ANSI Z535 – Evolution statt Revolution

Text: Matthias Schulz

Technische Redaktionen greifen häufig auf Warnschilder und Sicherheitsinformationen der ANSI-Reihe Z535 zurück. 2022 und 2023 hat ANSI die Normenreihe in Details überarbeitet und an den Bedarf der Redaktionen angepasst.

Inhaltsübersicht

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In Deutschland kennen wir die Reihe ANSI Z535 schon seit den frühen 1990er Jahren. Bereits 2022 wurden die Teile 1, 3 und 5 aktualisiert, die Teile 2, 4 und 6 im Dezember 2023. Ein siebter Teil ist geplant. Hier erfahren Sie, was sich in Teil 4 und 6 geändert hat. Tabelle 01 zeigt eine Übersicht über die Normenreihe.

Die amerikanische Norm für Warnschilder1 ANSI Z535.4 gilt zu Recht als die Quelle für die „Signalwörter“ von Warnhinweisen und wird meist auch als Referenz angeführt, wenn die so genannte „SAFE“-Struktur verlangt wird (S = Schwere der Gefährdung; eigentl. Höhe des Risikos; A = Art und Quelle der Gefährdung; F = Folgen oder Konsequenzen des Missachtens der Warnung; E = Entkommen oder Abhilfemaßnahme zur Vermeidung der Gefährdung).

Da klare Vorgaben zur Gestaltung sicherheitsbezogener Informationen in Europa fehlten, wurden ab Mitte der 1990er Jahre in vielen Technischen Redaktionen die Struktur und oft auch die Gestaltung von US-Warnschildern übernommen. In den USA geschah offenbar das Gleiche. Doch werden die Vorgaben in ANSI Z535.4 weder der Vielfalt der Gestaltung von Nutzungsinformationen gerecht, noch sind sie in gedruckten und digitalen Publikationen in allen Fällen voll umsetzbar. Deswegen erschien im Jahr 2006 die ANSI Z535.6 als Richtlinie zur Anwendung der Prinzipien aus der bekannten Warnschildnorm auf Begleitunterlagen („Product Manuals, Instructions, and Other Collateral Materials“).

Das Ziel dieses Teils der Normenreihe besteht darin, das bewährte System mit den vielfältigen Anleitungsformen, die in der Technischen Kommunikation vorkommen, kompatibel zu machen. Sicherheitsbezogene Informationen in Anleitungen sollen nicht zwingend aussehen wie Warnschilder. Das recht strenge Reglement für Warnschilder wurde daher für Teil 6 der Norm reduziert. Gleichzeitig sind darin vier Arten von sicherheitsbezogenen Informationen festgelegt und mit separaten Anforderungen an Inhalt, Aufbau und Gestaltung versehen. Diese vier Hinweisarten deuten auch eine Strategie für die sinnvolle Aufteilung sicherheitsbezogener Informationen in Anleitungen an. Der Teil 7 der Normenreihe wurde noch nicht veröffentlicht, erscheint jedoch im Vorwort von Teil 4 und 6 bereits als fester Bestandteil. Der neue Teil wird sicherheitsbezogene Information in elektronischen Medien (digitalen Nutzungsinformationen) behandeln.

Die Anzahl der Änderungen in Z535.4 und .6 ist überschaubar. Besonders interessant ist die weitere Öffnung in Richtung einer Übereinstimmung der Anforderungen mit ISO- und IEC-Normen.

1ANSI-Normen werden nicht in andere Sprachen übersetzt. Im US-englischen Original heißen Warnschilder „Product Safety Labels“, und in Deutsch lautet die korrekte Übersetzung etwas sperrig „Produktsicherheitsschilder“, vgl. DIN ISO 3864-2. In diesem Artikel verwende ich jedoch die verbreitete Benennung „Warnschild“.

Ein Verweis ist zulässig

Was lange Zeit als unzulässig galt, ist jetzt erlaubt, in Einzelfällen sogar empfohlen: Verweise auf Warnschildern (vgl. Abschnitt 6.5.2 und Anhang B3.3.4). Die Verweise können sich auf andere Schilder beziehen, auf die Anleitung und sogar auf Informationen im Internet. Dabei soll jedoch nicht auf die wesentlichen Elemente eines Warnschildes verzichtet werden. Ein Verweis ist zulässig, wenn:

  • detaillierte Anleitungen (mehrere / viele Schritte), Vorsichtsmaßnahmen oder komplexe Folgen viel Text erfordern,
  • der Platz für ein Schild begrenzt ist
  • oder mehrere Schilder auf dem Produkt zueinander in Beziehung stehen.

In solchen Fällen darf nicht nur auf andere Schilder auf dem Produkt verwiesen werden, sondern auch auf eine separate Anleitung. Ein Link (URL) oder ein QR-Code können verwendet werden, um auf online verfügbare Informationen zu verweisen. Anhang B3.3.4 empfiehlt den Verweis sogar als Mittel, den Inhalt eines Warnschilds möglichst knapp – auf das Wesentliche reduziert – zu halten.

ANSI Z535.6 enthält ähnliche Empfehlungen zum Inhalt von kontextbezogenen Warnhinweisen in Anleitungen (embedded safety messages). Solche Warnhinweise sind manchmal recht lang (zum Beispiel mehr als eine 1/3 DIN-A4-Seite) und enthalten dann meist mehrere oder viele Handlungsschritte als Abhilfemaßnahme. Hier ist ein Verweis auf eine ausführliche Schritt-für-Schritt-Anleitung an anderer Stelle die bessere Lösung. Detailinformationen könnten auch in Abschnitten eines Sicherheitskapitels platziert werden, statt alles in einen einzelnen Warnhinweis aufzunehmen (vgl. ANSI Z535.6 Abschnitt 7.1 Buchstabe e und Abschnitt 9.2).

Beispiel: Ein Warnschild oder -hinweis gibt sieben Schritte an, die zur vollständigen Entlastung eines Systems von gefährlicher Energie führen. In diesem Fall wäre es besser, ein separates Schild mit „SAFETY INSTRUCTIONS“ zu verwenden und in die Anleitung einen Abschnitt „System vollständig energiefrei machen“ oder „Vorbereitungen für sichere Störungsbeseitigung und Instandhaltung“ einzufügen. Dort lassen sich die Schritte beliebig ausführlich darstellen, mit Abbildungen versehen und mit den Voraussetzungen und den Ergebnissen einzelner Schritte ergänzen, wie in DIN EN IEC/IEEE 82079-1 Abschnitt 8.3.4 vorgesehen.

ISO 3864-2 bedingt zulässig

Schon seit 2002 lässt ANSI Z535.3 die Verwendung von Sicherheitszeichen (Piktogramme und Symbole) nach ISO 7010 zu. Dieser Teil der Norm enthält auch Abbildungen von ISO- und ANSI-Piktogrammen mit einer so genannten „umgebenden Form“ (Dreieck, Kreis, Rechteck). Diese Abbildungen sollten jedoch nicht so verstanden werden, dass die Verwendung von umgebenden Formen empfohlen oder gleichwertig zu Piktogrammen in schwarz auf weißem Hintergrund ist. ANSI Z535.3 betont in Abschnitt 5.1 auch in der neuesten Fassung von 2022, dass die Darstellung ohne umgebende Form zu bevorzugen ist, weil sie eine größere Darstellung des Piktogramminhalts ermöglicht (Abb. 01).

Vergleich von zwei Piktogrammen mit der Warnung vor Quetschen.

Abb. 01 Gegenüberstellen eines Piktogramms ohne und mit umgebender Form. Quelle ANSI Z535.3

Nur für das allgemeine Gefahrenzeichen (Warndreieck) und Verbotszeichen (Kreis mit Balken von links oben nach rechts unten) seien umgebende Formen zwingend erforderlich. Allerdings verbietet die Norm den Einsatz von umgebenden Formen und zusätzlichen Sicherheitsfarben nicht (zum Beispiel Blau für Gebotszeichen).

Zusätzlich lässt ANSI Z535.4 nun für die USA unter bestimmten Bedingungen die Verwendung von Warnschildern zu, die nach ISO 3864-2 gestaltet sind (vgl. Abschnitt 3.1.1 und Anhang C). Zu beachten ist, dass es nicht immer möglich ist, Warnschilder so zu gestalten, dass sie sowohl ANSI Z535.4 als auch ISO 3864-2 entsprechen. In diesen Fällen muss man sich für eines entscheiden. Dazu nennt die Norm jetzt folgende Kriterien:

  • den zu erwartenden Zielmarkt
  • die Möglichkeit, dass Produkte von einem Zielland in ein anderes migrieren
  • die Charakteristik der Zielgruppe
  • der auf dem Produkt zur Verfügung stehende Platz
  • spezifische gesetzliche Regelungen für bestimmte Produkte

Obwohl der Abschnitt im normativen Hauptteil der Norm steht, bedeutet dieses Zugeständnis jedoch nicht, dass man bedenkenlos Produkte mit Warnschildern in internationaler Gestaltung in den USA vertreiben kann. Die Abweichung von den Vorgaben der US-Norm sollten anhand der obigen Kriterien gut begründbar sein.

Auf jeden Fall ist Vorsicht bei der Anwendung von Sicherheitszeichen aus ISO 7010 geboten (im Grunde auch in Europa und anderen Anwendungsgebieten dieser ISO-Norm). Viele Sicherheitszeichen der ISO 7010 sind nach ISO 9186-1 nicht selbsterklärend und würden bei einem Test nach den Vorgaben in ANSI Z535.3 wohl als nicht hinreichend verständlich durchfallen.

Daher ist es noch immer empfehlenswert, in den USA vorzugsweise US-Piktogramme und Symbole zu verwenden. Wo dies nicht möglich ist, weil eine möglichst breite Internationalisierung erzielt werden soll und zwei verschiedene Versionen unerwünscht sind, müssen die Piktogramme und Symbole unbedingt in der Anleitung erläutert werden.

Neue Kombinationen

ANSI Z535.4 kennt schon immer die Elemente Signalwortfeld, Symbolfeld und Textfeld. Symbolfeld und Textfeld ergeben einzeln oder zusammen das „Message-Panel“ – den eigentlichen Inhalt. Nun lässt die Norm in Abschnitt 11.3 auch zusätzliche Grafiken und Diagramme zur Erläuterung der Gefährdungssituation, der Folgen oder der Abhilfemaßnahmen zu. Zum Beispiel kann man erlaubte und verbotene Handlungen einander gegenüberstellen und dabei die erlaubten mit einem grünen Haken und die verbotenen mit einem roten Kreuz kennzeichnen (Abb. 02).

Warnschild nach ANSI Z535.
Abb. 02 Warnschild mit zusätzlichen Grafiken. Quelle Matthias Schulz

Auch wenn diese Möglichkeit ausdrücklich nur in ANSI Z535.4 erwähnt wird, ist sie ebenso gut auf Warnhinweise in Anleitungen anwendbar. Neben Grafiken und Diagrammen wären in Anleitungen auch Fotos von Gefahrstellen oder Abhilfemaßnahmen denkbar, in digitalen Publikationen vielleicht sogar Videosequenzen. Standardisierte Warnhinweisformate sollten künftig die Verwendung zusätzlicher Illustrationen ermöglichen, damit maximale Verständlichkeit und Wirksamkeit erzielt werden können.

Neue Übersetzungen

Schon seit vielen Jahren enthalten ANSI Z535.4 und Z535.6 eine Liste mit Übersetzungen der Signalwörter in verschiedene Sprachen. In den Ausgaben von 2023 erscheint in dieser Liste eine andere deutsche Übersetzung für das Signalwort „NOTICE“ als bisher. „NOTICE“ wird für die Warnung vor Sachschäden verwendet (s. Anhang D in Teil 4 und Anhang B in Teil 6). Über die Übersetzung für „NOTICE“ wurde hierzulande viel diskutiert, und sie ist noch immer uneinheitlich. Einige Technische Redaktionen verwenden „Hinweis“, andere „Wichtig“ oder „Achtung“. ANSI hat jetzt statt „HINWEIS“ (Ausgabe 2011 und Revision 2017) „ACHTUNG“ als Übersetzung festgelegt.

Auch wenn das nicht jedem gefallen wird, ist es doch eine gute Wahl; denn „ACHTUNG“ weist im Deutschen eher auf den Charakter besonders wichtig, auch sicherheitsrelevant hin als das neutrale „HINWEIS“. Es ist gut, sich an der neuen Festlegung in ANSI Z535 zu orientieren, auch wenn sie nur im informativen Anhang zu finden ist. So wird Einheitlichkeit bei der Warnung vor Situationen erreicht, die Sachschäden verursachen können. Auch in DIN EN IEC/IEEE 82079-1 ist „ACHTUNG“ als Übersetzung für „NOTICE“ angegeben (s. Abschnitt 7.11.5.4). Dort steht „HINWEIS“ als Alternative. Doch „HINWEIS“ wird von vielen Technischen Redaktionen auch für Anwendungstipps und zum Hervorheben besonders wichtiger Informationen verwendet, die nicht notwendigerweise sicherheitsrelevant sind. Es ist daher gut, für Warnung vor Sachschäden nun „ACHTUNG“ zu verwenden.

Beim Studium der Übersetzungstabelle (Tab. 02) fällt auf, dass die Übersetzungen besonders bei den Signalwörtern „CAUTION“ und „NOTICE“ nicht immer äquivalent zur Bedeutung im Original sind. Das sollte Technische Redaktionen sowie Übersetzerinnen und Übersetzer jedoch nicht verunsichern. Wichtig ist bei der Übersetzung von Signalwörtern vor allem die Einheitlichkeit. Nur, wenn für die Signalwörter überall und von allen Normenanwendern stets die gleichen Übersetzungen verwendet werden, kann den Nutzenden die unterschiedliche Gewichtung der Hinweise nach dem Grad des Risikos auf Dauer vertraut werden.

Tabelle mit Signalwörtern in unterschiedlichen Sprachen.
Tab. 02 Quelle mit Auszug aus der Übersetzungshilfe in Anhang B, ANSI Z535.4

Ein weiterer Teil

Mit Überraschung haben viele Leserinnen und Leser der neuen Fassungen von Teil 4 und 6 gesehen, dass im Vorwort ein siebter Teil mit dem Titel „Product Safety Information in Electronic Media“ mit Ausgabestand 2023 erwähnt ist (auf Deutsch in etwa „Sicherheitsbezogene Produktinformationen in elektronischen Medien“). Tatsächlich ist diese Norm Stand Juli 2024 bisher noch nicht erschienen. Allerdings ist das Thema wichtig und brennt manchem sicherlich auf den Nägeln. Was ANSI zur Gestaltung von Sicherheits- und Warnhinweisen in digitalen Publikationen empfehlen wird, bleibt abzuwarten.

Die Autoren des tekom-Leitfadens „Sicherheits- und Warnhinweise“ haben zu diesem viel diskutierten Themengebiet schon vorgelegt und Abschnitte mit „Empfehlungen zu Warnhinweisen in digitalen Publikationen“ und „Gestaltung von Warnhinweisen in digitalen Publikationen“ in den Leitfaden eingefügt. Zum ersten Mal wird das Thema in einer tekom-Publikation zur Diskussion gestellt. Die Autoren hoffen auf Feedback. So lassen sich die Empfehlungen des Leitfadens weiterentwickeln.

Schritt für Schritt

Die ANSI-Normenreihe Z535 wird nach und nach weiterentwickelt. Dabei schreitet auch die Vereinheitlichung mit entsprechenden ISO- und IEC-Normen langsam voran. Die kürzlichen Revisionen ändern zwar nichts Grundlegendes, sie können aber bei konsequenter Anwendung zur weiteren Verbesserung der Wirksamkeit von sicherheitsbezogenen Informationen beitragen. 1 ANSI-Normen werden nicht in andere Sprachen übersetzt. Im US-englischen Original heißen Warnschilder „Product Safety Labels“, und in Deutsch lautet die korrekte Übersetzung etwas sperrig „Produktsicherheitsschilder“, vgl. DIN ISO 3864-2. In diesem Artikel verwende ich jedoch die verbreitete Benennung „Warnschild“.