Die wuppen das schon!

Text: Michael Schaffner

Zeit- und Kostendruck oder spontane Neuerungen sind häufige Projektprobleme. Dann soll es meist Teamarbeit richten, die Fähigkeit einer Arbeitsgemeinschaft, gemeinsam Ziele zu erreichen. Doch das darf nicht dem Zufall überlassen werden, nach dem Motto: Das Team wird sich schon zusammenraufen.

Inhaltsübersicht

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Der Teamarbeit werden wahre Spitzenleistungen nachgesagt. Sie trotzt allen Widrigkeiten, maximiert Produktivität und Ergebnisqualität, fördert Kreativität und Anpassungs­fähigkeit. In der Entscheidungsfindung sind Teams schneller und konstruktiver. Nicht zuletzt werden Arbeitszufriedenheit, Leistungsmotivation und Mitarbeiterbindung positiv beeinflusst.

Wo ist der Haken? Oft glauben Arbeitsgemeinschaften lediglich, im Team zu arbeiten. Sie sind dann überrascht und enttäuscht, wenn sich die erhofften Ergebnisse nicht einstellen.

Wird ein Team nicht professionell gemanagt, verkümmert es schnell zu einer schlichten Arbeitsgruppe, die kaum Widerstandskraft aufweist. Äußere Einflüsse, wie zum Beispiel Budgetdruck, virtuelle Arbeitswelten oder Ad-hoc-Anforderungen, haben dann leichtes Spiel, dieses wenig diverse, nicht vernetzte und dadurch instabile Gefüge ins Wanken zu bringen. Die Projektziele können dann verfehlt oder nur auf Kosten anderer Ziele erreicht werden (zum Beispiel Qualitätseinbußen, Belastung anderer Kostenstellenbudgets, schlechteres Arbeitsklima).

Eine Arbeitsgruppe ist kein Team

Der Begriff „Team“ wird heute leider oft als Synonym für jegliche Art einer organisierten Arbeitsgemeinschaft verwendet. Was unterscheidet Gruppenarbeit von Teamarbeit?

In Gruppenarbeit erfüllen Fachkräfte gleiche bzw. gleichartige Aufgaben eigenständig nebeneinander, um ein (Gruppen-)Ziel zu erreichen. Infolge entsteht Kooperation. Dabei werden Stärken jedes Einzelnen (etwa Fertigkeiten, Wissen oder Erfahrung) zugunsten eines gemeinsamen Ergebnisses zusammengeführt. Die Beiträge der einzelnen Personen können dabei noch gut zugeordnet werden. Je besser und vielfältiger ausgeprägt die Fähigkeiten jedes Einzelnen sind, umso besser arbeitet die Gruppe zusammen.

Die Teamarbeit geht einen anderen Weg. Teamarbeit gründet sich auf synergetische und emergente Effekte, was einer reinen Arbeitsgruppe fehlt (Abb. 01). Bei echter Teamarbeit existiert eine gegenseitige Abhängigkeit. Das gemeinsame Ziel kann auch nur gemeinsam erreicht werden. Die Handlung eines Mitglieds hat nicht nur Einfluss auf das eigene Arbeitsergebnis, sondern auch auf das Arbeitsergebnis aller anderen. [1] Hier wird nicht mehr von Kooperation, sondern von Kollaboration gesprochen. Die einzelnen Leistungsbeiträge verschmelzen. Die Stärken des einen gleichen die Schwächen des anderen aus.

Fünf Schritte definieren das Entstehen und das Auflösen eines Teams.

Abb. 01 Team-Bildungsprozess nach Tuckmann (in Anlehnung an Rosenstiel, 2003).

Mit Stärken und Schwächen umgehen

Das bedeutet aber nicht, dass eine reine Arbeitsgruppe keine Existenzberechtigung hätte. Gruppenarbeit hat Vorteile bei einfachen oder Routineaufgaben, die wenig koordinierte Zusammenarbeit erfordern, bei hoch spezialisierten Aufgaben, die unabhängig voneinander erledigt werden können, oder in eher bürokratischen Unternehmensstrukturen, wo direktive Führung, Regelkonformität und individuelle Leistungsbeurteilung gefragt sind. Teamarbeit bietet sich dagegen bei komplexen, kreativen Projekten oder anspruchsvollen, wenig strukturierbaren Problemlösungen an.

Es ist also denkbar, dass Fachleute im Tagesgeschäft in Gruppenarbeit (etwa Redaktionsprojekt) und in Sonderprojekten in Teamarbeit zusammenkommen (etwa Einführung eines CCMS) – oder auch umgekehrt. Notwendig jedoch ist, sich dessen bewusst zu sein. Die Organisation ist jeweils eine andere.

Wird eine Entscheidung „pro Teamarbeit“ getroffen, muss auch die Personalpolitik folgen. Denn Gruppenarbeit setzt auf starke Einzelkämpfer und individuelle Leistung, die über Strukturpläne und Prozesse gesteuert und über Anreizsysteme belohnt werden. Gruppenarbeit braucht Manager.

Teamarbeit setzt dagegen auf kollaborative Hilfsbereitschaft und eine durch den Teamgeist gespeiste intrinsische Motivation, verknüpft mit einer Hingabe für das Team, die nahezu altruistische Züge annehmen kann, wenn Eigeninteressen zugunsten des Teamerfolgs zurückgestellt werden. Teamarbeit braucht Leader. [2]

In einem Team werden die Schwächen eines Mitglieds von den Stärken eines anderen Mitglieds ausgeglichen. Dies erfordert etwas, was in der Organisationspsychologie „Psychologische Sicherheit“ genannt wird. Jedes Teammitglied muss die Gewissheit haben, in einer Arbeitsgemeinschaft offen über Schwächen, Fehler oder unangenehme Wahrheiten sprechen zu können, ohne dadurch Nachteile zu erfahren. Die Personalführung muss dies unterstützen, beispielsweise durch authentische und vertrauensvolle Führung, Ermutigen zum Meinungsaustausch, aktives Zuhören, wertschätzendes Anerkennen und respektvolles Verhalten sowie eine auf Lernschleifen und nicht auf Bestrafen setzende Fehlerkultur. Hinzu kommen Fördern von Diversität, kollegiales Unterstützen oder kontinuierliches Feedback. [3]

Viele Organisationen sind jedoch durch Ambiguitätsintoleranz gekennzeichnet. Mehrdeutige Situationen, Diversitäten, Widersprüchlichkeiten und Meinungsvielfalt können nicht ertragen werden und werden daher unterdrückt. Dies kann bis zum „Schwarz-Weiß-Denken“ führen.

Aber nicht nur das Management und die Führungskultur müssen auf Teamarbeit eingestellt sein, sondern auch die Personalentwicklung. Viele Weiterbildungsprogramme setzen darauf, identifizierte Schwächen einzelner Mitarbeitender auszugleichen (fachliche, soziale, methodische oder auch interkulturelle Kompetenzen) und zu Stärken umzumünzen. Dies fördert jedoch Einzelkämpfer, aber keine Teamplayer. Würde ein Fußballtrainer einen Virtuosen im Tor zur Sturmspitze umtrainieren? Eher nicht. In der Personalpolitik zahlreicher Unternehmen passiert aber genau dies. Alle müssen möglichst alles können. In Folge entstehen Arbeitsgruppen, die wenig Resilienz aufweisen. In Hochleistungsteams sind sich dagegen alle über die Unvollkommenheiten anderer bewusst. Und um Synergie und Emergenz (Inf. 01) zu erreichen, werden nicht die Schwächen wegqualifiziert, sondern die Stärken weiter gestärkt.

Synergie

  • Phänomen, bei dem das Zusammen­wirken aller Kräfte eine größere Wirkung entfaltet als die Summe der Einzelwirkungen, zum Beispiel sich ergänzende Fachqualifikationen.
  • Geeignete Arbeitskräfte müssen dabei gemäß ihrer Qualifikation und Erfahrung, persönlicher Disposition oder auch Verhaltensweisen strategisch klug zusammengestellt werden
 

Emergenz

  • Autonomes Entstehen von Eigenschaften oder Verhaltensweisen in einem System, das sich nicht aus den Eigenschaften oder Verhaltensweisen der Einzelkräfte ableiten lässt.
  • Zum Beispiel nur im Zusammenspiel entstehen neue kreative Lösungsmuster oder verblüffende Entscheidungen.
  • Vorausgesetzt wird hierfür eine moderne Organisationskultur, geprägt von gelebter Autonomie und Selbstorganisation, toleranter Fehlerkultur, Entscheidungsbefugnis auf Teamebene sowie hohem Vertrauen des Managements.
 

Inf. 01 Quelle Michael Schaffner

Teamstärken sind rare Güter

Teamleistung entsteht durch eine synergetische Kompensation von Stärken und Schwächen sowie ein emergentes, autonomes Zusammenspiel von Kräften. Grundlage ist die Diversität der Mitglieder (Heterogenität bzgl. Qualifikationen, Dispositionen, Erfahrungswelten, Kulturen oder auch Talenten). Und genau hier liegt die Crux von Teamarbeit.

Denn ein Teamleiter ist bei Weitem nicht so frei in seiner „Mannschaftsaufstellung“ wie ein Fußballtrainer. Es gibt keinen Transfermarkt, keine Doppelbesetzungen und keine Reservebank. Das Management muss, um im Fußballjargon zu bleiben, mit dem „Material arbeiten“, das zur Verfügung steht. Und dies verschärft sich noch, wenn Teamstrukturen über die eigene Verantwortungsgrenze hinausgehen (zum Beispiel abteilungs-, standort- oder unternehmensübergreifende Teams). Da ist es verständlich, dass eher auf die klassische Gruppenarbeit zurückgegriffen wird – auch wenn dies (wir erinnern uns) fälschlicherweise als Teamarbeit verkauft wird.

Doch ist damit Teamarbeit nur für einen elitären Handlungsrahmen geeignet? Streng genommen ja. Aber dialektisch gedacht wollen wir lieber über einen Ausweg nachdenken. Verlassen wir einmal das durch Ambiguitätsintoleranz geförderte Silo-Denken. Wenn zum Ausgleich einer Teamschwäche eine Teamstärke gesucht wird, muss diese nicht zwingend aus dem eigenen Verantwortungsbereich stammen. Dies setzt eine perspektivische Vorbereitung voraus, denn Teamarbeit auf Ansage funktioniert nicht. Welche Maßnahmen sind für die Vorbereitung denkbar?

  • Abgrenzung zwischen Gruppen- und Teamarbeit bewusst machen
  • Leitlinien für das Mindset setzen (bzgl. psychologische Sicherheit, soziale Erleichterung oder Fehlerkultur)
  • konkrete Maßnahmen zur symbolischen Unterstützung des Mindsets einführen (etwa „Speakers Corner“, Fehler-/Qualitätszirkel)
  • „Yellow Pages“ aller Experten und Talente erstellen
  • virtuelle, strukturübergreifende Arbeitsstrukturen zulassen und eine Koordinierungsstelle einführen
  • Teambildungskompetenzen aufbauen

Da Teamstärken rare Güter sind, müssen diese professionell bewirtschaftet werden. Es sind Marktmechanismen zu etablieren, damit eine Nachfrage (Teamschwächen) mit konkreten Angeboten (Teamstärken) befriedigt wird – dies passiert nicht zufällig und schon gar nicht automatisch.

Nehmen wir ein Beispiel: Meredith Belbin hat neun Teamrollen definiert (1981). Die Rollen sind aufgrund ihrer Heterogenität erfolgsentscheidend für Teamarbeit (Tab. 01). [4] Idealerweise sollten alle Teamrollen besetzt sein, zumindest sollten aber Teammitglieder aus einer der jeweils drei Kategorien stammen (handlungs-, kommunikations- und wissensorientierte Rollen). Dem Synergieansatz folgend, könnte beispielsweise einem Neuerer ein Perfektionist oder einem Spezialisten ein Umsetzer „gegenübergestellt“ werden. Die Teamleiter und Personalentwickler haben dabei die Aufgabe, die persönlichen Dispositionen aller (potenziellen) Mitglieder zu kennen. Bedienen können sie sich dabei analytischer Verfahren (zum Beispiel der Persönlichkeit-Diagnostik) oder nicht-analytischer Verfahren (zum Beispiel Selbsteinschätzung, Diskussion im Team). Werden Schwächen im zukünftigen Team identifiziert, werden diese nicht wegqualifiziert, sondern Persönlichkeiten im eigenen Haus oder in dessen Umfeld gesucht, die diese Schwäche ausgleichen können. Auf gleiche Weise könnten auch andere Kompetenzarten behandelt werden.

Tabelle definiert neun Teamrollen.
Tab. 01  In Anlehnung an Ullmann, 2019

Leistung unter Beobachtung

Arbeitsgemeinschaften gehen davon aus, dass Arbeiten in der Gemeinschaft leichter von der Hand gehen. Dies ist aber nicht grundsätzlich der Fall.

Zwar hat Norman Triplett (1898) in einer frühen sozialpsychologischen Studie festgestellt, dass Radrennfahrer signifikant schneller sind, wenn sie mit anderen Fahrern konkurrieren, als wenn sie allein gegen die Uhr fahren. [5] Von Triplett lässt sich die Theorie der sozialen Erleichterung ableiten, dass Menschen Aufgaben besser ausführen, wenn andere Personen anwesend sind.

Die Anwesenheit anderer Menschen führt nach Robert Zajonc (1965) aber nur dann zu einer sozialen Erleichterung, wenn die ausführenden Aufgaben gut trainiert sind, andernfalls kommt es zu einer sozialen Hemmung. [6] Wenn Aufgaben gut trainiert und tief im Verhaltensrepertoire verankert sind, führt dies physiologisch über das vegetative Nervensystem zu einem ruhigen Puls, einer flachen Atmung, entspannten Muskeln oder zu einer klaren Stimme. Psychologisch betrachtet folgt ein Abruf dominanter, gut trainierter Reaktionsmuster – quasi aus dem „Effeff“. Nicht gut trainierte Aufgaben führen dagegen zur Ausschüttung von Stresshormonen, Herzrasen, erweiterten Pupillen, Stottern, Schweißausbrüchen sowie dem Abruf nicht zielführender Reaktionsmuster, die beispielsweise auf früheren Erfahrungen oder falsch antrainierten Handlungsmustern basieren.

Die „Soziale Erleichterung“ kann als Begründung für die Weiterbildungsprogramme bei der klassischen Gruppenarbeit angeführt werden – alle müssen fachlich top trainiert sein. Bei Teamarbeit stellt sich das Problem etwas anders dar. Denn Teamarbeit setzt das Training von Kollaboration voraus. Dies gelingt beispielsweise durch Maßnahmen für die Teambildung, Coaching, Mentorenkonzepte oder das Denken in Fallstudien-Szenarien (zum Beispiel „Wie würden Sie handeln, wenn …“).

Es gibt noch ein weiteres relevantes Phänomen aus der Sozialpsychologie: die soziale Hemmung. Bereits 1913 stellte Max Ringelmann Produktivitätsverluste in Gruppen fest, als er bei einem Seilzugwettbewerb die gesamte Zugkraft von acht Männern ins Verhältnis zur Summe der einzelnen Zugkräfte setzte. Es entstand die Hypothese, dass Menschen nicht ihr Bestes geben, wenn ihre individuelle Leistung nicht sichtbar ist. In der klassischen Gruppenarbeit wird daher auf extrinsische, individuelle Leistungsanreize gesetzt. Bei der Teamarbeit würde man eher auf Teamboni setzen. Vielversprechender ist jedoch die intrinsische Motivation.

Teamgeist – doppelt gebrannt

Die Teamarbeit muss für die Mitarbeitenden bereits so attraktiv sein, dass ein „Wir-Gefühl“ bzw. Teamgeist entsteht. Dies wird auch Kohäsion genannt.

Der Output einer Arbeitsgemeinschaft wird oft über Ergebnisqualität oder Lösungsgeschwindigkeit bewertet. Dies sind klassische Maßzahlen der Gruppenarbeit. Alle wissenschaftlichen Modelle zur Teamarbeit weisen darauf hin, [7] dass zusätzliche Individual- und Gruppeneffekte den Erfolg einer Teamarbeit auszeichnen (zum Beispiel Motivation, Einstellungsänderung, Zufriedenheit, neue Kommunikations- oder Handlungsmuster). Erfolgreiche Teamarbeit wirkt also nach und auf die Teamarbeit der Zukunft. Synergie und Emergenz entstehen im Verlauf.

Was ein Team in erster Linie zusammenhält, ist seine Attraktivität für die Mitglieder. Ohne Kohäsion gibt es keine Teamarbeit. Kohäsion entsteht einerseits im Teambildungsprozess, andererseits muss die Kohäsion aber auch während der Teamarbeit gefestigt und kann dabei auch noch gesteigert werden – der Idealfall.

Ein bedeutendes Beispiel für einen Teambildungsprozess ist der nach Bruce Tuckmann (1965). Der Prozess besteht aus vier Phasen (Forming, Storming, Norming und Performing), bei temporären Teams zusätzlich aus der fünften Phase „Adjourning“. [8] In jeder Phase dienen spezifische Aufgaben dazu, einen optimalen Teamzusammenhalt zu organisieren (abb. 01). Die Herausforderung ist dabei das Rollenverständnis der Führung, die in jeder Phase individuell und unterschiedlich ist. Eine Führungspersönlichkeit zu finden, die diesen Aufgaben gerecht wird, ist jedoch essenziell.

Während der Produktivphase (Performing) sind Maßnahmen der Teamsteuerung zu ergreifen, die die Kohäsion stabilisieren und aktivieren. Bekannte Maßnahmen sind:

  • Teamdiagnose – analytisch wird das Teamverhalten in Langzeit (systematische Beobachtung) oder als Schnappschuss (Fragebogen) untersucht
  • Teamcoaching – nachhaltige Begleitung von Teams zur Aktivierung einer systematischen und intensiven gemeinsamen Selbstreflexion
  • Teamreflexivität – Teammitglieder reflektieren gemeinsam Ziele und Prozesse und passen darauf basierend ihr Verhalten an
  • Outdoor-Training – Übungen und Aufgaben, die mit körperlicher Aktivität verbunden (also nicht rein konsumtiv) sind, verknüpft mit der Ermutigung, in einem anderen Kontext (neue) Verhaltensweisen zu trainieren
  • Feedback – Rückspielen von Ergebnissen in das Team (zum Beispiel aus der Teamdiagnose, Outdoor- Training); als Prämisse gilt dabei: überprüfbar, spezifisch und robust gegenüber Verzerrungen

Agile Steuerung von Teams

Neben zahlreichen anderen Steuerungsvorhaben zur Förderung der Kohäsion (etwa Aufstellen eines Verhaltenskodex, situative und transformationale Führung, Resilienz­förderung) soll an dieser Stelle noch eine Maßnahme hervorgehoben werden: Anreizstrukturen.

Es wird zwischen ökonomischen Anreizen (extrinsisch) und psychologischen Anreizen (intrinsisch) unterschieden. Die Wirkung ökonomischer Anreize (wie Leistungskontrolle, Kennzahlen, monetäre Bonussysteme) auf die Kohäsion ist umstritten. Denn die emotionale Ebene wird kaum adressiert. Die Wirkung psychologischer Anreize (wie öffentliche Anerkennung, soziale Unterstützung, Vertrauensvorschuss, Verantwortungsübertragung) wird dagegen gerne als zu soft bezeichnet.

Ein Kompromiss könnte „OKR“ sein, eine Zielmanagementmethode zur agilen Umsetzung von Strategien und Zielen – auch in der Teamsteuerung. Von Peter Drucker entwickelt („Management by Objectives“, kurz MbO, 50er-Jahre) und von Andy Grove (Mitbegründer von Intel, 70er-Jahre) verfeinert, steht OKR für „Objectives and Key-Results“.

OKR ist keine Bewertungsmethode für Mitarbeiter und ist auch an kein Bonussystem gekoppelt. Vielmehr setzt die Methode auf intrinsische Motivation. In einem strukturierten Zielvereinbarungsprozess, an dem alle Mitglieder teilhaben, werden Strategien und Aufgaben agil umgesetzt, also iterativ, vortastend und lernend.

Dieser Zielvereinbarungsprozess umfasst mehrere OKR-Zyklen (je Zyklus etwa drei Monate), in denen die (Team-)Ziele immer schärfer operationalisiert werden. Der besondere Vorteil ist dabei, dass nicht nur sachliche Ergebnisziele, sondern auch emotionale Individual- und Gruppenziele gleichermaßen adressiert werden können. Dies schafft und stärkt die Kohäsion.

In jedem OKR-Zyklus wird ein OKR-Set partizipativ erarbeitet, bestehend beispielsweise aus zwei bis drei Objectives und zwei bis drei Key-Results je Objective. Die OKR-Sets beschreiben damit den immer konkreter werdenden Weg zum gemeinsamen Teamziel.

Objectives (O) sind konkret zu erreichende Ziele innerhalb eines Quartals. Sie müssen klar abgeschlossene Zustände in der Zukunft beschreiben und sich am Mehrwert für Kunden oder auch Zielgruppen orientieren. Sie dürfen keine nur wünschenswerten oder abstrakten Zustände beschreiben (zum Beispiel Kundenzufriedenheit oder Umsatzsteigerung).

Key-Results (KR) sind auf die Objectives in dem jeweiligen Quartal bezogen. Sie machen quantitativ sichtbar, ob das Objective erreicht wird. Es sind messbare Ziele, die einen Ergebniskorridor von zumeist 70 bis 90 Prozent aufweisen. Der Wunsch nach einer hundertprozentigen Zielerreichung würde auf zu wenig ambitionierte Objectives hindeuten. Key-Results dürfen nicht mit Tasks verwechselt werden. Maßnahmen zur Erreichung der KRs definiert das Team autonom.

Nehmen wir als Beispiel für eine Teamaufgabe: „Einführung eines neuen Redaktionssystems“. Ein Objective könnte sein „Kunden erteilen dem Informationsprodukt Betriebsanleitung eine exzellente Gebrauchstauglichkeit“. „Erhöhung der Benutzerfreundlichkeit“ wäre zu unpräzise und kein Zielzustand. Zu diesem Objective könnte folgende zwei Key-Results passen: „Anzahl der positiven User-Feedbacks auf 80 Prozent steigern“ (KR1), und „Korrektur erkannter Fehler auf 80 Prozent steigern“ (KR2). „Qualitätslenkung auf drei Revisionen steigern“ für KR2 wäre beispielsweise ein Task und kein Key-Result.

Bezogen auf die psychologische Zielebene könnte ein Objective sein „Jedes Teammitglied zeigt hohe Zufriedenheit mit der Teamkollegialität“ und zwei Key-Results könnten dann sein: „Mindestens 45 Team-Retrospektiven pro Jahr“, „Erhöhung der Teilnahme an täglichen Stand-up-Meetings auf 95 Prozent“.

Einem agilen Prozess folgend, werden in jedem OKR-Zyklus die Objectives und Key-Results bewertet: wöchentlich, zum Beispiel in einem Stand-up zum Status-Check, sowie am Quartalsende in einem Review (Ziel erreicht?) und einer Retrospektive (Was lief gut bzw. weniger gut?).

Verfolgt werden können die OKRs auf einem OKR-Board nach dem Kanban-Prinzip. Dabei ist es wichtig, die Beziehung von Ursache und Wirkung zu verdeutlichen: Mit welcher Maßnahme haben wir welche Wirkung (Key-Result) erzeugt? Dies stärkt das Vertrauen in die Teamarbeit, in die intrinsische Motivation und damit die Kohäsion.

Literatur zum Artikel

[1] Patzark, G./Rattay, G. (2018): Projektmanagement; 7. Aufl., Wien: Linde, S. 62.

[2] Vgl. zu Management und Leadership: Schaffner, M. (2022): Vom Aussterben bedroht. In: technische kommunikation, H. 5, S. 41–45.

[3] Zur Vertiefung für moderne Führungsprinzipien u.a.: Schaffner, M. (2020): Motivation und Führung. In: Wagner, D. (Hrsg.) Praxishandbuch Personal­management; 2. Aufl., Freiburg: Haufe, S. 546–623.

[4] Ullmann,G/Jörg, U. (2019): Arbeiten in und mit Gruppen. In: Lippmann, E./Pfister, A./Jörg, U. (Hrsg.): Handbuch Angewandte Psychologie für Führungskräfte; 5. Aufl., Berlin: Springer, S. 393-458 (402).

[5] Stroebe, W./Hewstone, M./Jonas, K. (2014): Einführung in die Sozialpsychologie. In: Jonas, K. et al. (Hrsg.): Sozialpsychologie; 6. Aufl. Berlin/ Heidelberg: Springer, S. 1–28 (12).

[6] Hewstone, M./Martin, R. (2014): Sozialer Einfluss. In: Jonas, K. et al. (Hrsg.): Sozialpsychologie; 6. Aufl. Berlin/Heidelberg: Springer, S. 269–314 (271f).

[7] Brandt. J. (2010): Struktur der Teamqualität; Diss., Universität Graz, S. 8.

[8] Rosenstiel, L. v. (2003): Die Arbeitsgruppe. In: Rosenstiel, L. v. et al (Hrsg.): Führung von Mitarbeitern. 5. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 367–395.

Personen sitzen und stehen und konzentrieren sich auf eine Präsentation.