Aktuelle Rechtsentwicklungen

Text: Jens-Uwe Heuer-James

Der Gesetzgeber unterstreicht die Bedeutung von Nutzungsinformationen, etwa mit neuen europäischen Richtlinien und Verordnungen. Auch die Gerichte betonen in ihren Entscheidungen die Qualität von Gebrauchs- und Betriebsanleitungen.

Inhaltsübersicht

Lesedauer: 13:24 Minuten

Technische Dokumentation entsteht in einem rechtlich geprägten Umfeld. Die Entwicklung dieses Umfeldes hat damit erheblichen Einfluss auf die Arbeiten in der Technischen Redaktion. Daher ist ein Überblick über aktuelle Entwicklungen schon lange Teil der tekom-Jahrestagung. Dieser Artikel nimmt den Vortrag von der Jahrestagung 2024 auf und stellt die aktuellen Rechtsentwicklungen im Überblick dar.

Festzuhalten bleibt: Die Rechtslandschaft ist in Bewegung geraten. Die Digitalisierung treibt die Überarbeitung des bestehenden Rechts voran und führt dazu, dass ein neuer rechtlicher Rahmen gesetzt wird, etwa für den Einsatz künstlicher Intelligenz oder bei der Sicherheit im Internet (Cybersecurity). Sehr bemerkenswert ist dabei, dass dies einhergeht mit einer Vielzahl neuer Verpflichtungen der Unternehmen mit Blick auf die Technische Dokumentation wie etwa der Einführung des „digitalen Produktpass“. Es erscheint nicht übertrieben, von einer Konjunktur der Technischen Dokumentation zu sprechen oder im bildlichen Sinne von einem „goldenen Zeitalter“. Diese Chancen, die die rechtliche Entwicklung eröffnet, stellen zugleich Herausforderungen an die zeitgemäße Anpassung des Berufsbildes der Technischen Redakteurin bzw. des Technischen Redakteurs dar.

Kostenthema als Dauerbrenner

Die Vielzahl der Anforderungen bringt es mit sich, dass die Einhaltung rechtlicher Vorgaben sich nicht mehr durch „Einzelbehandlung“ sicherstellen lässt. Vielmehr ist das systematische Nachhalten und Umsetzen rechtlicher Anforderungen geboten. Dies führt zu Product Compliance. Damit gemeint ist die Beachtung produktbezogener Regelungen einschließlich technischer Normen von Beginn der Entstehung eines Produktes an. Es dürfte außer Frage stehen, dass es nicht nur sinnvoll, sondern zwingend ist, in der Risikobewertung für ein Produkt auch die jeweils einschlägigen Rechtsvorschriften und technischen Normen abzubilden. Product Compliance wiederum kann nur gelingen, wenn ein regelmäßiges Update der Rechtsvorschriften erfolgt. Hier bleibt noch zu erwähnen, dass eine deutliche Tendenz wahrzunehmen ist, in den Rechtsvorschriften selbst bereits Management-Elemente einzufordern. So benennt die KI-Verordnung explizit die Verpflichtung, etwa ein Risikomanagementsystem für künstliche Intelligenz vorzuhalten.

Bei allen Neuerungen erweist sich ein Aspekt als Dauerbrenner: der Kostendruck auf die Technische Dokumentation. Aus anwaltlicher Praxis heraus lässt sich bestätigen, dass die Frage nach dem „rechtlich unbedingt Erforderlichen“ nach wie vor beliebt ist. Es besteht die Forderung nach Einsparung von Druckkosten sowie die Vereinfachung des Handling-Aufwandes für Technische Dokumentation. Tatsächlich erweist sich die Frage nach den Kosten häufig eher als Thema der Qualität Technischer Dokumentation. Qualitativ hochwertige Dokumentation ist auf das Wesentliche reduziert und kann deshalb nicht für zu hohe Druckkosten verantwortlich gemacht werden.

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass sich der Blick auf die Zielgruppen ändert. Dabei scheint der Grad der Professionalität einer Zielgruppe abzunehmen, und der Ansatz einer reduzierten Anleitung aufgrund der Annahme ausgebildeter Fachpersonen lässt sich nicht durchhalten. Dies sollte als Grundtendenz beachtet werden; im jeweiligen Einzelfall bleibt zu prüfen, ob die Annahme des „Fachmanns“ als potenzieller Nutzer tatsächlich noch zutrifft.

Trotz gewisser Eintrübung beim Export bleibt Deutschland eine Exportnation, und deutsche Produkte haben sich internationalen Anforderungen zu stellen. Dabei hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass dazu die Erfüllung der jeweiligen Anforderungen aus Produktsicherheitsrecht oder Arbeitsschutz im jeweiligen Vertriebsgebiet gehört. Die Recherche und Einhaltung internationaler Anforderungen an Produkte dürfte damit zum Tagesgeschäft der Technischen Redaktion gehören. Die Bewegung in der Rechtslandschaft gilt es daher nicht nur für die EU, sondern auch weit darüber hinaus zu beachten.

Überblick zur Rechtsprechung

Eine elementare Aufgabe der Rechtsfortbildung bildet die Rechtsprechung. Diese nachzuverfolgen, ist eine aufwendige Angelegenheit, da es umfassende, alles erklärende Entscheidungen bezüglich der rechtlichen Anforderungen an die Technische Dokumentation nicht gibt. Vielmehr setzt sich das Mosaik der Rechtsprechung aus Einzelfallentscheidungen zu Mängelgewährleistung, Instruktionsverantwortung nach Produkthaftung, Anwendung des Produktsicherheitsrechts und der Anwendung des Wettbewerbsrechts (Verletzung von Marktverhaltensregeln wie der CE-Kennzeichnung und Ähnliches) zusammen. Gerade das Wettbewerbsrecht erweist sich als populär. Denn inzwischen ist klar, dass eine schlechte Technische Dokumentation durchaus als Irreführung der Verbraucher oder als das Vorenthalten kaufentscheidender Informationen wettbewerbsrechtlich relevant sein kann.

Entscheidung zu Warnhinweis

In den nächsten Abschnitten stelle ich Ihnen beispielhafte Gerichtsentscheidungen vor, etwa die des Amtsgerichts München. Das Gericht (Urteil vom 18. März 2024, Az. 132 C 17221/22) hatte sich mit der Frage des Schadensersatzes für Fahrzeugschäden bei der Nutzung einer so genannten Duplexgarage auseinanderzusetzen. Beim Verfahren des Fahrstuhls in dieser Garage war ein Fahrzeug erheblich geschädigt worden. Der Hersteller wurde mit dem Vorwurf konfrontiert, dass die Verfahreinrichtung nur über unzureichende Warnhinweise in der Bedienungsanleitung verfügte. Das Gericht ist der Argumentation des Klägers gefolgt und kam zu dem Ergebnis, dass die gegebenen Hinweise nicht spezifisch genug seien und keine echte Hilfestellung durch präzise Warnhinweise erfolgt sei. Die Gebrauchsweise des Klägers, die letztlich den Schaden herbeigeführt hat, sei im Übrigen auch für den Hersteller eine vorhersehbare Nutzung der Garage gewesen. Dieser vorhersehbare Fehlgebrauch müsse bei der Produktgestaltung wie auch beim Abfassen der Nutzerinformationen Beachtung finden.

Aus dieser Entscheidung lässt sich folgern, dass bei der Verwendung von generischen Warnhinweisen größte Vorsicht geboten ist. Der für alle möglichen Produkte und Anwendungsfälle kreierte Warnhinweis erfüllt gerade nicht die Anforderungen an die „Warnfunktion“ eines eben solchen Hinweises. Es bedarf einer ausreichenden Konkretisierung, damit der Nutzer tatsächlich nachvollziehen kann, welche Gefahr ihm bei Nichtbeachtung des Hinweises droht, welche Folgen diese Gefahr hat und durch welche Maßnahme sie sich abwenden lässt. Der Hersteller sollte dabei bedenken, dass er Dritten, zum Beispiel ein Gericht, eine nachvollziehbare Begründung für die Abfassung und den Einsatz gerade dieses Warnhinweises geben kann.

Entscheidung zu Klimaneutralität

Von großer Aktualität ist die Werbung mit umweltbezogenen Aussagen. Gerade weil die Umwelt viele Menschen beschäftigt, finden sich in der Öffentlichkeit häufig umweltbezogene Werbeaussagen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte schon vielfach Gelegenheit, sich damit auseinanderzusetzen; im konkreten Fall (Urteil vom 27. Juni 2024, Aktenzeichen I ZR 98/23) geht es um die Bewerbung eines Produktes mit der Aussage „klimaneutral“. Der BGH hebt in dieser Entscheidung hervor, dass derartige umweltbezogene Werbung eine erhöhte Gefahr für die Irreführung der Verbraucher darstelle und die Verbraucher daher besonders sorgfältig und umfassend über die beworbene Umweltfreundlichkeit aufzuklären seien. Dies müsse auch deutlich sichtbar im Zusammenhang mit umweltbezogener Werbung geschehen. Bei der Auslegung solcher Hinweise seien dabei alle Bedeutungen des Wortlautes mit einzubeziehen. Das heißt auch eine solche Auslegung, die eine ausreichende Aufklärung über die Klimaneutralität des beworbenen Produktes möglicherweise als kritisch erscheinen lässt.

Die Technische Dokumentation hat häufig Berührungspunkte zur umweltbezogenen Werbung, etwa in Produktkatalogen, Produktdatenblättern, Internetdarstellungen oder auch in Bedienungsanleitungen selbst. Darin finden umweltbezogene Aussagen Verwendung. Zu solchen Aussagen sollte die Technische Redaktion eine kritische Distanz wahren. In keinem Fall sollte zugelassen werden, dass zur Unterstützung der „Umweltfreundlichkeit der Werbung“ auf die sachlich bezogenen Aussagen in der Technischen Dokumentation Einfluss genommen wird. Die Folgen einer wettbewerbswidrigen Werbung sind erheblich. Im Extremfall ist das Produkt auf Dauer am Markt blockiert und nicht mehr verkaufsfähig. Weiterer Aufschwung bei kritischen Bewertungen umweltbezogener Aussagen wird erwartet, wenn die so genannte Green Claims Directive in Kraft getreten ist; diese befindet sich aktuell in der Beratung.

Entscheidung zur Produktanwendung

Einen klassischen Produkthaftungsfall hatte das Landgericht in Oldenburg zu entscheiden (Urteil vom 14. März 2024, Az. 16 O 2015/23). Der Kläger macht hier eine Körperverletzung geltend, weil er sich durch heißen Tee verbrüht hat. Geklagt wurde gegen den Besitzer eines Restaurants, weil dieser nicht vor einer aus Sicht des Klägers zu hohen Zubereitungstemperatur des Tees gewarnt habe. Diese lag bei 100 Grad. Das Gericht hat sich mit der üblichen Zubereitung von Tee und den Temperaturen fertigen Tees auseinandergesetzt. Am Ende kam es zur Auffassung, dass die hier angewendete Zubereitungstemperatur von 100 Grad gerade nicht pflichtwidrig sei. Ein Anspruch auf Warnung vor einem Verbrühungsrisiko beim Anheben des Deckels bestehe daher nicht. Auch sei mit einer Bewegung des Deckels zu rechnen; typischerweise sei dieser nicht fix.

Die Entscheidung macht deutlich, dass Warnhinweise immer vor dem Hintergrund der konkreten Produktanwendung und nicht am grünen Tisch erprobt werden sollten. Die Auseinandersetzung mit der realen Nutzungssituation ist zwingend erforderlich. Irgendwelche Softwaretools oder vermeintliche Berechnungen von Risiken helfen nicht darüber hinweg, sich mit der Realität der Anwendung auseinandersetzen zu müssen. Stattdessen sollten real erprobte Anwendungen etwa in Utility-Tests fester Bestandteil der Risikoanalyse werden. Auch ist zu beachten, dass es sich bei der Konzeption von Warnhinweisen um ein „lebendes System“ handelt. Die Überprüfung und ggf. Anpassung von Warnhinweisen sind regelmäßig erforderlich.

Entscheidung zur Produktbeobachtung

Das Landgericht Hannover (Urteil vom 4. Dezember 2023, Az. 2 U 76/23) hatte sich mit der besonders schwierigen Bewertung von Impfstoffen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie auseinanderzusetzen. Der Kläger war der Auffassung, dass im Rahmen einer aktiven Produktbeobachtung der Hersteller vor bestimmten Risiken hätte warnen müssen, insbesondere was die Nebenwirkungen anbetrifft. Es habe hier eine Pflicht zur Kommunikation mit Behörden und Nutzern gegeben. Zwar bejaht das Landgericht Hannover im Grunde eine solche Verpflichtung, sieht deren Verletzung aber hier nicht als gegeben an. Gerade aufgrund der wissenschaftlichen Komplexität der Corona-Erkrankung habe es hier keine konkreten Hinweise auf Nebenwirkungen aufgrund der Corona-Impfung gegeben. Jedenfalls nicht auf solche Nebenwirkungen, wie sie der Kläger auch nur behauptet (an einer nachvollziehbaren Darlegung des Klägers fehlt es hier).

Diese Entscheidung macht erneut deutlich, dass durch ein Product-Compliance-System die sorgfältige Produktbeobachtung im Feld sichergestellt sein muss. Erkenntnisse aus der Produktbeobachtung müssen in Richtung Technische Redaktion kommuniziert werden, damit die Technische Dokumentation tatsächlich der letzten Informationslage angepasst wird und ggf. Ad-hoc-Maßnahmen erfolgen können. Eine klare Kommunikation ist dabei unabdingbar, die einem sorgfältig ausgebildeten Technischen Redakteur leichtfallen sollte.

Entwicklung der Gesetzgebung

Den entscheidenden Impuls zur Entwicklung in der Gesetzgebung setzt Europa. Hier ist der Treiber neben der Digitalisierung der Green Deal, mit dem die umweltbezogene Rechtsetzung entscheidend verändert wird. Im Bereich der Revision von bereits vorhandenen produktbezogenen Vorschriften sind vor allem die Produktsicherheitsverordnung (Inkrafttreten am 13. Dezember 2024) und die neue Produkthaftungsrichtlinie (gilt ab 2027) zu nennen.

Im Bereich der CE-Kennzeichnung steht die Umsetzung der neuen Maschinenverordnung an. Weitere Gesetzgebungsvorhaben, etwa im Bereich der Niederspannung, sind in Planung. Die neue Abbauprodukteverordnung ist Anfang 2025 in Kraft getreten. Im Bereich der Digitalisierung gibt es zwei große Gesetzgebungsvorhaben: den Cyber Brazilians Acts und die KI-Verordnung. Bei der KI-Verordnung steht die Verabschiedung der haftungsbezogenen Regelungen noch aus. Im Bereich des Green Deals geht es vor allem um die Umsetzung der Vorgaben zum Ökodesign, die zur Einführung des digitalen Produktpasses zwingen sollen.

Neue Produktsicherheitsverordnung

Die EU-Produktsicherheitsverordnung ist als produktsicherheitsrechtliche Auffangregelung für alle Verbraucherprodukte gedacht, die nicht einer CE-Kennzeichnungsvorgabe bezogen auf die Produktsicherheit unterliegen. Sie formuliert allgemeine Kriterien für die sicherheitstechnische Beurteilung und beschreibt die Befugnisse der Marktaufsicht. Dem Grunde nach ist sie den CE-Richtlinien des New Legislative Framework nachgebildet. Konsequenterweise bekommt ein Hersteller die Pflicht, technische Unterlagen, zum Beispiel die Risikobeurteilung, zu erstellen und für die Marktüberwachungsbehörden bereitzuhalten.

Sofern sich das Produkt nicht aus sich selbst heraus erklärt, verpflichtet die EU-Produktsicherheitsverordnung zur Beigabe einer verständlichen Bedienungsanleitung und sicherheitsbezogenen Informationen. Verpflichtet werden Hersteller, Importeure und Händler. Die Anforderungen betreffen neue Produkte wie auch bereits im Markt befindliche Produkte, sofern sie wesentlich verändert werden. Zielrichtung der Produktsicherheitsverordnung ist zudem der Onlinehandel. Das heißt, Überwachungspflichten werden auch für die Online-Marktplätze formuliert.

Es war durchaus erwartet worden, dass in der EU-Produktsicherheitsverordnung der Weg der Digitalisierung in Bezug auf die Bedienungsanleitung eines Produkts eingeschlagen wird. Dies ist jedoch nicht erfolgt. Vielmehr findet sich folgende Situation: In Artikel 21 werden ausdrücklich Informationen in digitaler Form angesprochen. Klar und eindeutig ist jedoch hervorgehoben, dass es sich um eine zusätzliche Information handelt. Die digitale Information kann neben den durch den Hersteller bereitzustellenden Bedienungsanleitungen und Sicherheitsinformationen bereitstehen. Daraus folgt im Umkehrschluss die Verpflichtung zur Zurverfügungstellung der Bedienungsanleitung und von Sicherheitsinformationen in Papierform. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Praxis der Anwendung der EU-Produktsicherheitsverordnung darstellen wird. Allerdings ist der Wortlaut von Artikel 21 ziemlich eindeutig. Digitale Anleitungen für Produkte, die unter die EU-Produktsicherheitsverordnung fallen, dürfte es als Ersatz für gedruckte Anleitung in absehbarer Zeit nicht geben.

Die neue Produkthaftungsrichtlinie

Bei der EU-Produkthaftungsrichtlinie handelt es sich um die schon seit langem erwartete Nachfolgeregelung der ursprünglich in 1985 entwickelten Vorgabe zur Vereinheitlichung der Produkthaftung in den EU-Mitgliedsstaaten. Bei dieser Systematik ist man geblieben und hat sich für die Rechtsetzung durch die Richtlinie entschieden. Aus Sicht der Technischen Redaktion sind dabei zwei Dinge bemerkenswert: Erstens wird mit der Produkthaftungsrichtlinie die Produkthaftung für Software eingeführt. Dies bedeutet, dass Softwarehandbücher in Zukunft nach dem produkthaftungsrechtlichen Maßstab zu beurteilen sind; dies ist faktisch bereits jetzt der Fall, wird durch das neue Recht aber verdeutlicht. Problematisch daran ist, wie in Zukunft die Fehlerhaftigkeit von Software beurteilt werden soll. In technischer Hinsicht ein durchaus heikles Thema, da eine gänzlich fehlerfreie Software, jedenfalls bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Inverkehrgabe, nur sehr schwierig erreichbar ist.

Zweitens kommt eine Problematik hinzu, nach der ein Hersteller verpflichtet wird, im Schadenfall auf Anforderung seitens des Geschädigten alle Details zur Konstruktion seines Produktes offenzulegen. Dies erinnert an die Thematik der Raumfähre Discovery nach US-amerikanischem Recht. So kann ein beklagter Hersteller gezwungen werden, konstruktive Details sowie Details aus der Fertigung seiner Produkte dem Kläger offenzulegen. Mit diesen Tatsachen kann der Kläger seinen Anspruch begründen. Diese vermeintlich prozessrechtliche Frage hat für die Technische Dokumentation eine große Bedeutung, weil dadurch die interne Dokumentation in den Blickpunkt gerät. In Zukunft wird die interne Dokumentation offenzulegen sein, so dass Unzulänglichkeiten dieser Dokumentation wahrscheinlich zum Anlass genommen werden, einen Anspruch gegen den Hersteller zu begründen.

Die kommende Maschinenverordnung

Die EU-Maschinenverordnung ist als unmittelbar geltendes Recht ab dem 20. Januar 2027 anzuwenden. Allerdings gibt es diesbezüglich ein absolutes Novum: Im April 2024 hat die EU-Kommission einen neuen Guide zur Anwendung der noch geltenden EU-Maschinenrichtlinie veröffentlicht. Darin wird ausgeführt, dass die digitale Gebrauchsanleitung, auch unter Geltung der aktuellen EU-Maschinenrichtlinie, als Form der Nutzerinformation verwendet werden kann. In diesem Fall sind jedoch die Vorgaben der neuen Maschinenverordnung zu beachten.

Die neue Maschinenverordnung lässt die Bedienungsanleitung in digitaler Form zu (uneingeschränkt im B2B-Bereich). Weiter werden bestimmte Anforderungen aufgestellt, die die Zugänglichkeit, die Möglichkeit zum Papierausdruck, Speicherbarkeit und Archivierung betreffen. Insgesamt sind dies durchaus restriktive Vorgaben, deren Beachtung sicherlich für die Unternehmen des Maschinenbaus eine Herausforderung bedeutet.

Bis in Details regulieren

Lange wurde eine Regulierung künstlicher Intelligenz diskutiert und erwartet. Nun ist die KI-Verordnung veröffentlicht worden. Sie gilt ab 2026 bzw. 2027. Herausgekommen ist ein komplexes Regelungswerk, was sich an dem Risikopotenzial des eingesetzten KI-Systems orientiert. KI-System ist dabei ein maschinell lernendes und sich veränderndes System, unabhängig davon, ob die Software für sich auf dem Markt bereitgestellt wird oder Teil eines Produktes ist. Die Einhaltung der KI-Verordnung ist durch ein Konformitätsbewertungsverfahren und das Anbringen des CE-Kennzeichens nachzuweisen. Im Wesentlichen geht es darum, die Entstehung von KI und deren Anwendung im Markt zu kontrollieren. Es soll zudem verhindert werden, dass sich KI als „Blackbox“ darstellt, bei der nicht genau erkennbar ist, wie die KI arbeitet und zu welchen Ergebnissen sie führt.

Ein häufiger Anwendungsfall der KI-Verordnung werden die so genannten Hochrisiko-KI-Systeme sein. Die Einordnung als „Hochrisikosystem“ ergibt sich aus den Anhängen zur KI-Verordnung, die etwa auf derzeit gültige Produktsicherheitsvorgaben, wie die Maschinenverordnung, abstellt. Der KI-Einsatz im Maschinenbau wird daher vielfach zur Annahme einer Hochrisiko-KI führen. Dies hat Auswirkungen auf die Information des Nutzers sowie für die technischen Unterlagen.

Bei der Information des Nutzers muss diesem eine Anleitung in digitaler Form bereitgestellt werden, die nicht nur den üblichen Umfang einer Bedienungs- oder Gebrauchsanleitung aufweist. Vielmehr ist auf das Thema KI gesondert einzugehen, indem ein sehr hohes Maß an Transparenz über die eingesetzte KI erzielt werden soll. Dies umfasst auch Information zum Anlernen eines Systems, zu vorhersehbaren Veränderungen am System und zu ggf. erforderlichen Eingriffen von Menschenhand. Über etwaige Risiken durch den Einsatz der KI ist gesondert zu informieren.

Die technischen Unterlagen für KI sind ein wichtiges Instrument zur maximalen Transparenz über die KI. Diese Informationen sind regelmäßig einem Update zu unterziehen und sollen vor allem detaillierte Informationen enthalten, mit denen das KI-System und seine Funktionsweise beschrieben werden. Dafür sind Informationen zur Entwicklung des KI-Systems, zu seiner Datenarchitektur und zum Monitoring nebst Kontrolle des KI-Systems in den technischen Unterlagen zu präsentieren.

Verordnung als Rahmen

Mit der Ökodesign-Verordnung ist ein übergreifender Ansatz zur Regulierung der Verkehrsfähigkeit von Produkten mit Blick auf ihre Umweltleistungsfähigkeit formuliert. Letztlich spiegeln sich politische Aussagen in Gesetzesform. Dies betrifft beispielsweise die Forderung, dass nur reparaturfähige Produkte auf dem Markt bereitgestellt werden dürfen. Deutlich ist beabsichtigt, die Produktkonzeption sehr viel nachhaltiger zu gestalten, als dies bisher der Fall ist. Damit ist bereits jetzt schon absehbar, dass Wartungs- und Instandhaltungsinformationen in Zukunft eine wesentlich höhere Bedeutung haben werden. Liegen sie nicht vor, ist das Produkt nicht marktfähig, da die produktbezogenen Umweltanforderungen nicht als erfüllt angesehen werden können.

Die Ökodesign-Verordnung ist zunächst als Rahmen zu verstehen und soll durch so genannte delegierte Rechtsakte ausgefüllt werden. Im Gegensatz zur ursprünglichen Annahme verhält es sich allerdings so, dass delegierte Rechtsakte nicht nur für Verbraucherprodukte entstehen sollen, sondern im Prinzip für jede Art von Produkt. Das Ziel ist eine möglichst große Breitenwirkung.

Mit dem Produkt sind in Zukunft nicht nur produktbezogene Information zur Verfügung zu stellen, sondern auch umweltbezogene Anforderungen, etwa zu bedenklichen Inhaltsstoffen. Weiter sind auch Angaben zur Umweltleistungsfähigkeit des Produktes anzugeben, zum Beispiel zu der eingesetzten Menge an Ressourcen zu dessen Herstellung. Weiter ist die Reparaturfähigkeit von Produkten auszuführen. Nach Möglichkeit ist die Reparatur von Produkten sicherzustellen. Reparaturanleitungen werden eine weitaus höhere Bedeutung bekommen, als es bisher der Fall ist. Die delegierten Rechtsakte sollen zudem Aussagen über das Medium der produktbezogenen Information enthalten.

Außerdem fiel die Entscheidung, die Ökodesign-Verordnung zu benutzen, um den digitalen Produktpass einzuführen. Dabei handelt es sich um die Einführung des transparenten Produktes, das heißt, das Bereitstellen einer produktbezogenen Information über das Internet für die Marktüberwachungsbehörden und für interessierte Nutzer. Der Inhalt der technischen Unterlagen ist im digitalen Produktpass nebst den Benutzerinformationen wiederzugeben. Die Erstellung solcher digitalen Produktpässe dürfte für die Unternehmen zur Herausforderung werden.

Echtes Produktversprechen

Wie im Teil zur Rechtsprechung beschrieben, sind in der Öffentlichkeit so genannte Green Claims beliebt. Unter dem Gesichtspunkt unlauterer Werbung sind sie aber rechtlich bedenklich.

Mit dem Instrument der „Green-Claims-Richtlinie“ wird nun auf Ebene der EU angestrebt, die Inanspruchnahme von umweltbezogenen Aussagen in der Bewerbung von Produkten restriktiv zu regeln. Green Claims, die die Umweltfreundlichkeit eines Produktes besonders hervorheben, soll es nur noch in Ausnahmefällen geben. Solche Aussagen bedürfen nämlich einer umfassenden Rechtfertigung und insbesondere einer wissenschaftlichen Unterfütterung durch entsprechende Studien, zum Beispiel Verbrauchsstudien im Bezug auf die angeblich besonders umweltfreundliche Art und Weise der Herstellung. Diese Art der Dokumentation zu „Green Claims“ ist dann im digitalen Produktpass abzubilden. Die Technische Redaktion steht vor der Aufgabe, Informationsstrukturen aufzubauen und deren Befüllung zu organisieren, um die Transparenz des Produktes in Bezug auf die in Anspruch genommenen „Green Claims“ zu dokumentieren.

Transparenz gewinnt

Die neuen Rechtsvorschriften sind in ihrer Masse komplex. Der diesbezüglich eingeschlagene Weg ist allerdings unumkehrbar, und Unternehmen haben sich in Zukunft mit diesen Anforderungen auseinanderzusetzen. Angesichts der Fülle der Anforderung ist es klar, bereits jetzt einen Masterplan zu entwerfen. Die Technische Redaktion kann diesen Prozess durchaus anstoßen, zur Befüllung sind aber alle Fachabteilungen im Unternehmen gefordert. Aus meiner Sicht wäre es fatal, die Bewältigung der Anforderungen insbesondere bei der Produktdarstellung allein dem Marketing zu überlassen. Es geht bei allen Anforderungen um eine transparente Dokumentation der Produkteigenschaften und nicht mehr darum, durch möglichst geschickte Aussagen den Absatz der Produkte zu erhöhen.

Wie gesagt: Die aktuellen Rechtsentwicklungen sind der Motor für eine Konjunktur der Technischen Dokumentation und eröffnen viele neue, spannende Betätigungsfelder.

Eine Person sitzt am Schreibtisch und hält einen Stift und eine Lupe in den Händen.