Medienneutral ohne Grenzen

Text: Markus Nickl

Wer die Vorteile eines Content-Management-Systems ausschöpfen will, benötigt möglichst flexible Inhalte. Das beginnt bereits bei der Grammatik, etwa beim Verwenden des bestimmten und unbestimmten Artikels.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 03:13 Minuten

Mediengebundener Wortschatz ist eine der wesentlichen Störquellen, die beim Aufbau eines medienneutralen Datenbestands Schwierigkeiten machen können. So viel haben wir bereits gesehen. [1] Doch auch die Grammatik kann zu Problemen führen, mit denen man im ersten Moment vielleicht nicht rechnen würde. Besonders problematisch sind die Artikel und Pronomen.

Ein kurzer Überblick

Mit Artikeln und Pronomen haben wir uns bereits vor einiger Zeit beschäftigt. [2] Zur Erinnerung die wesentlichsten grammatischen Eigenschaften der beiden Wortarten: Artikel zeichnen sich dadurch aus, dass sie flektieren und als Begleiter bei einem Substantiv stehen. Im Deutschen gibt es zwei Artikel: „der/die/das“ als bestimmter Artikel und „ein/eine/ein“ als unbestimmter Artikel. Dazu kommen die jeweiligen Flexionsformen, etwa „einer“ oder „dem“.

Pronomen gehören ebenfalls zu den flektierenden Wortarten (wobei manche Grammatiken auch anderer Meinung sind). Sie dienen grob gesprochen dazu, ein Nomen oder einen (Teil-)satz zu ersetzen. Daher kommt schließlich auch der Name dieser Wortart: Pro + Nomen. Es gibt eine ganze Reihe von Untergruppen bei den Pronomen, die sich jeweils durch ihre Bedeutung unterscheiden. Am bekanntesten sind wohl Personal-, Demonstrativ- und Possessivpronomen. Zu diesen kommen aber weitere Gruppen, wie zum Beispiel die Reflexivpronomen („mich“, „dich“ oder „uns“).

Auf eine kleine Seltsamkeit möchte ich hinweisen, weil sie immer wieder zu Verwirrung führt. Wenn ich nämlich bereits geschrieben habe, dass „der/die/das“ der bestimmte Artikel ist, dann ist das nur die halbe Wahrheit. Denn „der/die/das“ steht auch für mehrere unterschiedliche Pronomen. Wie viele genau, hängt wie so oft vom jeweiligen Grammatikmodell ab. Auf jeden Fall dient „der/die/das“ als Relativpronomen zur Einleitung von Nebensätzen und als Demonstrativpronomen („Das habe ich dir schon oft gesagt!“).

Hier steckt das Problem

Warum sind diese beiden Wortarten nun so problematisch für medienneutrale Content-Haltung? Bei den Pronomen ist das relativ offensichtlich: Sie ersetzen ein Substantiv oder einen Teilsatz, der bereits vorher genannt wurde. Wird bei der medienneutralen Datenhaltung nun eine Modulgrenze gesetzt zwischen dem Pronomen und dem, worauf es verweist, dann können Probleme entstehen.

Kleinere Probleme können auch auftauchen, wenn kein Pronomen gesetzt wird, obwohl wir eines erwarten würden. Das führt dazu, dass am Ende eines Moduls dieselbe Formulierung genutzt wird, die auch am Anfang des nächsten Moduls verwendet wird. Explizit falsch ist das zwar nicht. Aber es klingt für viele Leute doch ein wenig ungelenk.

Soweit die Probleme mit den Pronomen – mit dem Artikel ist die Sache dagegen ein wenig komplexer. Im ersten Moment könnte man ja meinen, dass der Artikel weitgehend problemfrei ist, weil er direkt einem Substantiv zugeordnet ist. So eine Verbindung kann durch eine Modulgrenze ja nicht versehentlich aufgelöst werden.

Das stimmt natürlich. Das Problem entsteht jedoch auf einer anderen Ebene. Denn – wie schon kurz erklärt – drückt der Artikel aus, ob ein Redeteil als bekannt vorausgesetzt wird. Bekannt ist etwas, das entweder im Kontext des Textes und für die Zielgruppe Allgemeinwissen ist. Oder es ist ein Redeteil, der zuvor bereits im Text erwähnt wurde. Und genau hier liegt die Sollbruchstelle für modularisierte, medienneutrale Content­bestände. Wenn eine Modulgrenze zwischen der Vorerwähnung und dem Artikel gezogen wurde, dann führt das zu Verwirrung bei den Leserinnen und Lesern.

Was tun mit den Modulen?

Welche Maßnahmen sollte eine Technische Redaktion ergreifen, um sprachlich medienneutrale Content-Bestände zu erzielen? Die Probleme, die an den Modulgrenzen auftreten können, sind tatsächlich ziemlich tückisch und nur schwer in den Griff zu bekommen.

Pronomen und Artikel gehören schon rein zahlenmäßig zu den häufigsten Wörtern in einem Text. Mit terminologischen Mitteln lassen sie sich leider kaum greifen. Wichtig ist es deshalb, das Phänomen zu kennen und schon beim Schreiben auf die zukünftigen Modulgrenzen zu achten und wo möglich, auf Artikel zu verzichten.

Bei Content-Beständen, die automatisiert in Module aufgeteilt wurden, hilft häufig nur eine manuelle Sichtung. Das ist relativ aufwendig. Allerdings kann man sich die Arbeit ein wenig einfacher machen, indem man sich bei der Qualitätssicherung auf die ersten und letzten Sätze der Module konzentriert. Hat man diese ermittelt, können in einem zweiten Schritt alle Sätze ausgeklammert werden, die keine bestimmten Artikel und Pronomen enthalten. Übrig bleibt dann ein oft nicht unbeträchtlicher Rest. Bei diesem wird man um ein manuelles Review nicht herumkommen. Zum Glück ist das aber dann ein Einmal-Aufwand, solange alle Technischen Redakteurinnen und Redakteure zukünftig die sprachlichen Grenzen der Module beachten.

Literatur zum Artikel

[1] Nickl, Markus (2024): Flexibel und frei vom Kontext. In: technische kommunikation, H. 6, S. 22–23.
[2] Nickl, Markus (2020): Ein kleiner Zoo von Wortarten. In: technische kommunikation, H. 1, S. 40–42.

Eine gezeichnete Person springt über verschiedene Medien.