Sie haben es geschafft und sollen die Technische Dokumentation in Ihrem Unternehmen voranbringen und ein Team von Mitarbeiten leiten. Eine spannende, gleichzeitig aber auch schwierige Aufgabe, vor der Sie stehen.
Die Rolle der Technischen Dokumentation – Ist und Soll
Technische Dokumentation genießt beim Management meist keinen besonders hohen Rang. Erwartet wird, dass die zuständigen Mitarbeiter die redaktionellen Tätigkeiten „nebenbei“ erledigen. Eine Fehleinschätzung vieler Unternehmensverantwortlicher, wie ein Blick auf die derzeitigen Rahmenbedingungen zeigt: Der Bedarf an Anleitungen steigt, hervorgerufen durch die zunehmende Komplexität der Produkte und die steigenden Erwartungen der Kunden. Im Rahmen eines guten Service als wichtigem Verkaufsargument wird vermehrt auch eine kundengerechte Dokumentation verlangt. So ist laut der IHK Stuttgart „die Technische Dokumentation ein wichtiger Erfolgsfaktor“. Gerade Gebrauchsanleitungen sollen mehr bieten, als der Kunde von ihnen erwartet.
Ein weiterer Punkt von großer Bedeutung ist die rechtliche Situation. In den Paragrafen des BGB, zum Beispiel in Paragraf 823, und im Produkthaftungsgesetz, zum Beispiel Paragraf 10, sind Ansprüche und Verpflichtungen klar geregelt. Auch nimmt in den USA und in Europa die Bereitschaft zu, die rechtliche Situation der Technischen Dokumentation weiter zu definieren. Aktuelle EU-Richtlinien verlangen zudem, dass außer diebstahlrelevanten Umfängen alle Informationen jedem zugänglich gemacht werden müssen. Auch jenseits von EU und USA ist einiges in Bewegung. So orientiert sich der wichtige chinesische Markt eindeutig an der komplexen US-Produkthaftung. Darüber hinaus besteht die Gefahr, wenn die Dokumentation nicht professionell aufgezogen wird, dass unnötige Kosten entstehen und Zeitverzögerungen und Qualitätseinbußen die Kunden verärgern.
Ein weiterer Grund, der Technischen Dokumentation mehr Augenmerk zu schenken, ist der steigende Kostendruck, der nicht ohne Wirkung auf die Dokumentation bleibt und dazu zwingt, die Prozesse zu optimieren und effizient zu gestalten.
Aufgabe und Rolle einer Führungskraft
Ab einer bestimmten Firmengröße ist es wichtig, dass sich eine Führungskraft nicht als eine Art „Chef-Autor“ versteht. Vielmehr ist sie dafür zuständig, dass die richtigen Personen mit den anstehenden Aufgaben betraut werden und die Verankerung der Technischen Dokumentation in der Firma gegeben ist. Ebenso hat sie dafür zu sorgen, dass die Prozesse effizient laufen.
Der TD-Leiter muss sich im Vorfeld mit folgenden Basisfragen beschäftigen:
- Wie muss ich diese Dinge angehen?
- Welche strategischen Entscheidungen sind zu treffen?
- Wie führe ich eine Dokumentationsabteilung?
- Wie organisiere ich einen Produkt-Neuanlauf, wie das Änderungsmanagement?
Vor diesem Hintergrund sind weitere Strategiefragen zu beantworten: Wie verankere ich das Thema Dokumentation organisatorisch im Unternehmen, welche Ressourcen stelle ich bereit und wie integriere ich die Technische Dokumentation in den Arbeitsablauf des Unternehmens?
Eine zentrale Aufgabe einer Führungskraft ist die Vertretung der Technischen Dokumentation gegenüber der Unternehmensleitung und den anderen Abteilungen. Es gibt dabei zwei Hauptknackpunkte, mit denen zu rechnen und umzugehen ist: Erstens ist für Entwickler und andere Wissensträger die Informationsbeschaffung für die Technische Dokumentation eine zusätzliche Belastung, die im Regelfall nicht zu deren Kerngeschäft zählt. Und zweitens kostet die Beschaffung Geld und schmälert damit den Ertrag des jeweiligen Produktes.
Zwei Ansätze, um diesen Mehraufwand abzumildern und damit die Akzeptanz der Technischen Dokumentation zu erhöhen, sind effiziente Prozesse schon bei der Informationsbeschaffung und ein striktes Kosten-Management, um die notwendigen Leistungen mit möglichst wenig Aufwand zu erbringen.
Notwendiges Know-how einer Führungskraft
Neben fachlichen TD-Kenntnissen ist Know-how im Projektmanagement sehr hilfreich. Dazu kommen die klassischen Führungsfähigkeiten:
- Strategisches Denken und Mitarbeitern und Kollegen Orientierung geben
- Wertschöpfung im Sinne des Unternehmens schaffen beziehungsweise fördern
- Professionell mit Wissen und Informationen umgehen
- Mitarbeiter fordern und fördern
- Veränderungen bewirken und vorantreiben
Aufbau einer eigenständigen TD
In einem Unternehmen spricht alles für eine eigenständige Technische Dokumentation, ob als Abteilung oder Team. Die Technische Dokumentation benötigt entsprechende Zugriffsmöglichkeiten, Ausstattung und Akzeptanz im Unternehmen. Neben ausgebildeten Fachleuten gehört dazu eine passende Software, zum Beispiel ein Redaktionssystem, sowie ein angemessenes Budget. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die frühzeitige Zugriffsmöglichkeit auf alle relevanten Informationen im Haus und bei den Lieferanten. Das sollte grundsätzlich intern organisatorisch mit der Geschäftsleitung geklärt und mit den Lieferanten am besten bereits im Rahmen der Einkaufsabschlüsse fixiert werden. Dabei sollte der Verantwortliche der Technischen Dokumentation allen Beteiligten klar machen, dass die damit verbundene Entlastung für alle spürbar wird.
Umsetzung der Strategie
Um die Strategie erfolgreich in die Tat umzusetzen, ist in erster Linie qualifiziertes Personal gefragt. Es lohnt sich, in die Weiterbildung der eigenen Leute zu investieren und bei Neueinstellungen auf die Qualifikation im Bereich der Technischen Dokumentation zu achten. Dabei ist neben der Kenntnis der redaktionellen Tätigkeiten ein sehr wichtiges Kriterium das Projektmanagement sowie die Fähigkeit, im Team zu arbeiten. Auch eine wirtschaftliche Denkweise sollte Technischen Redakteuren nicht fremd sein.
Was die Systemunterstützung anbelangt, empfiehlt sich der Einsatz professioneller Werkzeuge. Abhängig von der Größe der Firma, der Komplexität des Prozesses und anderen Rahmenbedingungen bietet sich ein fertiges System an oder ein nach Kundenanforderungen produziertes oder adaptiertes Redaktionssystem. Mit speziellen Systemen sind deutliche Reduzierungen bei Kosten und Zeit sowie eine Steigerung der Qualität möglich. Es ist durchaus vorstellbar, dass sich eine Systeminvestition nach zwei bis drei Jahren amortisiert hat.
Prozesse in der Technischen Dokumentation
Neben der Entwicklung einer Strategie bedarf es einer klaren Regelung für die Verantwortung für die Technische Dokumentation. Umfasst die Verantwortung den ganzen Prozess von der Informationsrecherche in der Entwicklung bis zur Auslieferung der Dokumentation an den Kunden oder die Organisation, wie ihn die folgende Abbildung darstellt? Hier gibt es verschiedene Modelle.
Eine Gesamtverantwortung hat den Vorteil, dass der Prozess ganzheitlich gesteuert und verantwortet werden kann und keine Schnittstellen zwischen verschiedenen Abteilungen Probleme bereiten. Vor allem in größeren Unternehmen lässt sich eine solche Gesamtverantwortung aber nur bedingt umsetzen. Auf jeden Fall sollten die Fach- und Führungskräfte aus der Technischen Dokumentation immer die Möglichkeit haben, in den Prozess einzugreifen.
Neben der Klärung der Verantwortung ist die Gestaltung des Prozesses eines der wichtigsten Erfolgskriterien. Er sorgt dafür, dass Technische Dokumentation effizient und zeitgerecht produziert wird. Das geht von klaren, dokumentierten Prozessschritten, die alle Beteiligten kennen und akzeptieren, bis hin zu einer eindeutigen Definition von Schnittstellen sowie der Auswahl externer Partner.
Wenn Prozesse und Verantwortlichkeiten klar sind, ist ein Leitfaden, der für alle intern und extern verpflichtend ist, sehr empfehlenswert. Dabei lässt sich ein Leitfaden mit den heutigen technischen Mitteln systemgestützt elegant in den Arbeitsablauf einbauen. Es lohnt sich also, in das Prozessmanagement Geld und Zeit zu investieren.
Was die Arbeitsweise in der TD-Abteilung betrifft, hat sich das Projektmanagement bewährt. Der Neuanlauf eines Produkts lässt sich sehr gut als ein Projekt aufsetzen, dem Ressourcen und Zeitleisten mit Qualitätszielen zugeordnet werden können. Wichtig ist, dass es einen verantwortlichen Projektleiter gibt, der einen klaren Projektauftrag hat und auch die nötigen Kompetenzen, um diesen umzusetzen. Der Auftrag muss auf jeden Fall von der Unternehmensleitung mitgetragen beziehungsweise erteilt werden.
Technische Dokumentation und die anderen
Die Verzahnung der Technischen Dokumentation mit den anderen Abteilungen lässt sich an der Weiterentwicklung der Produkte festmachen. Dabei ist es für die Dokumentation, aber auch für fast alle anderen Bereiche sehr hilfreich, wenn feste Änderungszyklen mit klar definierten Terminen existieren. Andernfalls trifft eine Gebrauchs- oder Betriebsanleitung das gleiche Schicksal wie das Telefonbuch: Es ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits veraltet. Hier sind klare Absprachen im Haus auf jeden Fall zu empfehlen, und zwar nicht nur für die Dokumentationsabteilung selbst, sondern auch für die anderen beteiligten Bereiche, zum Beispiel die Produktion.
Während kleinere Änderungsumfänge im Tagesgeschäft der TD-Abteilung eingearbeitet werden können, ist bei größeren Umfängen zu prüfen, ob sich nicht ein Änderungsprojekt anbietet. Für ein solches Projekt gelten dann die gleichen Rahmenbedingungen wie für den Neuanlauf.
Auf jeden Fall sollte klar sein, dass die notwendigen Informationen auch zur Verfügung stehen beziehungsweise von den entsprechenden Bereichen bereitgestellt werden. Für Härtefälle sind Eskalationsmechanismen notwendig, die im Ernstfall bis zur Firmenleitung gehen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die TD-Führungskraft unbedingt an allen Entscheidungen, die die Dokumentation betreffen, beteiligt sein sollte. Das reicht von Budgetfragen über Systementscheidungen bis hin zu Themen rund um das Produkt selbst. Ein Beispiel dafür ist die Wartung von Produkten. Als nachgelagerter Prozess muss die Technische Dokumentation die Wartungsstrategie rechtzeitig kennen, ihre Anforderungen einbringen können und bei der Umsetzung mit beteiligt sein.
Ein wichtige Rolle spielt die Technische Dokumentation, wenn ein neuer Markt erschlossen werden soll. Sobald zusätzliche Sprachen oder länderspezifische Anpassungen am Produkt nötig werden, wird sie zum Thema, das durchaus nennenswerten Einfluss auf die Kostenstrukturen und die Zeitabläufe haben kann. Dabei geht es nicht nur um die reine Übersetzung, sondern auch hier ist der Aufbau und die Pflege eines effizienten Übersetzungs- und Qualitätsprozesses für die jeweilige Sprache entscheidend. Darüber hinaus kann es notwendig sein, technische Anpassungen an dem redaktionellen System vorzunehmen, wenn zum Beispiel asiatische Schriftzeichen gefragt sind oder eine Anleitung in einer arabischer Sprache.
Fazit
Auch wenn mancher Unternehmensverantwortliche der Meinung ist, dass sich die Technische Dokumentation mit links erstellen lässt, gibt es genügend Gründe, die dagegen sprechen. Einige davon sind die Erwartungen der Kunden, Einsparpotenziale durch die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen sowie Qualitätssteigerungen durch straffe Prozesse. Nicht zu vergessen das Ansehen, das ein Unternehmen auch im Hinblick auf den Wettbewerb steigern kann, wenn es auf eine unabhängige TD-Abteilung mit kompetentem Fach- und Führungspersonal Wert legt.