Immerwährende Bewegung

Text: Steffen-Peter Ballstaedt

Die Technische Kommunikation ist historisch in eine breite kulturelle Tradition eingebettet mit Bezügen zu Philosophie, Handwerk, Kunst und Wissenschaft. Heute: das Perpetuum mobile.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 02:38 Minuten

Bereits in indischen Schriften finden sich erste Beschreibungen eines Geräts, das einmal in Gang gesetzt ohne weitere Energiezufuhr ewig in Bewegung bleibt: das Perpetuum mobile. Es gibt in den folgenden Jahrhunderten unzählige Konstruktionsentwürfe, die nie tatsächlich gebaut wurden, denn sie sind physikalisch nicht möglich. [1]

Wider die Physik

Als Perpetuum mobile erster Art bezeichnet man eine Maschine, die dem Energieerhaltungsgesetz, also dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik widerspricht: Für ein abgeschlossenes System gilt, dass seine Gesamtenergie erhalten bleibt, also keine Energie entsteht oder verschwindet. Ein Beispiel für einen solcher Energiekreislauf: Eine Pumpe befördert Wasser nach oben, das Wasser fließt über ein Wasserrad wieder nach unten und treibt damit die Pumpe an.

Ein Perpetuum mobile der zweiten Art verstößt gegen den 2. Hauptsatz der Thermodynamik: Die Maschine gewinnt mechanische Antriebsenergie aus der Umgebungswärme, mit der sie erneut Wärme erzeugt und damit einen endlosen Energiekreislauf in Gang hält.

Bei allen Entwürfen werden unvermeidliche Energieverluste, zum Beispiel durch Reibung oder Wärmeabgabe, vernachlässigt. Noch eindrucksvoller wäre eine Maschine, die nicht nur ohne Energiezufuhr läuft, sondern dabei auch noch zusätzliche Arbeit verrichtet, also eine andere Maschine antreibt. Ein Menschheitstraum: Das wäre die Lösung aller Energieprobleme.

Rastlose Erfinder

Wieder einmal in der erfindungsreichen Renaissance gibt es zahlreiche Entwürfe für ein Perpetuum mobile, jeder Ingenieur erfand eine Konstruktion. Auch Leonardo da Vinci dachte darüber nach, erkannte aber, dass eine derartige Maschine nicht funktionieren kann. Im Barock ging die Suche weiter. Ein Beispiel aus dem 17. Jahrhundert veranschaulicht diesen Erfindungsgeist: Der Architekt und Ingenieur Georg Andreas Böckler veröffentlichte 1661 ein Buch mit dem Titel „Theatrum Machinarum Novum“, das vor allem die Konstruktion von Mühlen behandelt [2]. Da Mühlen von der jahreszeitlich bedingten Wasserzufuhr abhängig sind, verfolgte er die Idee, gespeichertes Wasser wieder zu verwenden und erneut arbeiten zu lassen. Das stellte er sich wie in Abbildung 01 vor: Aus einem Wasserreservoir A fließt Wasser durch den Kanal B ab und treibt das Schaufelrad C an, das einen Mühlstein M dreht und so aus Korn Mehl erzeugt. Dabei wird über die Kammräder F und G sowie ein Stockrad (H) eine archimedische Schraube (K) mit einem zusätzlichen Schwungrad (L) bewegt, das das Wasser wieder in den Behälter A befördert. Böckler hielt wie viele seiner Vorgänger seine Konstruktionen zwar für spekulativ, aber doch für fehlerfrei. Seiner Meinung nach bekamen nur die Mechaniker eine Umsetzung nicht hin.

Zeichnung von Georg Andreas Böckler.
Abb. 01 Ein Perpetuum mobile von Georg Andreas Böckler (1661, S. 189). Quelle Download aus dem Digitalisat.

Obwohl keine der Konstruktionen funktionierte, blieb das Interesse an solchen Maschinen ungebrochen. Einige Erfinder sollen über dem Grübeln in geistige Zerrüttung geraten sein. 1775 beschloss die Pariser Akademie der Wissenschaften, keine Patentanträge für ein Perpetuum mobile mehr zu prüfen.

Unendliche Geistesbewegung

Theoretisch wurde diesen Erfindungen mit der Formulierung des Energieerhaltungssatzes Mitte des 19. Jahrhunderts unabhängig durch verschiedene Wissenschaftler der Garaus gemacht. Aber viele Tüftler ließen sich dadurch nicht entmutigen. „Was man heute nicht gefunden, kann man doch wohl morgen noch finden“, so ein optimistischer Buchtitel aus dem Jahr 1910. [3] Allerdings müssten sich dazu einige physikalische Grundlagen als falsch erweisen.

Links und Literatur zum Artikel

[1] Ord-Hume, Arthur W.J.G. (2006): Perpetual motion: The history of an obsession. Kempton, Illinois: Adventures Unlimited Press.
[2] Böckler, Georg Andreas (1661): Theatrum Machinarum Novum. Digitalisat: https://digital.slub-dresden.de/kollektionen
[3] Scheerbart, Paul (1910, 2018): Das Perpetuum mobile: Die Geschichte einer Erfindung – Was man heute nicht gefunden, kann man doch wohl morgen noch finden. Prag/Berlin: e-artnow.