Vorsicht, Warnung, Gefahr

Text: Steffen-Peter Ballstaedt

Die Technische Kommunikation ist historisch in eine breite kulturelle Tradition eingebettet mit Bezügen zu Philosophie, Handwerk, Kunst und Wissenschaft. Heute: sprachliche Warnungen.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 02:19 Minuten

Technische Redakteurinnen und Redakteure sollen mit der Betriebsanleitung den Umgang mit einem Produkt sprachlich und bildlich so steuern, dass eine sichere Handhabung gewährleistet ist. Voraussetzungen sind eine Risikobeurteilung und eine Gefahrenanalyse. Die Produkthaftung zwingt sie zusätzlich dazu, auch vor unsachgemäßem Gebrauch zu warnen. Nachfolgend geht es nicht darum, wie viele Warnhinweise und an welcher Stelle in der Technischen Dokumentation sie platziert werden [1], sondern wie sie unmissverständlich formuliert werden.

Was lehrt die Linguistik?

Warnen gehört zu den so genannten hybriden Sprechakten. Mit denen wird nicht eine Handlung vollzogen, sondern eigentlich gleich zwei: Der/die Schreibende informiert über die Gefährdungssituation (Art der Gefahr und mögliche Folgen) und gibt dazu eine Anweisung (Gebote oder Verbote), um die Folgen zu vermeiden. Das entspricht einem Konditionalsatz:

  • Wenn Situation x vorliegt, dann mache/unterlasse y.

Im Alltag sind Warnungen meist kein Problem, da sie in einer konkreten Situation von einem Experten/einer Expertin ausgesprochen werden. Ein Meister warnt den Lehrling:

  • Vorsicht. Finger weg von den Kabeln!

Und er erklärt, warum die Kabel eine Gefahr darstellen. Aber in einer Technischen Dokumentation fehlt die Autorität eines anwesenden Experten/einer Expertin, und ob der Warnhinweis vor dem gefährlichen Handlungsschritt wirklich gelesen wird, ist auch unsicher. Es soll Fälle geben, bei denen dem Warnhinweis erst nach einem Sach- oder Personenschaden Beachtung geschenkt wird. Zudem gibt es Formulierungen einer Warnung mit unterschiedlicher Explizitheit und Dringlichkeit.

Was bedeutet Explizitheit?

Man kann vier Typen des Warnens nach ihrer Ausführlichkeit unterscheiden [2].

  1. Beide Komponenten der Warnung sind explizit formuliert – eine Situation wird beschrieben und eine Handlungsanleitung wird gegeben:
    Die Oberfläche des Auspuffs kann sehr heiß werden. Den Auspuffkrümmer deshalb nicht berühren.
  2. Es wird nur die Situation verbalisiert, die daraus folgende Handlung wird aus dem Kontext abgeleitet:
    Warnung: Die Pfanne ist nach Gebrauch heiß! Die implizite Aufforderung steckt im Wissen, dass man sich an heißen Gegenständen Verbrennungen zuziehen kann.
  3. Es wird die Handlung explizit genannt, aber die Situation bleibt im Hintergrund:
    Schnittfeste Handschuhe tragen!
  4. Beide Komponenten werden aus dem Kontext abgeleitet. Diese seltene Variante des „embedded Warning“ kommt nur in der Alltagskommuni­kation vor, für die Technische Kommunikation ist sie unbrauchbar.

Was bedeutet Dringlichkeit?

Der Grad der Gefahr kann ebenfalls verschieden verbalisiert werden. Am schwächsten mit einem Modalverb oder als Empfehlung oder Bitte, das sind schwache direktive Sprechakte:

  • Es sollten keine brennbaren Gegenstände im Raum lagern.
  • Um die Pfanne zu schonen, empfehlen wir eine Handwäsche.

Am stärksten ist die Befehlsform oder der imperativische Infinitiv. Beides klingt allerdings etwas herrisch. Warnen ist oft eine Gratwanderung: entweder zu schwach (Bitten, Empfehlen, Zuraten, Abraten) oder zu stark (Befehlen, Anordnen, Drohen):

  • Wenn Sie das Gehäuse öffnen, verfällt jegliche Garantie.

Wenn geringe Gefahren zu drastisch formuliert werden, dann nehmen Anwender bzw. Anwenderinnen Warnhinweise nicht mehr ernst.

Normen und Standards

Da es viele Formulierungsvarianten gibt, wurden Normen zur Gestaltung von Warnhinweisen aufgestellt: die SAFE-Methode oder ANSI Z535.4. Es gibt standardisierte Signalworte, die nach der Risikobeurteilung der Gefahr zugeordnet werden. Sprachliche Warnungen werden dabei meist durch Piktogramme ergänzt, die symbolisch oder besser ikonisch (bildlich) vor einer Gefahr warnen.

Literatur zum Artikel

[1] Dreikorn, Johannes (2024): Wer zwingt uns eigentlich? In: technische kommunikation, H. 4, S. 49–52.
[2] Krupkina, Tetiana (2023): Warnung als impliziter hybrider Sprechakt. In: Klaus-Börge Boeckmann et al.: Mit Sprache handeln. Partizipativ Deutsch lernen und lehren. Berlin: Erich Schmidt Verlag, S. 95–100.