Der aus einer tekom-Arbeitsgruppe hervorgegangene intelligent information Request and Delivery Standard (iiRDS) wird seit 2016 entwickelt. Ziel ist es, die Bereitstellung und Verteilung technischer Informationen zu vereinheitlichen. Dazu stellt der Standard vordefinierte Metadatenklassen, ihre Beziehungen zueinander sowie ein Paketformat für den Datenaustausch bereit.
Ist iiRDS nur etwas für große Technische Redaktionen? Können sich ausschließlich Konzerne die für eine Implementierung nötigen Ressourcen leisten? Die Berliner Firma Knick beantwortet zehn Fragen, wie sich ein Mittelständler dem Bedarf an vernetzten Informationen stellt und dafür auf den Standard setzt.
Ist iiRDS nur etwas für große Technische Redaktionen? Können sich ausschließlich Konzerne die für eine Implementierung nötigen Ressourcen leisten? Die Berliner Firma Knick beantwortet zehn Fragen, wie sich ein Mittelständler dem Bedarf an vernetzten Informationen stellt und dafür auf den Standard setzt.
1. Wie sind wir auf iiRDS aufmerksam geworden?
Die Entwicklung von iiRDS verfolgen wir seit den Anfängen. Intensiver habe ich mich mit dem Standard im Zuge der Einführung unseres Component-Content-Management- Systems (CCMS) beschäftigt. Ziel war es, ein passendes Metadatenmodell für die Strukturierung unserer Produktinformationen zu finden. Letztlich starteten wir jedoch mit der PI-Klassifikation, da sie unsere Anforderungen ausreichend abdeckte. [1] Zu diesem Zeitpunkt gab es für unser Unternehmen noch keinen passenden Anwendungsfall für iiRDS.
Über die Technische Redaktion |
In einem hoch spezialisierten und vielseitig qualifizierten Team erstellen fünf Mitarbeitende die Technische Dokumentation für die Produkte von Knick. Diese Informationen werden den Produkten in gedruckter Form beigelegt und zusätzlich – auch in weiteren Sprachen – als PDF-Dateien elektronisch bereitgestellt. Darüber hinaus übernimmt die Abteilung unternehmensweit das Übersetzungsmanagement, die Terminologiearbeit sowie die Erstellung technischer Illustrationen. Das Thema Digitalisierung hat einen hohen Stellenwert: Das Team ist an verschiedenen Projekten beteiligt, in denen Informationen in digitale Prozesse integriert werden – etwa bei der Erstellung von Verwaltungsschalen. Inf. 01 Quelle Knick |
2. Warum spielen Metadaten und speziell iiRDS aktuell wieder eine größere Rolle?
Vor etwa zwei Jahren gewann das Thema vernetzte Informationen stark an Bedeutung, da unsere Kunden Produktinformationen gemäß dem Branchenstandard VDI 2770 einforderten. [2] Zudem starteten wir im Kontext von Industrie 4.0 die Entwicklung eines Systems, das Verwaltungsschalen für den digitalen Zwilling nach den Spezifikationen der „Industrial Digital Twin Association (IDTA)“ erzeugt. [3] Gleichzeitig stellen uns eine zunehmende Produkt- und Variantenvielfalt, das internationale Wachstum von Knick und die erschwerte Auffindbarkeit bestehender Informationen vor neue Herausforderungen (Abb. 01).

Abb. 01 Auswahl von Knick-Produkten für die Prozessanalytik und Interface-Technik. Quelle Knick
Aber auch aus der Technischen Redaktion heraus gab es das Bestreben, unsere Produktinformationen digital über ein Content-Delivery-Portal (CDP) bereitzustellen. Gründe dafür waren etwa steigende Druckkosten und viele manuelle Arbeitsschritte im Publikationsprozess.
Der Bedarf an strukturierten, angereicherten Informationen kam also aus unterschiedlichen Richtungen. Schnell wurde deutlich, dass unser bisheriger Ansatz nicht mehr ausreicht. Mit seinem standardisierten Datenaustausch und den durchdachten Metadatenklassen bot iiRDS einen idealen Einstiegspunkt.
3. Wie haben wir iiRDS in unserer Redaktion eingeführt?
Nach dem Besuch einer Grundlagenschulung bei der tekom wurde ich auf ein vom iiRDS-Konsortium gefördertes Pilotprojekt aufmerksam – die perfekte Gelegenheit, das Thema konkret anzugehen und ins Unternehmen zu tragen.
2024 haben wir das Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit der Firma plusmeta erfolgreich abgeschlossen. Aktuell laufen interne Aktivitäten zur Metadatenmodellierung. Gerade arbeite ich an der finalen Umsetzung im Testsystem unseres CCMS und versehe erste Inhalte mit iiRDS-Metadaten.
Im Anschluss folgt ein Kick-off mit dem gesamten Redaktionsteam. Ein solches Projekt kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten überzeugt sind und mitziehen. Danach wollen wir unsere Bestandsdaten analysieren und in eine stärker topicorientierte Struktur überführen. Wenn alles passt, wird das iiRDS-Modell im Laufe des Jahres in unsere Produktivumgebung übertragen. Da eine manuelle Auszeichnung unserer inzwischen umfangreichen Bestandsdaten nicht praktikabel ist, planen wir den Einsatz eines Tools zur Automatisierung dieses Prozesses.
Unsere Reise mit iiRDS hat also gerade erst begonnen. Doch die Grundlagen stehen, und erste iiRDS-Pakete mit realen Inhalten wurden im Rahmen des Pilotprojekts bereits erfolgreich generiert.
4. Welche externe Unterstützung haben wir für die Implementierung in Anspruch genommen?
Wie bereits erwähnt, haben wir für unser iiRDS-Pilotprojekt die Firma plusmeta aufgrund ihrer Expertise in diesem Bereich hinzugezogen. Die Zusammenarbeit war äußerst wertvoll – die gewonnenen Erkenntnisse sind direkt in unsere Digitalisierungsstrategie eingeflossen.
Die automatisierte Auszeichnung der Metadaten mithilfe verschiedener Methoden zeigte deutlich, wie sehr sich dieser Prozess beschleunigen lässt (Abb. 02).

Abb. 02 Beispiel für die automatisierte Metadatenauszeichnung in plusmeta. Quelle plusmeta; Knick
Das plusmeta-Tool setzte dabei dynamische Extraktoren auf Basis von Mustererkennung ein. Zudem wurden bereits im CCMS vorhandene Metadaten mittels regelbasierter Systeme genutzt. Die Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Datenmodellen wurden in einem Knowledge Graphen abgebildet, der wiederum als Grundlage für geeignete Mappings diente.
Die eigentliche Modellierung und Implementierung der Metadaten im CCMS haben wir intern realisiert. Vor Beginn der Auszeichnung der Bestandsdaten möchten wir jedoch eine unabhängige Bewertung einholen. Generell halte ich es für sinnvoll, externe Expertise einzubeziehen – schließlich ist ein solches Projekt kein Alltagsgeschäft.
5. Welche besonderen Herausforderungen hatten wir als kleinere Redaktion zu bewältigen?
Die größte Herausforderung war, das Projekt parallel zum Redaktionsalltag umzusetzen. In unserem kleinen Team gibt es keine dedizierte Stelle für solche Themen. Man braucht Eigeninitiative und muss sich gezielt Zeiträume schaffen, um daran zu arbeiten.
Zudem war es anfangs nicht leicht, dieses abstrakte Thema im Unternehmen zu platzieren und den Nutzen aufzuzeigen. Der Vorteil kleiner Unternehmen liegt jedoch in direkter Kommunikation und kurzen Entscheidungswegen. Dennoch müssen sich solche Überlegungen sinnvoll in die Digitalisierungsstrategie des Unternehmens einfügen. Letztlich gilt es, realistisch zu prüfen, ob Themen wie iiRDS zum Unternehmen passen und sich konkret umsetzen lassen.
Die Kosten blieben bislang überschaubar – auch dank einer Förderung von 5.000 Euro im Rahmen des Pilotprojekts. Gerade für unsere kleine Redaktion war das ein entscheidender Impuls, um direkt und ohne große Einstiegshürden loslegen zu können.
6. Welche Tipps können wir Redaktionen geben, die ebenfalls mit iiRDS arbeiten möchten?
Aus meiner Erfahrung ist es entscheidend, konkrete Anwendungsbeispiele zu zeigen – am besten mit eigenen Produktinformationen. Im Pilotprojekt stellte uns plusmeta überzeugende Use Cases zusammen, die das Potenzial greifbar machten. Ein Beispiel war ein optimierter Chatbot, dessen Antworten durch iiRDS-Metadaten und einen Knowledge Graph mit konkretem, domänenspezifischem Wissen angereichert wurden (Abb. 03).
Meine Empfehlung: Entwickeln Sie eigene Use Cases, stimmen Sie diese intern ab und gehen Sie in kleinen Schritten vor. Es ist nicht notwendig, sofort alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Vielleicht genügt es zunächst, nur einige iiRDS-Klassen zu nutzen. Das Modell kann später weiterentwickelt werden. Die Implementierung von iiRDS ist ein iterativer Prozess, der sich laufend an veränderte Anforderungen anpasst.
Darüber hinaus lohnt es sich, grundlegend zu hinterfragen, was mit der Einführung von iiRDS konkret erreicht werden soll. Wir haben unsere Ziele in einer Digitalisierungsstrategie formuliert. Das hat geholfen, Klarheit über die zu lösenden Probleme zu gewinnen.

Abb. 03 Beispiel eines optimierten Chatbots in plusmeta. Quelle plusmeta; Knick
7. Welche Missverständnisse über iiRDS begegnen uns häufig?
Oft besteht Unklarheit darüber, dass iiRDS sowohl ein Vokabular für Metadaten als auch ein Paketformat für den Datenaustausch bereitstellt. Für den Einstieg ist das Vokabular der interessantere Teil – es ist der logische erste Schritt vor dem Austausch.
iiRDS bietet einen Rahmen zur formalen Darstellung von Wissen und den Beziehungen zwischen Konzepten – spezialisiert und beschränkt auf die Technische Dokumentation. Der Standard ist bewusst leichtgewichtig gehalten und optimiert für die Interoperabilität von Metadaten, nicht für komplexe logische Schlussfolgerungen.
Das bedeutet aber auch, dass nicht jeder Informationsbedarf in iiRDS abgebildet ist. Dank seiner modularen Architektur lassen sich jedoch Erweiterungen und externe Konzepte problemlos integrieren. Neben dem Basismodell Abb. 04) existieren bereits zwei domänenspezifische Erweiterungen für den Maschinenbau und die Software-Dokumentation. Entsprechend lassen sich für die eigene Domäne geeignete Erweiterungen entwickeln und nach dem gleichen Prinzip einbinden. Der Grad der erforderlichen Anpassung variiert je nach Bedarf und Anwendungskontext – iiRDS stellt hierfür die technische Grundlage bereit.

Abb. 04 Übersicht der Klassen des iiRDS-Basismodells. Quelle Knick
8. Welche zukünftigen Vorteile erwarten wir von iiRDS?
Wir halten es für unerlässlich, modulare Informationen innerhalb des Konzepts des digitalen Zwillings zu integrieren. Das im März 2025 veröffentlichte Teilmodell „Intelligent Information for Use“ der IDTA bietet nun ein standardisiertes Template, um mit iiRDS angereicherte Produktdokumentation in Verwaltungsschalen einzubinden. [4] Diese Entwicklung werden wir genau beobachten und bewerten, ob sich konkrete Anwendungsfälle für uns ergeben.
Eine weitere spannende Entwicklung im Bereich des automatisierten Informationsaustauschs ist die vom iiRDS-Konsortium entwickelte Programmierschnittstelle (Application Programming Interface, API). Die so genannte Request-API definiert eine RESTful-Schnittstelle zur gezielten Abfrage von Informationen aus Systemen, die iiRDS-Metadaten verwenden. [5]
Bereits im Pilotprojekt haben wir auch mit der Integration von ECLASS experimentiert – diesen Ansatz möchten wir weiterverfolgen. Darüber hinaus beschäftigen uns derzeit Fragen rund um digitale Schulungsangebote und die domänenspezifische Generierung von Inhalten mittels Retrieval-Augmented-Generation (RAG) in Verbindung mit Large-Language-Models (LLMs).
Inzwischen haben sich vielversprechende Impulse ergeben, und wir erkennen zunehmend konkrete Anwendungsmöglichkeiten. Die Beispiele verdeutlichen das Potenzial von iiRDS – und ich bin sicher, dass noch weitere hinzukommen werden.
9. Wie bewerten wir die Toolunterstützung für iiRDS?
Das iiRDS-Konsortium hat in den letzten Jahren hilfreiche Werkzeuge entwickelt. [6] Dazu gehören Generatoren und Validatoren für iiRDS-Pakete, ein DITA-Plug-in und die erwähnte Request-API.
Viele CCMS bieten Möglichkeiten zur Metadatenmodellierung, doch die native iiRDS-Unterstützung ist unterschiedlich ausgeprägt. Vorgefertigte Konfigurationen oder ein einfacher Import sind nicht immer vorhanden. Auch das direkte Generieren von iiRDS-Paketen aus dem CCMS ist noch nicht mit jedem System möglich. Bei unserem CCMS SCHEMA ST4 wäre dies über ein angepasstes Produktionslayout mit dem Online-Media-Designer (OMD) oder durch Integration des plusmeta-Tools umsetzbar.
Es gibt also Ansätze der Softwarehersteller, aber einfache Turnkey-Lösungen sind noch selten. Geringere Einstiegshürden würden die Umsetzung insbesondere für kleinere Teams deutlich erleichtern.
10. Wo sehen wir Verbesserungspotenzial bei iiRDS?
Der Standard deckt die Anforderungen der Technischen Dokumentation sehr gut ab. Fehlt im Einzelfall etwas, lässt sich iiRDS flexibel erweitern. Damit ist der Standard besonders für kleine Unternehmen ein guter Ausgangspunkt – deutlich einfacher und günstiger, als ein eigenes Modell von Grund auf zu entwickeln. Auch für den Datenaustausch gibt es mittlerweile praxistaugliche Lösungen.
Die größte Herausforderung liegt nach meiner Meinung in der Vermittlung von Nutzen und Potenzial – sowohl innerhalb der Technischen Redaktion als auch gegenüber dem Management. Unterstützend könnten Argumentationshilfen zu Vorteilen und Leitlinien zur Entwicklung von Kennzahlen wirken, mit denen sich Verbesserungen messbar machen lassen.
Wünschenswert wäre zudem eine Testinstanz eines CDP, das iiRDS-Pakete nativ verarbeiten kann. Damit ließen sich Vorteile direkt und praxisnah demonstrieren – sei es mit eigenen Paketen oder mit Beispielinhalten. Wenn die Potenziale von iiRDS im praktischen Einsatz sichtbar werden, schafft dies Akzeptanz bei Entscheidungsträgern und ebnet den Weg zur Ressourcenfreigabe.
Die internationale Standardisierung von iiRDS ist bereits angestoßen und wird dazu beitragen, den Standard auch außerhalb Europas zu etablieren. Der eigentliche strategische Nutzen entfaltet sich jedoch erst mit der praktischen Umsetzung – als Grundlage für automatisierte Prozesse, vernetzte Informationen und zukunftsfähige Informationssysteme.
Über Knick | Über plusmeta |
Knick ist ein weltweit tätiges Industrieunternehmen, das Lösungen für die Strom-, Spannungs-, Temperatur- und Drehzahlmessung sowie für die Messung von pH, Redox, Leitfähigkeit und Sauerstoff in der Prozessanalytik anbietet. Die Wurzeln und der Hauptsitz des Unternehmens liegen seit 1945 in Deutschland und sind eng mit dem Qualitätsanspruch „Made in Germany“ verbunden. Inf. 02 Quelle Knick | plusmeta ist ein innovatives Unternehmen, das wissenschaftliches und pragmatisches Denken mit modernster Technologie verbindet. Gegründet 2019, hat sich plusmeta auf intelligente Informationen und Technische Dokumentation spezialisiert. Seit 2023 gehört plusmeta zur Quanos Group, bleibt jedoch als eigenständige Einheit bestehen und unterstützt weiterhin eine breite Palette an Softwaresystemen. Inf. 03 Quelle plusmeta |
Links zum Artikel
[1] www.i4icm.de/forschungstransfer/pi-klassifikation/
[2] www.vdi.de/richtlinien/programme-zu-vdi-richtlinien/vdi-2770
[3] https://industrialdigitaltwin.org/
[4] https://industrialdigitaltwin.org/wp-content/uploads/2025/03/IDTA-02063-1-0_Submodel__IntelligentInformationForUse.pdf
[5] www.iirds.org/fileadmin/iiRDS_specification/API/0.0.1/iirdsapidoc.html
[6] www.iirds.org/tools

