenforum der Öffentlichkeit präsentiert. Der Arbeitskreis war bunt gemischt. Er setzte sich aus Betreiberfirmen, Herstellerfirmen und IT-Anbietern zusammen. Damit waren insbesondere die Sichtweisen der Produzenten und Konsumenten von Dokumentation gut vertreten. Nach einiger Zeit wurde bekannt, dass mit iiRDS ein weiterer Standard mit zumindest ähnlicher Aufgabenstellung entsteht. Seitdem stimmen sich das iiRDS-Konsortium und der Arbeitskreis eng ab. Ziel ist es, dass die beiden Standards kompatibel zueinander sind.
Inf. 01 Quelle Robert Erfle |