Ohne Kasten und Dreieck

Text: Matthias Schulz

Wie ANSI Z535.6 Sicherheits- und Warnhinweise differenziert und wieso die oft übertriebene Hervorhebung von Warnhinweisen nur vermeintlich den Vorgaben dieser Norm entspricht.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 07:12 Minuten

Wenn über Sicherheits- und Warnhinweise in Nutzungsinformationen gesprochen wird, die sowohl international als auch in den USA verwendet werden sollen, kommt meist sofort die Norm ANSI Z535.6 ins Spiel. Oft wird die Sache so dargestellt, als handele es sich konzeptionell und gestalterisch in Bezug auf Sicherheits- und Warnhinweise bei den USA um eine „andere Welt“. Ist es aber wirklich erforderlich, für die USA wegen der Sicherheits- und Warnhinweise separate Anleitungsversionen zu erstellen? Tatsächlich überwiegen die Gemeinsamkeiten zwischen US-Normen und internationalen Normen. Man könnte sogar von einer weitgehenden Übereinstimmung mit EN IEC/IEEE 82079-1 sprechen, die es möglich macht, Nutzungsinformationen zu erstellen, die für Europa und für die USA geeignet und normgerecht sind.

Lesefluss nicht unterbrechen

Sicherheits- und Warnhinweise im „ANSI-Gewand“ kommen häufig als übertrieben große Kästen mit grellen Signalwortfeldern daher. Leider werden sie so auch von Redaktionssystemen oft als Standard vorgegeben. Zuletzt brandmarkte Johannes Dreikorn in seinem Artikel zu Recht den „Warnhinweis in Kastenform“. [1] Besonders bedenklich sind nach seinem Empfinden das Aneinanderreihen solcher Warnhinweise und das Unterbrechen des Leseflusses in Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Sind solche „Warnkästen“ überhaupt erforderlich und wirklich konform mit den Anforderungen in ANSI Z535.6? Wie passen ANSI Z535.6 und die internationalen Normen zusammen?

Zunächst ist herauszustellen, dass ANSI Z535.6 Sicherheits- und Warnhinweise ebenso differenziert wie EN IEC/IEEE 82079-1 (Vergleich der Definitionen in Tabelle 01).

Tabelle mit Anforderungen nach ANSI Z535.6 und EN IEC/IEEE 82079-1.
Tab. 01 Quelle Matthias Schulz

Von den fünf verschiedenen Arten von „safety messages“ (sicherheitsbezogenen Informationen), die in Z535.6 beschrieben sind, betreffen nur zwei das, was in der internationalen Norm als „Warnhinweis“ bezeichnet wird: „section safety message“ (abschnittsbezogener Warnhinweis) und „embedded safety message“ (eingebetteter Warnhinweis). Die „grouped safety messages“ hingegen entsprechen recht eindeutig der Definition von Sicherheitshinweisen in einem Kapitel Sicherheit nach EN IEC/IEEE 82079-1. Interessant dabei ist: Nicht einmal für die beiden Pendants zum Warnhinweis wird in ANSI Z535.6 zwingend die von einigen kritisierte, aber von vielen praktizierte „Kastenform“ gefordert.

Tatsächlich basiert die übertriebene Hervorhebung von Warnhinweisen auf einem Missverständnis. Als ANSI im Jahr 2006 der Z535-Reihe den Teil 6 hinzufügte, wollte man damit nicht erreichen, dass Warnhinweise in Anleitungen wie Warnschilder gestaltet werden. Im Gegenteil, man wollte eine mit dem Gesamtsystem der Z535.6 kompatible Gestaltung von Warnhinweisen ermöglichen, die gerade nicht wie Warnschilder aussehen sollten. Einige offenbar wenig bekannte Regelungen in ANSI Z535.6 zu „section safety messages“ und „embedded safety messages“ belegen das:

  • Warnhinweise können ohne Warndreieck und ohne Signalwort gestaltet werden (8.4.1, 9.4.1).
  • Warnhinweise können nur mit einem Warndreieck (ohne Signalwort) gekennzeichnet werden (8.4.2, 9.4.2).
  • Eingebettete Warnhinweise können mit einem Signalwort (ohne Warndreieck) gekennzeichnet werden (9.4.1).
  • Wenn mehrere Warnhinweise aufeinanderfolgen, können diese zusammengefasst und mit nur einem Warndreieck und einem Signalwort gekennzeichnet werden. Das Signalwort soll dann so gewählt werden, dass es der Gefährdung mit dem höchsten Risikograd entspricht (8.4.3).
  • Nirgends ist gefordert, einen Rahmen um einen Warnhinweis zu zeichnen; die Norm enthält dafür nicht ein einziges Beispiel.
  • Die Verwendung der Signalfarben ist nicht gefordert. Wenn jedoch Farben verwendet werden, müssen sie den Vorgaben in ANSI Z535.1 entsprechen.

Zurückhaltendere Warnhinweise

Es ist also auch nach den Vorgaben in ANSI Z535.6 nicht nur möglich, sondern sogar wünschenswert, Warnhinweise weniger stark hervorzuheben, als dies oft geschieht. In einer Anmerkung zum Abschnitt 9.4 heißt es: „When special formatting is used to differentiate embedded safety messages, care should be taken to ensure that the formatting does not unnecessarily interfere with the user reading the information.“ Die Norm macht damit auf die Gefahr aufmerksam, dass übermäßig stark hervorgehobene Warnhinweise den Lesefluss stören können.

Vielfach sehen Warnhinweise innerhalb von Schritt-für-Schritt-Anleitungen aus, wie sie Abbildung 01 zeigt.

Ausschnitt aus einer Anleitung mit einem hervorgehobenen Warnhinweis.
Abb. 01 Unangemessen stark hervorgehobener Warnhinweis. Quelle Matthias Schulz

Es wäre besser, Warnhinweise weniger stark herauszustellen. Das steht nicht im Widerspruch zu den Vorgaben von ANSI, sondern setzt sie im Gegenteil korrekt um. Abbildung 02 zeigt eine zurückhaltendere Gestaltung.

Ausschnitt aus einer Anleitung mit zurückhaltender Gestaltung.
Abb. 02 Warnhinweis in zurückhaltender Gestaltung. Quelle Matthias Schulz

Es ist zusätzlich möglich, die typische SAFE-Struktur zu durchbrechen und die Maßnahme zur Abhilfe als nächsten Schritt der Handlungsfolge zu nennen (Abb. 03). Die möglichen Folgen können dabei weggelassen werden, wenn die Gefährdung an anderer Stelle ausführlicher erläutert wurde, zum Beispiel im Sicherheitskapitel oder in einem einleitenden Abschnitt „Sicherheit im Betrieb/bei Instandhaltung …“.

Warnhinweis in einer Handlungsfolge.
Abb. 03 Warnhinweis in die Handlungsfolge integriert. Quelle Matthias Schulz

Und schließlich kann man den Warnhinweis auch ganz aus der Handlungsfolge entfernen und ihn der Handlungsfolge stattdessen voranstellen, zum Beispiel als Teil der Voraussetzungen (Abb. 04). Auch hierbei ist die zwingende Voraussetzung, dass das sicherheitsgerechte Verhalten zuvor an anderer Stelle ausführlicher erläutert wurde. Dafür eignet sich das Sicherheitskapitel oder ein lebensphasenbezogener Abschnitt mit Sicherheitshinweisen, hier zum Beispiel „Sicherheit bei Reinigungs- und Wartungsarbeiten“.

Der genaue Vergleich der Anforderungen ergibt also, dass es gar nicht erforderlich ist, Warnhinweise für US- und international einsetzbare Anleitungen unterschiedlich zu gestalten. Es ist jedoch erforderlich, in Warnhinweisen Signalwörter zu verwenden, denn das verlangen die IEC-Norm und auch EN ISO 20607.

Warnhinweis vor der Handlung.
Abb. 04 Warnhinweis der Handungsfolge vorangestellt. Quelle Matthias Schulz

ANSI Z535.6 und das Sicherheitskapitel

Noch offener sind die Anforderungen an „grouped safety messages“ – dem Pendant zum „Sicherheitshinweis“ bzw. zu einer Sammlung von Sicherheitshinweisen in einem Abschnitt oder einem Kapitel „Sicherheit“. Die Verwendung von Warndreieck und Signalwörtern stellt die Norm dabei gänzlich frei. Ein Signalwort kann als Hauptüberschrift des Abschnitts oder Kapitels dienen. Dann muss es jedoch zentriert in einem Signalwortfeld zusammen mit dem Warndreieck platziert werden (7.4.1.3).

Es genügt allerdings auch eine Abschnitts- oder Kapitelüberschrift, die auf den sicherheitsrelevanten Charakter hinweist, etwa „Vorsichtsmaßnahmen“, „Wichtige Sicherheitsinformationen“ oder wie in Deutschland üblich einfach „Sicherheit“ oder „Sicherheitshinweise“ (7.4.1.2).

Die Sicherheitshinweise sollen gegliedert sein, zum Beispiel in nummerierten oder unnummerierten Listen. Wenn viele Sicherheitshinweise erforderlich sind, sollen diese weiter untergruppiert und mit Zwischenüberschriften versehen werden (7.4.2). Dies macht sie für das Selbststudium oder die Unterweisung der Nutzerinnen und Nutzer leichter zugreifbar. Ein mögliches Umsetzungsbeispiel ist in Abbildung 05 dargestellt. Es zeigt einen Ausschnitt aus einem Sicherheitskapitel, der für die Schulung von Bedienern und Einrichtern gedacht ist. Die Sicherheitshinweise sind chronologisch angeordnet und folgen dann jeweils der Struktur: Anweisung gefolgt von Gefährdung und Folgen.

Ausschnitt aus einem Sicherheitskapitel zur Schulung von Bedienern/Einrichtern.
Abb. 05 Unterkapitel eines Sicherheitskapitels zur Schulung der Personalgruppe Bediener/Einrichter. Quelle Matthias Schulz

Im Abschnitt 7.4.3 wird hervorgehoben, dass Sicherheitshinweise auch in den USA gestalterisch keineswegs nur eine Sammlung von Warnhinweisen sein dürfen: „Typical product safety sign and label formatting (e.g., signal word panel or borders) should not be used for each individual message.“ Zusätzlich macht die Norm darauf aufmerksam, dass zu häufige oder übertriebene Hervorhebung einzelner oder gar aller sicherheitsrelevanten Informationen kontraproduktiv ist.

Der Hauptgrund für die Forderung nach einer weniger plakativen Gestaltung ist somit auch in ANSI Z535.6 der Zweck von Sicherheitshinweisen („grouped safety messages“). Er unterscheidet sich wesentlich von dem der Warnhinweise und Warnschilder. Sicherheitshinweise dienen nicht dazu zu warnen, sondern sollen didaktisch geschickt Gefährdungen und dazu passende Schutzmaßnahmen erläutern und sicheres Verhalten fördern. Abschnitt 7.1 gibt folgende Zwecke an (unterstreichung = unsere hervorhebung):

  • a. allowing users to access some or all of the safety messages for a product in one location;
  • b. allowing safety messages to be presented together according to a meaningful organizational system (e.g., grouped by hazard type, grouped and sequenced by frequency and severity of injury, grouped by stage of use, or grouped by the part of the product involved);
  • c. providing safety messages that apply to multiple sections or parts of a document so that they do not have to be repeated unnecessarily throughout the document;
  • d. providing safety messages that do not apply to any particular section of the document; or
  • e. providing detailed information about a hazard that may then be referenced, implicitly or explicitly, by safety messages in the body of a document.

Besonders der letzte Punkt macht deutlich, dass sicherheitsbezogene Information als Gesamtheit gesehen werden sollte. Die Sicherheitsaspekte, entsprechende Maßnahmen und sichere Verhaltensweisen sollen in einem Sicherheitskapitel ausführlicher erläutert werden, als das in einem einzelnen Warnhinweis möglich und sinnvoll wäre. Das stimmt vollkommen mit den Anforderungen der internationalen Norm überein. EN IEC/IEEE 82079-1 fügt jedoch hinzu, dass Sicherheitshinweise als Grundlage für die Schulung von Nutzerinnen und Nutzern geeignet sein sollen. In anderen Teilen der Nutzungsinformation kann man dann darauf explizit oder implizit Bezug nehmen und den Nutzerinnen und Nutzern dadurch auch die häufige Wiederholung von Warnhinweisen ersparen.

Eine wichtige Nebensache

Das in ANSI Z535.6 dargelegte Konzept für sicherheitsbezogene Informationen (USA: „safety messages“) ist überwiegend deckungsgleich mit dem der EN IEC/IEEE 82079-1. Technische Redaktionen tun daher gut daran, sich stärker auf die konzeptionelle Integration und didaktische Aufbereitung sicherheitsrelevanter Information in die Nutzungsinformationen zu konzentrieren als auf deren Gestaltung. Die Gestaltung und Hervorhebung werden dann zur „wichtigen Nebensache“. So können ohne zusätzlichen Aufwand international taugliche Fassungen entstehen, die in Bezug auf Sicherheits- und Warnhinweise nicht mehr für die USA aufbereitet werden müssen. Gleichwohl mögen für die USA andere Anpassungen und auch zusätzliche Inhalte erforderlich sein. Außerdem muss die Sprache angepasst werden, da sich nicht nur die Schreibweisen in Großbritannien und USA unterscheiden, sondern auch Terminologie und Wortwahl voneinander abweichen.

Zwei Personen mit je einem Megafon stehen neben einem Achtung-Zeichen.