Technische Texte sind voller Mehrdeutigkeiten. Wohin man auch blickt, stehen mehrdeutige Wörter, vage Bezüge, unklarer Satzbau. Das liegt nicht an mangelnden Fähigkeiten Technischer Redakteure und Redakteurinnen, sondern am Wesen natürlicher Sprachen. Es gibt sprachliche Strukturen, die ganz regelmäßig Mehrdeutigkeiten auslösen, und diese Strukturen lassen sich auch nicht vermeiden.
Diese Mehrdeutigkeitsauslöser erweisen sich auch als erstaunlich resistent gegen alle stilistischen Bemühungen. Selbst in kurzen, übersichtlichen Sätzen treten sie auf. Ein Beispiel: „Der Lieferumfang umfasst Kunststoffschrauben und Unterlegscheiben, die der Norm 15237 entsprechen.“ Wie viele Bedeutungsvarianten hat dieser Satz? Die Auflösung finden Sie am Ende des Artikels.
Risiken durch Mehrdeutigkeiten
Nicht jede mehrdeutige Formulierung birgt automatisch das Risiko eines Missverständnisses. In den allermeisten Fällen ist eine der Bedeutungsvarianten so naheliegend, dass die alternativen Bedeutungsvarianten gar nicht erst in Betracht gezogen werden. Wenn Kontext und Wissen nur eine der Varianten zulassen, nimmt der Leser oder die Leserin die Mehrdeutigkeit oft gar nicht wahr. Wenn zum Beispiel auf den Seiten eines IT-Fachhändlers der Begriff „kabellose Maus“ auftaucht, wird wohl niemand an ein kleines Nagetier denken.
Doch leider klappt diese automatische Auflösung von Mehrdeutigkeiten nicht immer. Da technische Texte in der Regel punktuell gelesen werden, ist auf die klärende Kraft des Kontexts nicht immer Verlass. Zudem ist es oft schwierig, zu beurteilen, wie viel Vorwissen die Leserschaft mitbringt. Technische Redakteure und Redakteurinnen tendieren dazu, dieses Vorwissen zu überschätzen.
Wo die unbewusste, automatische Auflösung scheitert, führen mehrdeutige Strukturen zu Irritationen oder gar Missverständnissen. Probleme treten auch bei der Übersetzung auf. Das passiert insbesondere dann, wenn durch die Segmentierung der klärende Kontext nicht ohne Weiteres zugänglich ist.
Deshalb ist es beim Verfassen technischer Texte besonders wichtig, mehrdeutige Strukturen mit Umsicht einzusetzen und nur dann zu verwenden, wenn sie kein Missverständnis-Risiko bergen. Voraussetzung dafür ist, dass die Fachleute in der Technischen Redaktion diese Mehrdeutigkeitsauslöser kennen und identifizieren können.
Schauen wir uns die im Eingangsbeispiel enthaltenen Mehrdeutigkeitsauslöser genauer an.
Die Beschreibung weiterer Mehrdeutigkeitsauslöser und Hintergrund-Informationen zum Thema Mehrdeutigkeiten finden Sie auf den Seiten der Vereinigung für Sprachkultur: https://sprachkultur.org/category/mehrdeutigkeiten/ Wenn Sie Fragen oder Anregungen haben – oder auch Beispiele für mehrdeutige, missverständliche Formulierungen: Schicken Sie diese bitte an den Autor (martin.jung(at)sprachkultur.org). Besonders schöne und typische Mehrdeutigkeiten werden in zukünftigen Vorträgen und Artikeln aufgegriffen – wobei Sie auf Wunsch als „Spender“ bzw. „Spenderin“ genannt werden. Inf. 01 Quelle Martin Jung |
Zusammengesetzte Wörter
Sind mit „Kunststoffschrauben“ Schrauben aus Kunststoff oder Schrauben für Kunststoff gemeint? Bei zusammengesetzten Wörtern (Komposita) ist die Bedeutungsbeziehung, in der die einzelnen Teile zueinander stehen, prinzipiell offen. Während bei den Teilen eines Satzes syntaktische Funktionen die semantischen Relationen festlegen, ist das bei den Teilen von Wörtern nicht der Fall. Es gilt lediglich: Das Erstglied bestimmt das Zweitglied näher. Wie genau? Das wird nicht durch grammatische Regeln, sondern durch den Sprachgebrauch bestimmt.
So ist also eine „Kunststoffschraube“ eine spezielle Schraube, die irgendetwas mit Kunststoff zu tun hat. Das kann zum Beispiel eine Schraube mit einem speziellen, für Kunststoff geeigneten Gewinde sein oder aber eine Schraube, die aus dem Material Kunststoff besteht. Meistens ist Letzteres der Fall. „Holzschrauben“ dagegen sind meist nicht aus Holz. Bei „Schlossschrauben“ oder „Tellerschrauben“ haben wir jeweils gänzlich andere Bedeutungsrelationen.
Ein „Gummiextruder“ extrudiert Gummi, ein „Schneckenextruder“ jedoch keine Weichtiere. Ist ein „Aluminiumextruder“ aus Aluminium gefertigt oder extrudiert er Aluminium? Nur die Fachleute unter Ihnen werden es wissen, Letzteres ist richtig. Aus der Art der Zusammensetzung lässt sich die Bedeutung jedenfalls nicht ablesen.
Rektionskomposita: Bei manchen zusammengesetzten Wörtern drängt sich eine bestimmte Lesart förmlich auf: Das zweite Wort der Zusammensetzung, meist von einem Verb abgeleitet, scheint die Bedeutungsbeziehung zu bestimmen. Es öffnet eine semantische Leerstelle, und das dazukommende Wort wird automatisch als Füllung dieser Leerstelle interpretiert.
Ein Wort wie „Zuordnung“ beispielsweise wirft die Frage auf, was denn da wohl zugeordnet wird. So werden Sie „Dateizuordnung“ ganz selbstverständlich in der Bedeutung „Dateien werden zugeordnet“ verstehen. Das Wort „Speicherzuordnung“ analog als „Speicher wird zugeordnet“. Im gleichen Kontext (Beschreibung eines Cobol-Compilers) wurde der Begriff „Kommandozuordnung“ mit der Bedeutung „Zuordnung mittels eines Kommandos“ eingeführt. Missverständnisse sind damit vorprogrammiert.
Weitere Beispiele: „Kohleförderung“ und „Stahlproduktion“ scheinen eindeutig, bei „Roboterproduktion“ könnte man aber ins Grübeln kommen …
Mehrgliedrige Komposita: Falls ein Kompositum nicht nur aus zwei, sondern aus mehreren Teilen zusammengesetzt ist, können Klammerungsmehrdeutigkeiten hinzukommen. Das Wort „Standarddateiausgabe“ beispielsweise könnte „Standard-Dateiausgabe“ bedeuten (also „standardisierte Ausgabe von Dateien“) oder aber „Standarddatei-Ausgabe“ (also: „Ausgabe von standardisierten Dateien“).
Weitere Beispiele lauten „Sekundärindexblock“, „Dateimengenkennzeichen“ und – mehrdeutig, aber wohl trotzdem nicht missverständlich – „Mädchenhandelsschule“.
Was tun?
- Verwenden Sie möglichst nur bereits geläufige Zusammensetzungen, die schon eine „feste“ Bedeutung haben.
- Machen Sie im Zweifelsfall deutlich, welche Bedeutungsbeziehung Sie meinen, zum Beispiel durch eine kurze Definition beim ersten Gebrauch der Zusammensetzung oder in einem Fachwortverzeichnis.
- Verwenden Sie keine Komposita, die gegen gewohnte Interpretationsmuster verstoßen.
- Verwenden Sie bei mehrgliedrigen Zusammensetzungen ggf. Bindestriche, um die Struktur zu verdeutlichen.
Attributbezug bei Koordination
Das Eingangsbeispiel enthält eine Koordination („Kunststoffschrauben und Unterlegscheiben“) gefolgt von einem Relativsatz-Attribut („die der Norm 15237 entsprechen“). Dabei stellt sich die Frage, ob nur die Unterlegscheiben der Norm 15237 entsprechen oder ebenso die Kunststoffschrauben. Mit anderen Worten: Bezieht sich das Attribut auf nur eines der Konjunkte oder auf beide?
Dieses sehr häufige Mehrdeutigkeitsmuster tritt bei ganz unterschiedlichen Attributen auf, zum Beispiel auch bei vorangestellten Adjektiv-Attributen: „32 Byte lange Felder und Variablen können nicht übergeben werden.“ Hier tritt zu „Felder und Variablen“ das Adjektiv-Attribut „32 Byte lange“. Dieser Satz lässt die Frage offen, ob Variablen grundsätzlich nicht übergeben werden können oder ob das nur für solche Variablen gilt, die 32 Byte lang sind.
Dilemma bei der Übersetzung: Mehrdeutigkeiten wie diese stellen auch für die Übersetzung ein Problem dar, da die Übersetzung für die unterschiedlichen Lesarten jeweils unterschiedlich sein kann. Übersetzer und Übersetzerinnen müssen also eine Entscheidung fällen. Hier zum Beispiel mögliche Übersetzungen ins Französische:
- Des champs(masc) et des variables(fem) longues(fem) de 32 bytes …
- Des champs(masc) et des variables(fem) longs(masc) de 32 bytes …
- Des champs(masc) et des variables(fem) d’une longueur de 32 bytes …
In der ersten Übersetzungsvariante ist mit „longues“ die feminine Form gewählt. Das Adjektiv-Attribut bezieht sich damit zwingend nur auf das ebenfalls feminine „variables“. In der zweiten Variante wird mit „longs“ die generisch maskuline Form gesetzt, damit bezieht sich das Attribut zwingend auf beide Konjunkte. Wie die dritte Variante zeigt, bietet eine etwas freiere Übersetzung einen Ausweg aus dem Dilemma: Hier wird anstelle des Adjektivattributs mit „d’une longueur“ ein präpositionaler Genitiv gewählt. Die Konstruktion ist damit eine andere als in der Ausgangssprache, die Mehrdeutigkeit jedoch 1:1 in die Zielsprache übertragen.
Weitere Beispiele:
- „Arbeits-, Konferenz- und Klappstühle sowie Sessel mit 3-jähriger Garantie“
- „Anweisungsmarken, Wiederholungsfaktoren und Formatschlüssel in Formatangaben dürfen nicht als symbolische Konstanten verwendet werden.“
- Aus einer Stellenanzeige: „Sie haben Spaß am Verkauf und Führen von Menschen.“
Was tun?
- Falls das Attribut nur für einen der koordinierten Ausdrücke gelten soll: Ändern Sie die Wortstellung.
- „Felder und 32 Byte lange Variablen können nicht übergeben werden.“
- „Sie haben Spaß am Führen von Menschen und am Verkauf.“
- Falls das Attribut für mehrere der koordinierten Ausdrücke gelten soll: Wiederholen Sie das Attribut.
- „32 Byte lange Variablen und 32 Byte lange Felder können nicht übergeben werden.“
- Falls das Attribut für mehrere der koordinierten Ausdrücke gelten soll, eine Wiederholung des Attributs jedoch schwerfällig klingen würde: Verwenden Sie eine Liste.
- „Folgende Ausdrücke in Formatangaben dürfen nicht als symbolische Konstanten verwendet werden:
- Anweisungsmarken
- Wiederholungsfaktoren
- Formatschlüssel“
Attribute: restriktiv oder nicht?
Bei unserem Eingangsbeispiel stellt sich die Frage, ob das Relativsatz-Attribut „die der Norm 15237 entsprechen“ restriktiv ist oder nicht: Entsprechen alle im Lieferumfang enthaltenen Unterlegscheiben der Norm 15237 (nicht-restriktive Lesart)? Oder sind noch weitere Unterlegscheiben mitenthalten, die der Norm nicht entsprechen (restriktive Lesart)?
Ein weiteres Beispiel mit einem Relativsatz-Attribut lautet: „Fehler vom Fehlergrad FATAL, die zum Programmabbruch führen, ...“
Wenn Sie den Relativsatz restriktiv (also einschränkend) auffassen, dann schließen Sie daraus: Hier geht es um diejenigen Fehler vom Fehlergrad FATAL, die zum Programmabbruch führen. Das ist eine Teilmenge dieser Fehler. Es gibt auch Fehler vom Fehlergrad FATAL, die nicht zum Programmabbruch führen – aber von diesen ist hier nicht die Rede.
Wenn Sie den Relativsatz nicht-restriktiv (also allgemein beschreibend) auffassen, dann schließen Sie draus: Hier geht es um Fehler vom Fehlergrad FATAL. Fehler vom Fehlergrad FATAL führen zum Programmabbruch. Das gilt für alle Fehler dieses Fehlergrads.
Auch bei diesem Mehrdeutigkeitsmuster handelt es sich also nicht um spitzfindige Bedeutungsunterschiede. Die Leser und Leserinnen ziehen – je nachdem welche Lesart sie auswählen – ganz unterschiedliche Schlüsse.
Dilemma bei der Übersetzung: Übersetzer und Übersetzerinnen, die mit solchen Relativsätzen konfrontiert werden, sind nicht zu beneiden. Schließlich müssen sie eine Entscheidung fällen. Im Gegensatz zum Deutschen unterscheidet sich nämlich in vielen Sprachen die Interpunktion je nach Bedeutungsvariante: Da restriktive Relativsätze ein integraler Bestandteil der Aussage sind, werden sie zum Beispiel im Englischen oder im Spanischen nicht durch ein Komma abgetrennt. Bei nicht-restriktive Relativsätzen dagegen wird ein Komma gesetzt, da sie eine zusätzliche, eigenständige Aussage machen.
Auch bei anderen Attributtypen: Das nächste Beispiel zeigt, dass dieser Typ von Mehrdeutigkeiten nicht auf Relativsatz-Attribute beschränkt ist: „Systemeinträge können nur von einem besonders privilegierten ACS-Administrator erzeugt werden.“
Können nur ganz bestimmte ACS-Administratoren Systemeinträge erzeugen, nämlich diejenigen, die zusätzlich noch besondere Privilegien haben? Oder haben ACS-Administratoren grundsätzlich besondere Privilegien und können deshalb allesamt Systemeinträge erzeugen?
Ein weiteres Beispiel mit einem Adjektiv-Attribut: „Der Vortrag gefiel den interessierten Zuhörern.“
Bei Vorträgen habe ich mir immer die nicht-restriktive Variante gewünscht (siehe abb. unten). Alle Zuhörer sind interessiert. Allen Zuhörern gefällt der Vortrag. Formal lässt sich die nicht-restriktive Bedeutungsvariante zum Beispiel so beschreiben:
- „∀x (Zuhörer(x) interessiert(x))“
- „∀x (Zuhörer(x) Vortrag-gefällt(x))“

In der restriktiven Bedeutungsvariante könnte das ganz anders aussehen (s. Abb.). Der Vortrag gefällt nur denjenigen Zuhörern, die interessiert sind – und das sind leider bei Weitem nicht alle. Formal könnte man die Bedeutung wie folgt beschreiben:
„∀x ((Zuhörer(x) ⋀ interessiert(x))
Vortrag-gefällt (x))“

Beim Vergleich der logischen Repräsentationen wird noch einmal deutlich: Im ersten Fall (nicht-restriktiv) macht das Attribut eine eigenständige, zusätzliche Aussage. Im zweiten Fall (restriktiv) ist es nur eine Aussage, deren integraler Bestandteil das Attribut ist.
Was tun?
Wenn Sie Mehrdeutigkeiten dieser Art ganz vermeiden wollten, dürften Sie keine Attribute mehr verwenden – und das geht nicht. Sie können jedoch das Missverständnis-Risiko geringhalten:
- Verwenden Sie Attribute möglichst nur in der restriktiven Bedeutungsvariante. Diese Variante ist bei Weitem die häufigere und deshalb tendieren die Leser und Leserinnen zu dieser Interpretation.
- Lagern Sie nicht-restriktive Attribute in eigene Sätze aus. Vielleicht können Sie das nicht-restriktive Attribut aber auch ganz weglassen.
„Fehler vom Fehlergrad FATAL führen zum Programmabbruch.“
„ACS-Administratoren haben besondere Privilegien. Systemeinträge beispielsweise können nur von ACS-Administratoren erzeugt werden.“ - Bei Relativsatz-Attributen können Sie auch disambiguierende Formulierungen verwenden:
„Im Folgenden werden diejenigen Fehler vom Fehlergrad Fatal beschrieben, die zum Programmabbruch führen“ – Relativsatz ist zwingend restriktiv.
„Im Folgenden werden die Fehler vom Fehlergrad Fatal beschrieben, die ja bekanntlich zum Programmabbruch führen.“ Damit ist der Relativsatz zwingend nicht-restriktiv.
Was Aufzählungen suggerieren
In unserem Eingangsbeispiel wird aufgezählt, was im Lieferumfang enthalten ist („Kunststoffschrauben und Unterlegscheiben“). Ist diese Aufzählung vollständig? Oder sind darüber hinaus noch weitere Teile im Lieferumfang enthalten? Bei Aufzählungen geht man in der Regel davon aus, dass diese vollständig sind (erschöpfend/exhaustiv). Das muss aber nicht der Fall sein.
Ein spannendes Mehrdeutigkeitsmuster: Es geht um Folgerungen, die zwar naheliegend, aber nicht zwingend sind, da sie über die wörtlich-logische Bedeutung hinausgehen. Man spricht hier auch von pragmatischen Folgerungen oder Implikaturen – in Abgrenzung zur semantisch-logischen Implikation.
Grundlage für diese Implikaturen ist die allgemeine Annahme, dass sprachliche Äußerungen richtige, relevante, wohlgeordnete und vollständige Informationen enthalten – jeweils bezogen auf das Kommunikationsziel.
Wird etwa in einem technischen Text eine Folge von Handlungsschritten aufgelistet, gehen wir ganz automatisch davon aus, dass alle aufgelisteten Handlungsschritte für das Erreichen des Ergebnisses notwendig sind, die Schritte in der angegebenen Reihenfolge durchzuführen sind und dass keine Handlungsschritte fehlen – auch wenn das alles so gar nicht explizit erwähnt ist.
Beispiele: „Folgende Zeichen sind zulässig: Großbuchstaben (A–Z), Kleinbuchstaben (a–z), Ziffern (0–9) sowie Jokerzeichen (* ?)“.
Die Frage, ob ein Strichpunkt zulässig ist, wird man – nach Durchsicht obiger Aufzählung – wohl verneinen. In dem Kontext, aus dem dieses Beispiel stammt, wäre das auch die richtige Antwort.
Folgender Satz ist ganz ähnlich aufgebaut: „Logische Ausdrücke enthalten Operatoren (wie: ∼, →, ↔, ∧, ∨) und Quantoren“.
Man könnte geneigt sein, die Frage, ob zum Beispiel auch Variablen enthalten sein können, ebenfalls zu verneinen. Das wäre jedoch ein Irrtum, denn in logischen Ausdrücken können neben Operatoren und Quantoren auch Variablen und Konstanten vorkommen.
Was tun? Wenn die Implikaturen zutreffend sind, machen Sie dies ggf. explizit:
- „Führen Sie alle aufgelisteten Handlungsschritte in der angegebenen Reihenfolge aus.“ „Folgende Zeichen sind zulässig: Großbuchstaben (A–Z), Kleinbuchstaben (a–z), Ziffern (0–9) sowie Jokerzeichen (* ?). Andere Zeichen dürfen nicht verwendet werden.“
Wenn die Implikaturen nicht zutreffend wären, nehmen Sie diese möglichst im gleichen Satz zurück:
- „Sie können die aufgelisteten Handlungsschritte in beliebiger Reihenfolge ausführen. Optionale Schritte sind als solche gekennzeichnet.“ „Logische Ausdrücke enthalten unter anderem Operatoren (wie: ∼, →, ↔, ∧, ∨) und Quantoren.“
In Verständlichkeit investieren
Mehrdeutigkeiten entstehen nicht zufällig. Hinter mehrdeutigen Textstellen stehen ganz bestimmte sprachliche Muster. Wenn Technische Redakteure und Redakteurinnen diese Mehrdeutigkeitsauslöser kennen und diese Muster mit Umsicht einsetzen, werden sie Texte verfassen, die verständlicher und übersetzungsfreundlicher sind.
Die Vermittlung dieser Sprachkompetenz ist ein Weg, mit geringem Kosteneinsatz die Qualität der Texte zu erhöhen. Durch weniger Rückfragen, Missverständnisse und Fehler macht sich eine solche Investition schnell bezahlt. Mit dem gut gemeinten Rat: „Achten Sie auf eindeutige Formulierungen“ ist es allerdings nicht getan.
Und hier noch die Auflösung der Frage am Artikelanfang: Wir haben im Eingangsbeispiel vier Mehrdeutigkeitsauslöser mit jeweils zwei Bedeutungsvarianten identifiziert. Der Satz hat also (mindestens) sechzehn Bedeutungsvarianten (2*2*2*2=16).
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